Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Jerusalem als Israels Hauptstadt
Wie israelische Intellektuelle Trumps Äußerungen werten

Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkennen, sorgt auch unter israelischen Intellektuellen für Diskussionen. Einge vermuten dahinter vor allem ein politisches Manöver, um von Korruptionsvorwürfen gegen Ministerpräsident Netanjahu abzulenken.

Von Mirko Schwanitz | 16.12.2017
    Die israelische Autorin Lizzie Doron
    Donald Trump habe mit seiner Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen vor allem seine Freundschaft mit Premier Netanjahu gefestigt, kritisiert die Schriftstellerin Lizzie Doron (imago / CTK Photo)
    Als die israelische Autorin Lizzie Doron, diesen Satz von US-Präsident Donald Trump vernahm, traute sie zunächst ihren Ohren nicht. Damit habe er nicht Israel, sondern sich selbst einen Gefallen getan.
    "Indem Trump Israel angeboten hat, Jerusalem als Hauptstadt anzuerkennen, hat er selbst in zwei Bereichen etwas gewonnen: Er hat seine Wähler, gläubige Anhänger der evangelikalen Kirche in den USA, angesprochen. Und er hat dadurch seine eigene Freundschaft mit Premier Netanjahu gefestigt."
    Lizzie Doron schrieb in ihrem letzten Buch "Sweet Occupation" über die gemeinsamen Hoffnungen von Palästinensern und Israelis auf Frieden. Doch immer wieder seien es Worte wie die von Trump, die Öl ins Feuer gießen - statt zu befrieden. Lizzie Doron glaubt, dass es deshalb weitere Unruhen geben wird.

    "Wir verfolgen Träume, die lieber nicht umgesetzt werden. Jerusalem als unsere Hauptstadt ist vielleicht so ein Traum. Denn es würde sehr viel kosten, diesen Traum zu verwirklichen."
    Ein politisches Manöver
    Die jüngsten Toten und Verletzten im Gazastreifen und in Ost-Jerusalem scheinen Dorons Sorgen zu bestätigen. Doron hält Trumps Ankündigung, die amerikanische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, für ein politisches Manöver. Ein Manöver, das dem wegen Korruptionsvorwürfen in der Kritik stehenden israelischen Premier Netanjahu innenpolitisch Luft verschaffen soll. Dieser Meinung ist auch der Schriftsteller Igal Avidan.
    "Das Thema, das die Israelis am meisten bewegt zurzeit, das sind die großen Demonstrationen gegen Korruption. Vor allem, was Netanjahu und andere prominente Politiker betrifft.
    Jetzt sind viele frustriert, das plötzlich das Thema Jerusalem diese Bemühungen, diesen öffentlichen Druck auf Netanjahu, auf die Polizei und auf die Staatsanwaltschaft wegnimmt, die Ermittlungen endlich zu einem Prozess zu bringen."
    "Es ist eine Frage des Vertrauens"
    Das sieht auch der in Jerusalem lebende Erzähler Yftach Ashkenazi so. Bei der Jerusalem-Frage gehe es also vor allem darum, Vertrauen zu schaffen.
    "Wenn du dir Israelis und Palästinenser anhörst, sagen alle, wir wollen Frieden. Mehr als die Hälfte der Palästinenser und mehr als die Hälfte aller Israelis sind bereit, dafür eine Menge zu tun. Aber alle sagen auch: Ich würde es nur machen, wenn ich der anderen Seite trauen könnte. Es ist also eine Frage des Vertrauens. Und das wird durch solche Äußerungen wie die des US-Präsidenten oder des türkischen Präsidenten nicht gerade gestärkt. Im Gegenteil: Sie machen alles nur noch schlimmer und schlimmer.
    Konflikt um besetzte Gebiete muss gelöst werden
    "Ich bin besorgt, weil die Menschen immer intoleranter werden. Viele meiner Freunde haben Israel deshalb bereits verlassen."
    Egal, wo die amerikanische Botschaft hinzieht - die Jerusalem-Frage könne nicht geklärt werden, bevor nicht eine Lösung für den Konflikt in den besetzten Gebieten gefunden sei. Davon ist die Künstlerin Michaela Yakoobi überzeugt. Die Designerin hat eine Frauenbewegung initiiert, die von ursprünglich zwölf auf über 30.000 Frauen angewachsen ist.
    Die Forderung dieser neuen Friedensbewegung: Endlich auch Frauen in den Verhandlungsprozess mit einzubeziehen, Frauen auf beiden Seiten, die ihre Söhne und Töchter verloren haben oder sie nicht verlieren wollen.
    "Ich kenne mehr als zehn Problemlösungen für den israelisch-palästinensischen Konflikt. Die Möglichkeiten sind endlos. Aber du musst gemeinsam an einem Tisch sitzen."
    Vertrauen entsteht nur durch Gespräche
    In diesem Punkt sind sich fast alle Intellektuellen und Künstler in Israel einig: Nur wenn Israelis und palästinensische Araber miteinander reden, kann Vertrauen geschaffen werden. Der einseitige Vorstoß des amerikanischen Präsidenten ist dafür nicht geeignet.