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Jedes siebte Kind ist arm

Die Kinderarmut ist hierzulande höher als in vielen anderen EU-Staaten, so eine Studie des UN-Kinderhilfswerks UNICEF vom Mai dieses Jahres. Danach landete Deutschland auf dem beschämenden 15. Platz. Ein Thema, zu dem sich heute die Arbeiterwohlfahrt äußerte.

Von Philip Banse | 25.09.2012
    Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt, wollte wissen, wie eine Gesellschaft arme Kinder unterstützen kann, damit sie ihre schlechte Startposition wettmachen können. Dazu hatte der Sozialverband eine Langzeitstudie in Auftrag gegeben: Knapp 450 Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern wurden innerhalb von zehn Jahren drei Mal befragt: das erste Mal mit sechs Jahren, das letzte Mal mit 16 Jahren. Die Studie ist nicht repräsentativ, so galten etwa über ein Viertel der befragten Kinder als arm, was weit über dem Bundesdurchschnitt lag. Ziel war jedoch, die Entwicklung von armen und nicht armen Kindern zu vergleichen, sagt Studienleiterin Gerda Holz vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Ein Ergebnis:

    "Je länger Kinder in Armut aufwachsen, desto geringer werden ihre Chancen, ein positives Leben zu erleben, also im Wohlergehen aufzuwachsen. Und desto größer werden die Risiken, in die hoch belastete Gruppe mit massivsten Einschränkungen zu geraten."
    Einkommen und Bildung der Eltern, so die Studie, sind die entscheidenden Faktoren für das soziale, materielle und geistige Wohlergehen der Kinder. Kita und Schule können das kaum ausgleichen. Von den Kindern, die mit sechs Jahren arm waren, hatte zehn Jahre später die Hälfte immer noch mit den materiellen und schulischen Problemen armer Kinder zu kämpfen. Das sei ein erschreckender Wert, sagt Wolfgang Stadler, Vorsitzender Bundesbands der Arbeiterwohlfahrt. Doch das bedeutet auch: Die Hälfte der anfangs armen Kinder konnte über zehn Jahre der Armut entkommen.

    "Wir haben festgestellt, dass da an der Stelle alle Unterstützungssysteme funktioniert haben oder teilweise funktioniert haben. Da waren die Eltern stark genug, um Hilfe zu geben – obwohl sie arm waren. Da waren die Schulen, die Kitas gut, haben entsprechend zugearbeitet. Es gab diese Präventionsketten, dass ständig sich jemand um die Kinder kümmerte. Das sind die Punkte, wo man ansetzen muss, wo man Kinder, die in armen Familien leben, aus diesem Kreislauf herausholen kann."

    Mit "Präventionsketten" meint Stadler, dass der Übergang von Kita zur Schule klappen muss, dass Erzieher arme Kinder an Lehrer übergeben, sie auf Stärken und Schwächen hinweisen, damit die Schule auf der Vorarbeit der Kita aufbauen kann. Damit aus einem armen Kind kein armer Erwachsener wird, müssten Institutionen wie Kitas und Schule gestärkt werden, sagt der Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, die selbst Kindertagesstätten betreibt. Das Betreuungsgeld, das nach den Plänen der Bundesregierung Eltern beziehen sollen, die ihre Kinder nicht zur Kita schicken, sei der falsche Weg, so Stadler.

    "Es geht ja nicht nur darum, dass die Kinder dann nicht in der Institution sind, sondern es geht ja auch darum, dass das Geld, was wir brauchen, um die Institutionen auszubauen, fehlt."