Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Jetzt ist CDU "erschrocken, wen man sich da geholt hat"

Aygül Özkan wird am Dienstag niedersächsische Sozialministerin für die CDU und hat ihre Partei gehörig aufgescheucht: ein Kruzifix-Verbot an deutschen Schulen? Klaus Wowereit (SPD) prognostiziert Özkan und der CDU einen "Dauerclinch".

26.04.2010
    Jochen Spengler: Am Telefon ist jetzt Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister in Berlin und stellvertretender SPD-Vorsitzender. Herr Wowereit, guten Morgen!

    Klaus Wowereit: Guten Morgen, Herr Spengler.

    Spengler: Ebenfalls heute startet die SPD mit der Gesprächsreihe "Treffpunkt Integration". Wer spricht da mit wem worüber und zu welchem Zweck?

    Wowereit: Wir haben eine Zukunftswerkstatt gegründet, die zwei Jahre lang dieses Thema behandeln soll. Wir wollen uns öffnen, wir wollen in die Partei hinein wirken, aber vor allen Dingen auch nach draußen. Das heißt, all diese Treffen werden sehr stark begleitet durch Mitmachmöglichkeiten im Internet beispielsweise. Wir haben zwei unterschiedliche Runden. Wir wollen das aus wissenschaftlicher Sicht betrachten und der zweite Punkt ist Integration im Alltag. Aber was ganz wichtig ist und mir auch ganz wichtig ist: Integration ist nicht nur ein Thema für Migrantinnen und Migranten, sondern die Rentnerin, die in Altersarmut lebt, die ist auch ausgeschlossen von Teilhabe und genauso die alleinerziehende Mutter in Marzahn, Hellersdorf mit vier Kindern. Auch sie hat Schwierigkeiten, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

    Spengler: Wir haben ja eben mit Frau Böhmer über Frau Özkan, über die erste türkischstämmige Ministerin in Deutschland, einem CDU-Mitglied, gesprochen. Sind Sie eigentlich neidisch, dass die SPD hinterherhinkt?

    Wowereit: Ich finde es ja im Prinzip hier lobenswert, dass Herr Wulff dies gemacht hat. Aber bevor sie überhaupt im Amt ist, wird ja ganz deutlich, was da passiert ist. Da wird jemand genommen, der nicht zur CDU passt und die Programmatik völlig anders ist. Deshalb ist aus meiner Sicht es natürlich gut, dass Frau Özkan deutlich macht die Differenzen, die da sind. Es nutzt ja nichts, hier eine Migrantin zu nehmen als Ministerin, die aber nicht die CDU repräsentiert in wesentlichen Fragen der Migrationspolitik.

    Spengler: Diese Forderung von Frau Özkan, die Kreuze aus staatlichen Schulen verschwinden zu lassen, ist das auch Ihre Forderung?

    Wowereit: Na ja, die hat ja im Prinzip das Bundesverfassungsgerichtsurteil aufgegriffen. Dafür wird sie jetzt kritisiert und damit wird ja die Dimension auch insgesamt des Streits deutlich. Wenn man sagt, Kopftücher und andere Symbole sind verboten, dann wird es eben nach der Verfassungslage, wo nicht differenziert wird zwischen der Religion, natürlich problematisch, und das hat sie im Prinzip nur deutlich gemacht. Die Reaktionen, die jetzt da kommen, die Erschrockenheit bei der eigenen CDU, zeigt ja, was denn da in nächster Zeit zu erwarten ist. Wenn sie annähernd ihre Positionen versucht, als Sozialministerin umzusetzen, dann ist sie im Dauerclinch mit ihrer CDU und damit wird deutlich, dass bei Fragen wie kommunales Wahlrecht beispielsweise für Menschen aus Nicht-EU-Ländern die CDU eine ganz klare ablehnende Haltung hat, bei der doppelten Staatsangehörigkeit hat die CDU eine ganz klare ablehnende Haltung.

    Spengler: Aber ist es denn nicht toll, Herr Wowereit, dass sich die CDU auf so einen internen Clinch einlässt?

    Wowereit: Ist das toll? – Weiß ich nicht. Wenn ich heute die Zeitungen sehe, dann habe ich eher den Eindruck, nach der Freude über den Coup, der da gelandet worden ist, diesen medialen Coup, ist man jetzt erschrocken, wen man sich da geholt hat. Also ich sage mal, das wird noch sehr, sehr problematisch sein, leider! Ich finde es ja gut, dass mehr in Verantwortung hineinkommen, in die Landtage, in den Bundestag.

    Spengler: Wann wird es denn die erste türkischstämmige Senatorin in Ihrem Senat geben, Herr Wowereit?

    Wowereit: Das werden wir mal sehen. Wir sind dabei, die Legislaturperiode zu Ende zu bringen. Neu gewählt wird 2011, Ende 2011, aber wir haben beispielsweise sechs Abgeordnete in unserer Fraktion mit einem sogenannten Migrationshintergrund, da können wir uns auch sehen lassen. Aber es ist in der Tat schön, wenn in einem Landeskabinett auch eine Ministerin sitzt, ein Minister sitzt, der einen Migrationshintergrund hat.

    Spengler: Klaus Wowereit, SPD-Vize und Regierender Bürgermeister in Berlin. Danke für das Gespräch, Herr Wowereit.

    Wowereit: Bitte schön!