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Dopingkontrollen bei der Fußball-EM
Wie die EM-Spieler getestet werden

Bisher gab es noch keinen positiven Dopingfall bei der Fußball-Europameisterschaft. Die UEFA hat gemeinsam mit den Nationalen Anti-Doping-Agenturen ein Testprogramm aufgestellt. Es gibt aber Zweifel, ob das System wirklich so gut funktioniert, wie es sollte.

Von Piet Kreuzer | 20.06.2021
30.03.2019, xkvx, Fussball 1.Bundesliga, SV Werder Bremen - 1. FSV Mainz 05 emspor, v.l. NADA (Nationale Anti-Doping Kontrolleure) warten nach dem Spiel am Spielfeldrand im Weser-Stadion Bremen / Doping / Dopingkontrolle / Kontrolle / Kontrollsystem (DFL/DFB REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS as IMAGE SEQUENCES and/or QUASI-VIDEO) Bremen *** 30 03 2019 xkvx Football 1 Bundesliga SV Werder Bremen 1 FSV Mainz 05 emspor v l NADA National Anti-Doping Controllers wait after the match at the edge of the pitch at the Weser Stadium Bremen Doping Control Control Control System DFL DFB REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS as IMAGE SEQUENCES and or QUASI VIDEO Bremen
Nationalmannschaftsspieler werden seit Beginn des Jahres auf Doping kontrolliert (Imago)
"Doping im Fußball bewirkt angeblich nicht viel. Ob Mehmet Scholl, Robin Dutt: Von Fußballern, Trainern und Experten gab es immer mal wieder Statements wie 'Fußball ist viel zu komplex für Doping' oder 'Wer seiner Kondition nachhilft, der verliert an Schnelligkeit'. Kurz: Doping im Fußball sei schlicht und einfach nicht so relevant und sinnvoll wie in einem anderen Sport."
Sagt die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim auf ihrem Youtubekanal. Die promovierte Chemikerin fasst hier die Phrasen der Fußballwelt zusammen.
Die großen Skandale liegen schon länger zurück. 1994 erschüttert der Dopingfall Diego Maradona die WM in den USA, in den Neunzigern dopt zudem Juventus Turin die Mannschaft systematisch mit EPO. Einige Jahre später behauptet der spanische Doping-Guru Eufemiano Fuentes, Spieler von Real Madrid und dem FC Barcelona gedopt zu haben. Aber aktuell: Keine Skandale mehr, nur noch Einzelfälle.

Zweifel an Vorgabe, dass alle EM-Spieler getestet werden

Die UEFA kooperiert mit den Nationalen Anti-Doping-Agenturen NADOs und dem Fußball-Weltverband FIFA. Die Angaben zu den Aufenthaltsorten der Spieler tauschen der Verband und die NADOs über die neu entwickelte UEFA-Melde-App aus. Seit Anfang 2021 werden die Spieler aller 24 Endrundenteilnehmer im Vorfeld des Turniers getestet. Unter anderem bei Treffen der Nationalmannschaften, bei Klubwettbewerben, aber auch außerhalb der Wettbewerbe. An der Qualität dieser Kontrollen hat Hajo Seppelt aus der ARD-Dopingredaktion seine Zweifel:
"Ich kann mir sehr schlecht vorstellen, dass in den letzten Monaten dann wirklich ein effektives Kontrollsystem im Fußball quer durch Europa funktioniert hat. Nicht nur wegen der Corona-Pandemie, sondern auch wegen der Qualitätskriterien. Die Bewertungsstandards, was gute Dopingtest sind, die sind ja nun wirklich von Land zu Land höchst unterschiedlich."
Seppelt verweist auch auf die unterschiedlichen Interessenlagen in den einzelnen Ländern:
"Denken wir an manche Länder wie Russland oder auch andere aus Osteuropa, bei denen es ja manchmal nicht nur um Dopingbekämpfung, sondern auch um Doping-Vertuschung in der Vergangenheit gegangen ist."
Der Internationale Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne
Doping-Strafe gegen Russland - Sperre für den russischen Sport wird halbiert
Im Dezember 2019 suspendierte die Welt-Anti-Doping-Agentur Russlands Sport erneut. Russland legte Berufung vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS ein. Jetzt hat das Gericht aus der Vierjahressperre eine Zweijahressperre gemacht. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Auch die deutsche Nationale-Anti-Doping-Agentur hat für die UEFA Tests durchgeführt. In Deutschland konnte weitgehend auf hohem Niveau getestet werden, erläutert die NADA-Vorsitzende Andrea Gotzmann mit Hinweis auf die Geisterspiele in der Bundesliga:
"Und da haben wir den Vorteil gehabt, dass hier die Spiele auch alle stattgefunden haben und dass die NADA da auch immer die Möglichkeit hat, in den Spielen zu testen. Nach den Spielen, aber auch in den Trainingsphasen. Und von daher war es für uns eigentlich gut möglich, dieses Programm, was wir uns dann immer vorgenommen haben, so durchzuführen."

Tests bei allen EM-Spielen

Bei der EM werden nach allen 51 Spielen jeweils mindestens zwei Spielern pro Mannschaft Blut- und Urinproben entnommen. Das deutsche Team wurde Anfang Juni, wie die anderen Nationen, im Trainingslager getestet. Zehn Spieler mussten Urinproben geben, acht davon zusätzlich Blut. Im Urin können viele Substanzen nachgewiesen werden, zum Beispiel anabole Steroide:
"Aber das wird ergänzt durch Blutproben, wir brauchen auf der einen Seite auch Serumproben, um Wachstumshormonen nachweisen zu können. Auf der anderen Seite die Vollblutprobe, die die Parameter des biologischen Athletenpasses ermittelt. Also das muss ein ausgewogenes Zusammenspiel sein und nicht die eine oder andere Probenart ist besser. Es kommt eben auf die Kombination an."

Jeder Spieler bekommt einen Dopingpass

Die Proben werden dann zu den vier WADA-akkreditierten Laboren in London, Madrid, Rom und dem österreichischen Seibersdorf gebracht und innerhalb von 24 Stunden nach Ankunft analysiert. Ein zusätzliches Element der Teststrategie der UEFA ist der biologische Athletenpass.
"Wie haben auf der einen Seite das hämatologische Modul, was natürlich auch in den Ausdauersportarten intensiv genutzt wird. Aber es macht auch in allen anderen Sportarten Sinn. Und auf der anderen Seite ist das steroidale Modul, was Hinweise gibt, auf mögliche Veränderungen im Steroid-Stoffwechsel. Und das auch können wertvolle Hinweise sein, wenn es Auffälligkeiten gibt, dass man hier in die Langzeitbeobachtung geht."
Players - Der Sportpodcast Wie kam es zu so einem paneuropäischen Turnier? Wer profitiert von der EM in Pandemie-Zeiten? Spielt Klimaschutz überhaupt eine Rolle? Funktioniert das Corona-Schutzkonzept? "Players – der Podcast zur EM" beantwortet diese und viele weitere spannende Fragen zur Europameisterschaft.
Für den Athletenpass der UEFA wertet das Lausanner Labor die Daten aus. Im Vorfeld wurden die Pässe aller Spieler geprüft. Und die UEFA wurde hinsichtlich gezielter Kontrollen beraten.

Die Proben werden bis zu zehn Jahre aufbewahrt

Alle Proben der Euro 2020 wie auch der Champions und Europa League werden bis zu zehn Jahre aufbewahrt, um sie mit verbesserten Methoden später noch einmal zu testen. Aus dem Pool der aktuellen EM-Teilnehmer wurden 36 Proben noch einmal getestet, alle negativ.
Trotzdem: Negative Tests sind kein Beleg dafür, dass die EM sauber ist. Denn die großen Dopingskandale der vergangenen Jahre sind praktisch nie durch positive Tests ans Licht gekommen, sondern vor allem durch Whistleblower. Und Dopingforscher kritisieren schon seit Jahren, dass die Testmethoden zu leicht ausrechenbar sind. Dabei wäre ein funktionierendes Testprogramm für die Glaubwürdigkeit des Fußballs wichtig, erläutert noch einmal Wissenschaftlerin Nguyen-Kim:
"Niemand kann sich zu einem Messi, Ronaldo oder Manuel Neuer dopen. Denn so funktioniert Doping zum Glück nicht. Aber Doping funktioniert auch im Fußball."