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Jenseits der Malerei

Mit seinen großformatigen Bildern löst Nathan Hylden Bewunderung und Skepsis zugleich aus. Er überwindet Formzwänge und durchbricht die Grenzen der Malerei. Das Bild wird zur Skulptur. Nun stellt der Kalifornier erstmals an prominentem Ort in Deutschland aus.

Von Carsten Probst | 13.07.2013
    Kehrt die Op-Art zurück? Ist der junge, in Los Angeles geborene Maler Nathan Hylden nur ein unbekümmerter Adept der mit optischen Raumeffekten arbeitenden Briget Riley? Oder ist er eher ein Farbmystiker in der Nachfolge eines Mark Rothko? Die Vergleiche amerikanischer Kunstkritiker für das noch schmale Werk des Kaliforniers drücken Bewunderung und Skepsis zugleich aus. Mit seinen großformatigen Bildern, die er zuweilen mitten im Raum abstellt, zuweilen als fortlaufende Serien an die Wand hängt, bewegt sich Hylden in jedem Fall auf kontaminiertem Terrain.

    Der suggestiven optischen Ausstrahlung seiner überaus zarten, zugleich auch technisch-kühlen Farbschichtungen kann man sich schwer entziehen. Sie spielen mit räumlichen Assoziationen, gar mit landschaftlichen Panoramen, obwohl da gar keine Landschaften sind. Doch breite, dunkle oder lichte Farbstreifen, vor denen sich auf nachtblauem Grund silbrige, mit breitem Pinsel aufgetragene Farbgardinen bauschen, wecken nun einmal unweigerlich romantische Analogien. Geht so etwas noch im 21. Jahrhundert? Die Vorgehensweise des 35-Jährigen wirkt elaboriert genug, dass ihm diese Wirkung seiner Bilder auch völlig klar sein muss. Will er sich uns einschmeicheln? Will er uns hinters Licht führen?

    Abgesehen von einer Ausstellung in seiner Berliner Galerie letztes Jahr ist dies das Debüt von Nathan Hylden an prominentem Ort in Deutschland. Der Kunstverein in Hamburg verfügt über eine großzügige Halle, die nach den Vorgaben des Künstlers fürwahr in einen auratischen Ort verwandelt wurde. In die Halle wurde ein aus weißen Stellwänden und auf rechteckigem Grundriss eine eigene, ausgedehnte Binnenarchitektur eingebaut. Zunächst sieht man nur deren Außenwand. Hylden hat hier Teile seiner Serie "Meanwhile" angebracht: zehn gleich große, dünne Aluminiumtafeln, auf denen im Siebdruckverfahren jeweils der Ausschnitt einer Fotografie seines Ateliers aufgebracht wurden.

    Zu sehen sind zunächst nur die Schatten von Gegenständen und Möbeln, die als eine Art Stillleben arrangiert wurden. Weil das Motiv jedes Mal ein wenig versetzt wurde, entsteht der Eindruck eines zeitlichen, fast filmischen Ablaufs. Zusätzlich hat Hylden grobe Farbflächen aufgetragen, die Aluminiumtafeln während des Arbeitsprozesses gestapelt, wodurch jede Platte auf der nächst unteren Umrisse hinterlassen hat, sodass die Bilder untereinander durch diese Spuren miteinander verbunden bleiben in einem fortlaufenden Prozess der Produktion. Was als Entgrenzung der Malerei als Medium von Raum und Zeit erscheint, testet zugleich ihre Grenzen in der Nachbarschaft zu anderen Medien wie dem Film, der Fotografie, der Installation und der Architektur. Freilich geht Hylden dabei betont handwerklich vor, im Gegensatz zu seinem Künstlerkollegen Wade Guyton, der ähnliche Absichten schon seit Längerem unter Zuhilfenahme von Computerausdrucken verfolgt.

    Die eigentliche Überraschung aber bietet Hyldens Raumkonstruktion in ihrem Inneren. Dort wirkt sie wie ein großer, weit ausgedehnter White Cube. Aber an den leuchtend weißen Wänden hängen in gefühlten zwanzig Metern Abstand nur zwei einzelne, großformatige Leinwände einander gegenüber. Der große Raum erinnert an eine Galerie oder ein Atelier und erinnert daran, was vor zwanzig Jahren der britische Maler und Theoretiker Brian O'Doherty: Galerie und Atelier trennen den Künstler vom Werk und sind dazu da, seine Anwesenheit überflüssig zu machen. Genau daran arbeitet auch Nathan Hylden, indem er die Bilder gleichsam technisch für sich selbst arbeiten lässt.

    Ein und dasselbe abstrakte Motiv hat er mit Acryl- und Sprayfarbe auf Leinwände aufgebracht, breite Streifen in zartem Rosa, die er sodann abfotografiert und in der Negativversion auf eine andere Leinwand aufgebracht hat, zu einem Vorgang des technischen Hin- und Herkopierens, in dem sich die Bilder ohne jede malerische Interpretation oder Geste selbst antworten und sich potenziell unendlich fortsetzen. Die Bilder mögen auf den ersten Blick landschaftlich anmuten, aber dieses Konzept ihrer Unendlichkeit ist alles andere als romantisch.