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Jedes zweite dunkle Bier ist nur gefärbt

Wenn die Bierbranche in Deutschland auf etwas stolz ist, dann ist es das Reinheitsgebot aus dem 16. Jahrhundert, dem sich die Brauereien noch heute verpflichtet fühlen und wofür sie ordentlich die Werbetrommel rühren. Doch wie sich jetzt auf dem Lebensmittel - Chemikertag in Bonn zeigt, ist dieses Reinheitsgebot keine Gewähr, dass dem Verbraucher immer reiner Wein beim Bier eingeschenkt wird. Untersuchungen haben ergeben: Dunkles oder Schwarzbier ist in vielen Fällen einfach nur umgefärbtes Helles.

Von Volker Mrasek | 15.09.2004
    Der Markt für dunkle und Schwarzbiere ist ja in den letzten Jahren stark gewachsen. Das ist wieder "in". Eine Zeit lang, da waren eher die hellen Biere gefragt. Aber jetzt bestellt sich ja jeder so ein dunkles Bier oder Schwarzbier.

    Dagegen hätte der Karlsruher Lebensmittel-Chemiker Dirk Lachenmeier im Prinzip gar nichts einzuwenden. Wenn Verbraucher stets Biere serviert bekämen, die aus dunklem Weizen- oder Gerstenmalz gebraut wurden, was man ja auch erwarten darf. Doch oft ist das gar nicht so und das vermeintlich dunkle Bier in Wahrheit ein helles - nur umgefärbt. Das zeigte sich bei Überprüfungen im Chemischen und Veterinär-Untersuchungsamt Karlsruhe. Dort leitet Lachenmeier das Labor für die Analyse alkoholischer Getränke:

    Wir haben 80 dunkle Biere untersucht. Und von denen wurden lediglich 18 ausschließlich unter Verwendung von dunklem Malz hergestellt. Und bei 22 Bieren konnten Anteile dunklen Malzes nachgewiesen werden. Und die restlichen 40 dunklen Biere wurden komplett durch Umfärbung aus hellem Bier hergestellt, also genau die Hälfte.

    Die Karlsruher wittern nicht etwa ein Gesundheitsrisiko für Verbraucher oder eine Panscherei der Anbieter. Im Gegenteil: Die benutzten Färbemittel sind sogar erlaubt. Es handelt sich um so genannte Röstmalz-Konzentrate, also um Hilfsstoffe, die ebenfalls aus Malz gewonnen werden. Ein anderer Begriff dafür ist auch Farbe-Bier. Lachenmeier zufolge dürfen diese Konzentrate durchaus dem Bier zugesetzt werden, um ein Helles in ein Dunkles zu verwandeln. Nur:

    Dieser Zusatz von dem Farbe-Bier muss kenntlich gemacht werden auf dem Etikett. Wenn das als Zutat verwendet wird, muss das im Zutatenverzeichnis aufgeführt sein. Das ist eigentlich eine grundlegende Kennzeichnungsvorschrift im deutschen Lebensmittelrecht.

    Doch diese Vorschrift ignorieren viele Brauereien offenbar. Nur bei jedem fünften der untersuchten Dunkelbiere war der Farbzusatz kenntlich gemacht; in 80 Prozent aller Fälle fehlte der eigentlich nötige Hinweis auf dem Flaschenetikett:

    Im Prinzip gehe ich davon aus: Wenn in der Zutatenliste das Farbe-Bier nicht aufgeführt wird, dass der Verbraucher über die Beschaffenheit des Lebensmittels irregeführt wird. Und im Prinzip sollte der Verbraucher natürlich schon sehen, was er da bekommt. Wenn man den normalen Verbraucher fragen würde, würde er, denke ich, erwarten, dass in einem dunklen Bier auch dunkles Malz verwendet wurde.

    Lachenmeiers Arbeitsgruppe testete dunkle Pils-, Weizen- und Exportbiere, die vor allem in Süddeutschland vermarktet werden. Die Proben stammten aus dem Handel wie auch direkt aus Brauereien. Wenn helle Biere zu dunklen umgefärbt werden, hat das aus Lachenmeiers Sicht vor allem finanzielle Gründe:

    Der Grund ist eben eine erhebliche Kostenersparnis. Die Lagerhaltung für das dunkle Malz entfällt. Man muss nur noch diese kleinen Kanister mit diesem Farbebier-Konzentrat vorrätig halten. Man muss nur eine einzige Biersorte herstellen. Und je nachdem, wie dann gerade die Nachfrage ist, mache ich da eben das helle Bier, lasse es hell. Oder ich nehme dann eben geringe Anteile von dem Farbe-Bier und hab’ dann das dunkle Bier.

    Dem Verbraucher fällt es schwer zu erkennen, ob er nun ein Dunkelbier trinkt oder ein Helles mit Farbe. Mehr Erfahrung hat da Stephan Walch. Der Lebensmittelchemiker und Pharmazeut war an den Laboranalysen beteiligt:

    Also, dunkle Biere generell haben einen ein bisschen süßlicheren Geschmack. Und sind nicht ganz so bitter. Die gefärbten Biere zeichnen sich öfter durch eine noch hervorstechendere Süße aus als die herkömmlich gebrauten schwarzen Biere.

    Man könnte nun einwenden: Ob ein Dunkelbier gefärbt ist oder nicht - was soll’s? Hauptsache, es schmeckt den Leuten! Und schädlich ist es ja auch nicht! Doch es bleibt ein fader Nachgeschmack. Vom mündigen Verbraucher will manche Brauerei scheinbar nichts wissen.

    Für die Lebensmittel-Überwachung hat die Sache mit den Röstmalz-Konzentraten noch einen anderen Aspekt. Sie vermutet, dass die braunen Pasten auch von Bäckern benutzt werden. Um Brote dunkler - und damit vollwertiger - erscheinen zu lassen. An eingefärbten Backwaren beißen sich die Analytiker allerdings die Zähne aus: Eine brauchbare Nachweismethode fehlt hier bisher.