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Je brutaler, desto besser

Früher schrabbelte man politische Lieder auf der Gitarre und forderte so den Weltfrieden. Rapmusiker nehmen da heute ganz andere Worte in den Mund. Mit antisemitischen und rassistischen Texten suchen sie nach Anerkennung.

Von Dorothea Jung | 19.08.2010
    "Hier kommt die Königsrasse, kuck, du Bastard, wie ich Dir die Kugel in den Kopf verpasse. Ich ficke jeden von euch, kommt doch alle her. Jedes meiner Eier ist zwei Kilo schwer. Ich bin der Pate hier, denn das ist meine Stadt. Vollautomatische Waffen. Ich mache jeden platt."

    King Zaza aus Berlin Moabit ist nicht der einzige Rapper, der sich als das Exemplar einer Königsrasse ausstellt. Auch nicht der Einzige, der behauptet, aus dem Ghetto zu stammen und dort die Macht zu haben. Im Genre des sogenannten Gangsta-Raps gehört die Drohgebärde zur Machopose der Sänger wie die Vulgärsprache zu ihren Texten.

    "Da ist viel Testosteron im Spiel", urteilt Ahmed Toprak.
    Der Erziehungswissenschaftler forscht an der Dortmunder Fachhochschule über Jugendgewalt bei Migranten.

    "Je krasser, wenn man in der Jugendsprache bleiben würde, desto besser; wenn ich drei Mal sage: "Ich ficke Deine Mutter", dann hat das keine Bedeutung mehr. Das heißt: Ich muss das steigern: "Ich ficke Deine Mutter kreuz und quer." Deshalb hört man auch solche Extreme; weil, wenn man drei Mal das Gleiche sagt, dann langweilt das."

    Nach Auffassung des Wissenschaftlers versteckt sich hinter der aggressiven Pose der Sänger die Angst, ohne gewalttätige Macker-Attitüden nicht wahrgenommen zu werden.

    "Diese gewalttätige Vorgehensweise im Wortschatz trägt dazu bei natürlich, dass die Jugendlichen in ihrem Milieu so aufwachsen, dass sie Gewalttätigkeit immer als Lösung sehen, das ist gefährlich, aber das ist ein bisschen "Sich Aufplustern", um Aufmerksamkeit zu erlangen. Und diese Jugendlichen versuchen, über diesen Weg Anerkennung zu finden."

    Im Jugendzentrum Wasserturm in Berlin Kreuzberg schließt Caglar Budakli die Tür zu einem kleinen Studio mit Rechner, Mikrofon und Mischpult auf. Caglar ist Hip-Hopper mit kurdischen Wurzeln und hat zusammen mit Kenan Motovu aus Uganda und Ronny Schmidt aus der brandenburgischen Provinz die Berliner Rap-Gruppe K.O.Muzik gegründet. Spontan geben sie a cappella eine Kostprobe:

    "In meinem Leben geht es wieder bergauf ... ."

    Die drei jungen Männer sind alle über 20. Die positive Signale in die Szene senden. Denn Ronny, Kenan und Caglar halten vom Gangsta-Rap gar nichts.

    "Hip-Hop ist einfach ein Medium, das die Leute benutzen aus sozial schwächeren Gegenden, um zu zeigen, was sie haben. Und da sie ja nicht viel haben, probieren sie durch ne harte Sprache damit Aufmerksamkeit zu erringen. Was aber genau die falsche Richtung ist. Sie zeigen diese Gangsterschiene meiner Meinung nach, weil sie innerlich schwach sind. Wenn ich sag: Eh, ich fick Deine Mutter oder ich fick den und schlag dem auf die Fresse; oder den Juden, den Moslem, den Araber, den mach ich kalt, oder ich schieß den übern Haufen, dann hört's sich für die Leute cool an, die es von außen hören. Und sie geben das an die Kids weiter; also: das ist Quatsch, Gangsta-Rap!"

    Die drei Hip-Hopper bieten im Wasserturm Jugendlichen Rap-Workshops an. Caglar Budakli geht es dabei nicht allein um die Musik. Er hat eine kriminelle Karriere als Intensivtäter hinter sich. Hat bereits mit 14 gestohlen und Drogen verkauft. "Es war eine verlorene Jugend", urteilt er nun als Erwachsener. Sein Leben als Straftäter endete abrupt, weil ein konkurrierender Dealer ihm mit einem Hammer solange auf den Kopf schlug, bis der Stiel zerbrach. Caglar deutet auf seinen Hinterkopf, der von schlimmen Narben gezeichnet ist. Vor ähnlichen Erfahrungen will er mit seinen Workshops andere Kinder bewahren.

    "Ich bin als gesunder Mensch auf die Welt gekommen und hab durch mein scheiß kriminelles Leben mich zum Krüppel gemacht. Und ich würde alles dafür tun, dass die wirklich - die das mal sehen sollen und auch die Kids, die auf Bushido hören, die auf Sido hören, dass das so eigentlich nix bringen wird."

    Caglar Budakli hat erlebt, wie kurdische Gangs ihn zum Drogenhandel überredet haben - mit dem Hinweis, dass er mit Dealen etwas für seine Landsleute tun könne. Gehirnwäsche nennt er das heute. Deswegen kann Caglar kurdische PKK-Raps genauso wenig leiden wie die Songs der türkischen Bozkurt - der rechtsextremen Grauen Wölfe.

    "Du kleiner Hurensohn, hier kommt der wahre Bozkurt-Rapper, du Mistkerl ..."

    Nach Meinung von Islamwissenschaftler Jochen Müller ist es typisch für Jugendliche mit Migrationshintergrund, dass sie die Anerkennung für ihre Rap-Songs nicht in der deutschen Gesellschaft suchen. "Von der fühlen sich die jungen Männer ohnehin nicht akzeptiert", erklärt der Berliner Wissenschaftler. Er berät Lehrer, Erzieher und Jugendliche zum Themenkomplex "Jugendkulturen und Islam". Jochen Müller zufolge geht es den aggressiven Rappern vor allem darum, sich innerhalb ihrer Szenen und Communities stark und mächtig zu fühlen.

    "Viele Jugendliche erleben sich in dieser Gesellschaft als perspektivlos, als ohnmächtig, als marginalisiert, als zum Beispiel Muslime, als Araber oder Türken, und auch diskriminiert. Vor diesem Hintergrund besteht meines Erachtens nach das Bedürfnis, Teil einer starken Gemeinschaft zu sein, zu der dann auch die Konstruktion von Feindbildern gehört."'"

    Die aggressive Hip-Hop-Szene sei deswegen auch ein Feld für politische Hetze, sagt Jochen Müller. Wobei den Feindbildern die Funktion eines Ventils zukomme.

    ""Da werden auch Wut und Frustration über die eigene Ohnmacht, die Perspektivlosigkeit oder das Gefühl, nicht anerkannt zu werden, rausgelassen und dann eben diese Gefühle auf eine andere Gruppe projiziert. Und das können Kurden sein, das können Israelis sein; Frauen, Homosexuelle, Juden oder eben auch Deutsche."

    Und so instrumentalisieren die Rapper die Kriege in Afghanistan und im Irak für demokratiefeindliche Songs oder den Nahostkonflikt für antisemitische Hetzpropaganda.

    "Alle Nazis, sagt nicht Nein, tötet jedes Judenschwein", singt der Rapper Thaizzier. "Die Jahudis sind gemein, es lohnt sich nicht, um sie zu wein 'n."

    Politische Parteien und islamistische Gruppen haben erkannt, dass Rap-Musik eine Art Türöffner sein kann, um Zugang zu den Jugendlichen zu bekommen. Sie wissen das zu nutzen und versuchen vielfach Rapmusiker für ihre ideologischen Ziele einzusetzen.