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Vorzeitiger Ruhestand
Jeder Monat früher reduziert die Rente

Vorzeitig aus dem Arbeitsleben auszusteigen, ist nur in bestimmten Fällen möglich – und ist mit einer nicht unbeträchtlichen Schmälerung der Rente durch Abschläge verbunden. Ob durch die Einführung der Grundrente solche Abschläge möglicherweise ausgeglichen werden können, lässt sich derzeit nicht absehen.

Von Klaus Deuse | 19.07.2021
Ein Schreiben der Deutschen Rentenversicherung.
Ein vorgezogener Ruhestand ist mit zum Teil deutlichen Kürzungen der monatlichen Rente verbunden (picture alliance / dpa / Franz-Peter Tschauner)
Früher in die Rente zu gehen – also vor der gesetzlichen Regelaltersgrenze – muss man oder frau sich leisten können. Denn insbesondere kurz vor dem Ruhestand lassen sich noch wichtige gesetzliche Rentenpunkte sammeln. Ohne Kürzungen kommen nur diejenigen davon, die eng eingegrenzte Voraussetzungen erfüllen. Wenn sie zum Beispiel als "langjährige Versicherte" anerkannt sind, erklärt Jörg Wilczok von der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See.
"Voraussetzungen sind hierfür eine Mindestversicherungszeit von 35 Jahren und ein Mindestalter von 63 Jahren. Auf die 35 Jahre werden alle relevanten Rentenzeiten angerechnet."
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Ebenfalls früher können auch schwerbehinderte Versicherte eine Altersrente beantragen.
"Voraussetzung für diese Rente ist auch eine Mindestversicherungszeit von 35 Jahren. Ferner muss zum Zeitpunkt des Rentenbeginns ein Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent vorliegen. Das Mindestalter für den Bezug dieser Rente wird auch abhängig vom Geburtsjahr auf 62 Jahre angehoben."
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Jeder Monat früher reduziert die Rente

In beiden Fällen wird die Altersrente dann allerdings um Abschläge gekürzt. In welchem Umfang, macht ein Vergleich mit einem 1959 geborenen Durchschnittsrentner deutlich, der ansonsten mit 66 Jahren und zwei Monaten in den Ruhestand gehen könnte. Dann könnte er nach jetzigem Stand mit einer monatlichen Rente von rund 1.535 Euro rechnen. Nimmt dieser Versicherte aber schon mit 63 Jahren die Altersrente in Anspruch, schrumpft die Rente aus zwei Gründen spürbar, rechnet Rentenexperte Wilczok vor:
"Erstens hat er dann insgesamt drei Jahre und zwei Monate weniger in die Rentenversicherung eingezahlt. Dadurch verringert sich seine Rentenhöhe auf ca. 1.430 Euro."
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Hinzu kommt ein weiterer Faktor.
"Zweitens wird der verbleibende Rentenbetrag jetzt noch für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme um 0,3 Prozent zusätzlich gekürzt. Da er seine Rente 38 Monate vor Erreichen der Regelaltersgrenze in Anspruch nimmt, mindert sich der Rentenbetrag noch mal um einen Abschlag von 38 mal 0,3, also um 11,4 Prozent."
Statt der 1.535 Euro, die er mit 66 Jahren und zwei Monaten erhalten hätte, bleiben diesem Durchschnittsrentner dann noch rund 1.265 Euro Monatsrente brutto übrig. Also mit gut 270 Euro weniger kein Pappenstiel. Insofern gibt Jörg Wilczok zu bedenken:
"Wenn ihm diese Kürzung zu groß wäre, könnte er den Rentenbeginn auch auf jeden beliebigen späteren Termin verschieben mit der Folge, dass längere Beiträge eingezahlt werden und sich der Abschlag wieder verringern würde."

Rentenkonto durch Zuzahlungen aufstocken

Wer über die gesetzliche Regelaltersgrenze hinaus weiter arbeitet, erhält für jeden Monat 0,5 Prozent [*] auf das bis dahin vorhandene Rentenvolumen obendrauf. Das macht pro Jahr knapp 200 Euro Rente mehr aus. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, mit Blick auf den Ruhestand das Rentenkonto frühzeitig durch eigene zusätzliche Einzahlungen aufzustocken.
"Der Gesetzgeber erlaubt ab dem 50. Geburtstag die Zahlung von Beiträgen zum Ausgleich einer Rentenminderung wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente. Voraussetzung dafür ist nur, dass die Mindestversicherungszeit von 35 Jahren bis zum möglichen Rentenbeginn der gekürzten Altersrente noch erfüllt werden kann."
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Grundrentenzuschlag unberührt

Eine Überlegung, die sich im Alter auszahlen kann. Vorausgesetzt, man verfügt über genügend finanziellen Spielraum. Auskünfte über eine maximale Ausgleichszahlung erteilt die Deutsche Rentenversicherung auf Anfrage. Allerdings steht jetzt schon fest, dass eine solche Ausgleichszahlung keinen Einfluss auf die Berechnung eines Grundrentenzuschlags haben wird. Und auch an den Kürzungen bei einem vorzeitigen Ruhestand ändert sich durch die Grundrente erst einmal nichts.
"Durch den Grundrentenzuschlag werden die Abschläge nicht ausgeglichen oder aufgehoben."
Eine Prüfung, ab wann ein Rentenbeginn für Versicherte im Hinblick auf die Berechnung eines Grundrentenzuschlags günstiger sein kann im Vergleich zur bisherigen Regelung, führt die Deutsche Rentenversicherung aber nicht durch. Insofern bleibt es dabei: Ein vorgezogener Ruhestand ist mit zum Teil deutlichen Kürzungen der monatlichen Rente verbunden. Aufschluss verschafft eine eingehende Beratung.
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[*] An dieser Stelle haben wir die Angabe zum Rentenvolumen korrigiert.