Linken-Politiker Jan van Aken

"Dieser Job verändert einen - und das nicht zum Guten"

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Jan van Aken (Die Linke) tritt nicht erneut für den Bundestag an. © picture alliance/dpa/Jörg Carstensen
Von Klaus Remme · 11.09.2017
Jan van Aken geht. Nach acht Jahren verlässt der Linken-Politiker und Aktivist ohne Wehmut den Bundestag. Langweilen werde er sich jedenfalls nicht, sagt der Hamburger, der nie ein Politiker mit Anzug und Krawatte geworden ist. Es sei Zeit für etwas Neues.
Er kommt mit dem Fahrrad zum Treffpunkt direkt an der Spree, in lässigem Freizeitlook. Jan van Aken gehört zu der Sorte Politiker, die auch nach Jahren im Deutschen Bundestag in Anzug und Krawatte sehr verkleidet aussehen würden.
Die Touristen schippern vor ihm durchs Regierungsviertel, unbewusst oder nicht, van Aken setzt sich gleich mit dem Rücken zum Reichstag, so als wenn da schon jetzt Distanz gewachsen wäre:
"Na ja, ein bisschen Distanz schon. Ich weiß ja jetzt seit vier Jahren, dass ich aufhören würde und habe mich in den letzten Monaten schon mit dem Ausstieg beschäftigt. Insofern, Distanz schon, aber ich merk‘ doch immer wieder, bei meinen Themen, wenn da irgendwas passiert, dass ich da gleich wieder hundertprozentig dabei bin. Man muss erst mal wieder so langsam runterkommen."

Er hätte weitermachen können

Van Aken hätte weitermachen können. Keine Parteiführung, keine Basis hat ihn rausgekegelt. Er ist mit 56 Jahren sicher nicht zu alt, er ist auch nicht krank. Doch er sagt: Als Parlamentarier im Bundestag ist da die Gefahr einer Trägheit, die sich über Jahre einstellt, die Neigung, sich allzu bequem einzurichten in dieser Polit-Blase Berlin, mit all den Privilegien eines unabhängigen Abgeordneten. Deshalb hat er vor vier Jahren entschieden und öffentlich gemacht: Zwei Wahlperioden, dann ist Schluss.
Ein Mann in mittleren Jahren hält eine Rede im Deutschen Bundestag.
Jan van Aken nahm im Bundestag selten ein Blatt vor den Mund.© Deutschlandradio
Privat merke ich schon, dieser Job verändert einen und das nicht zum Guten. Jeder Job verändert einen, das ist völlig klar, aber hier glaube ich, ist es doch für die eigene Hygiene ganz gut, nach acht Jahren aufzuhören."
Jetzt ist das Büro weitgehend eingepackt, ein paar Kisten stehen noch, denn das Fernsehen kommt noch vorbei, für ein paar Bilder vom Auszug. Gut möglich, dass ihm diese acht Jahre im Rückblick bald wie ein merkwürdiges Intermezzo erscheinen. Von Natur aus ist van Aken Aktivist, seine Zeit in der Anti-AKW Bewegung, sein Widerstand gegen Gentechnik, die beruflichen Jahre bei Greenpeace und als UN Bio-Waffen-Inspekteur, sein Engagement für Abrüstung und gegen Waffenexporte, all das hat ihn geprägt.
Ja, sagt van Aken mit Blick auf die aktuelle Weltlage, man kann den Eindruck haben, momentan wird alles schlechter. Den Verdacht einer Resignation weist er aber weit von sich:
"Nee, ich bin überhaupt nicht resigniert. Ich bin, im Gegenteil, völlig überrascht davon, wieviel Sinn dieser Job wirklich macht, wieviel man da verändern kann. Dass das Thema Waffenexporte so prominent ist, hat auch mit meiner Arbeit zu tun. Da gab’s auch die Aktion ‚Aufschrei‘, viele Nichtregierungsorganisationen, aber meine und unsere Arbeit im Bundestag hat entscheidend dazu beigetragen, das finde ich wirklich gut, da bin ich stolz drauf."

Politische Freundschaften hat er kaum geschlossen

In den letzten Jahren als Abgeordneter ist er eigentlich Aktivist geblieben. Politische Freundschaften sind im Bundestag kaum entstanden. Schon gar nicht über die Parteigrenzen hinweg. Das, was er Kuschelei nennt, sei im völlig fremd:
"Selbst bei großen politischen Differenzen ‑ die duzen sich teilweise, die gehen zusammen Bier trinken. Ich könne das alles gar nicht. Zum Beispiel sagen die allermeisten bei ihrer Rede dann: Liebe Kolleginnen und Kollegen, und meinen alle Abgeordneten. Das hab ich nie gesagt, das sind nicht meine Kollegen, das sind zum Teil meine Gegner, zum Teil sehen die auf meiner Seite, aber ich hab da immer meine Distanz gewahrt, ich bin ja aus zutiefst politischen Gründen hier ‑ und die machen einfach Mist bei der CDU."
Auch mit Frank Walter Steinmeier von der SPD hat er sich angelegt vor zwei Jahren im Parlament. Dieser trage als Außenminister angesichts der Kürzungen für das Flüchtlingsrettungsprogramm Mare Nostrum eine Mitschuld am Sterben im Mittelmeer, schimpfte van Aken.
Dafür fing er sich eine Verwarnung ein. Faktisch richtig, findet er noch heute. Und in bester Erinnerung, seine Empörung über den Abgeordneten Martin Lindner von der FDP im Mai 2012:
"Jedesmal wenn hier eine Frau redet, dann macht der arrogante Zwischenrufe, dieser Macho, das ist sowas von wenig zu ertragen, und krault sich da seine Eier. Das geht überhaupt nicht mehr. Entschuldigen Sie, Frau Präsidentin. Ich entschuldige mich für die Eier."
– "Sie bereuen das nicht?"
– "Keine Sekunde!"
Doch Jan van Aken hat auch jede Menge Respekt. Vor Norbert Lammert, etwa, und seiner Amtsführung als Parlamentspräsident. Vor Gregor Gysi, dem besten Redner im Parlament, wie er findet. Und allen voran vor einem, der wie er, nicht mehr antritt:
"Das ist Ströbele. Er hat so eine tolle Arbeit gemacht, vieles hab ich nur aus der Entfernung miterlebt, anderes ist ganz nah dran an mir gewesen: Ich war einmal zufällig mit ihm in Afghanistan. Er macht so grundsolide Arbeit, er lässt sich nicht kleinkriegen, er hakt immer an den richtigen Punkten nach, so ein Stachel im Fleisch des Establishment. Der wird mit Sicherheit fehlen."

Vielleicht zieht es ihn nun Richtung Sonne

Zeit, nach vorn zu schauen, van Aken ist gespannt, was kommt. Er bleibt im Vorstand der Linkspartei. Er will sich Zeit geben, nicht sofort in den nächsten Job. Mal schauen, was Spaß macht, so sieht er das. Vielleicht zieht es ihn in Richtung Sonne, 56 Jahre Nieselregen in Hamburg, irgendwann ist genug mit Regen, meint er.
Insgesamt macht er nicht den Eindruck, als würde er demnächst viel vermissen. Obwohl, eine Sache ist da. Er kramt seine Geldbörse hervor und zückt die BahnCard 100. Jan van Aken steht da, 1. Klasse, wie für alle Abgeordnete des Deutschen Bundestags. Fällt es schwer, die abzugeben?
"Ehrlich gesagt ja, das war der größte Luxus den ich hatte, man kann überall und jederzeit in die Bahn springen, von A nach B fahren und kann, auch wenn das dann nicht nett ist, wenn es sein muss, zweimal am Tag Berlin-Hamburg und zurück machen. Da muss man jetzt wieder ganz anders planen. Andererseits: Ich hab dann ja auch Zeit!"
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