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"Jetzt kann ein Patient auch nachlesen, welche Rechte er hat"

Die Bundesregierung will mit einem neuen Gesetz die Rechte der Patienten stärken. Neu ist, dass die Kassen ihre Versicherten unterstützen müssen, wenn ein Behandlungsfehler vermutet wird. Der Patientenbeauftragte der Regierung, Wolfgang Zöller, lobt den Entwurf - wünscht sich aber noch eine Änderung.

Das Gespräch führte Silvia Engels | 23.05.2012
    Silvia Engels: Wer krank ist, setzt auf rasche Hilfe durch einen Arzt. In den allermeisten Fällen gelingt das. Doch manchmal fühlt sich der Patient schlecht informiert, oder gar schlecht behandelt, vermutet in einigen Fällen gar einen Fehler des Mediziners. So etwas nachzuweisen ist außerordentlich schwierig. Die Bundesregierung will nun insgesamt die Rechte der Patienten stärken. In Berlin stellen die Bundesminister Bahr und Leutheusser-Schnarrenberger heute ihren Entwurf für ein Patientenrechtegesetz vor.
    Am Telefon ist nun der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller von der CSU. Guten Morgen, Herr Zöller.

    Wolfgang Zöller: Grüß Gott, Frau Engels!

    Engels: Sie sollen nun also als Patientenbeauftragter die Bevölkerung umfassender über die Rechte informieren. Also was mache ich laut Patientenrechtegesetz in der neuen Form, wenn ich zur Überzeugung komme, dass mich der Arzt falsch beraten oder behandelt hat?

    Zöller: Also da gibt es jetzt neuerdings die Verpflichtung der Krankenkassen, dass sie zum Beispiel bei Verdacht auf Behandlungsfehler ihren Versicherten unterstützen muss – zum Beispiel durch Gutachten. Das ist eine wesentliche Änderung gegenüber bisher. Bisher war das eine Kann-Leistung der Krankenkassen, künftig sind die Kassen dazu verpflichtet.

    Engels: Werden dafür auch extra Gelder zurückgestellt? Das war ja auch eine Hoffnung, dass dann die Kassen auch eher bereit wären, Patienten hier zu unterstützen, denn eine solche Klage ist ja teuer.

    Zöller: Zunächst mal sind die Kassen ja die Vertreter ihrer Patienten, da muss es auch um die Interessen der Patienten gehen, und in zweiter Hinsicht geht es natürlich auch um die Interessen der Kassen. Wenn der Behandlungsfehler sich ja bestätigen würde, können die Kassen ja die Kosten, die Behandlungskosten zurückverlangen.

    Engels: Aber beweisen, dass letztlich ein Arzt den Fehler verursacht hat, das muss nach wie vor weiterhin der Patient. Das bemängeln zumindest die Verbraucherschützer, die wir gerade gehört haben. Also kommt man dann am Ende doch nicht zum Zuge, weil der Beweis so schwer zu führen ist?

    Zöller: Nein. Und zwar bisher war es so, dass der Patient es tatsächlich alleine tun musste. Jetzt hat er ja die starke Unterstützung der gesetzlichen Krankenversicherung und da gibt es schon dann Spezialisten, die ihm wirklich mit Rat und Tat zur Seite stehen können.

    Engels: Wo hätten Sie sich denn mehr gewünscht, um die Patientenrechte noch weiter zu stärken in diesem neuen Gesetz?

    Zöller: Zunächst einmal bin ich ja froh, dass es endlich so weit ist, nachdem man über 15 Jahre darüber gekämpft hat, endlich ein Patientenrechtegesetz zu bekommen. Nämlich immer mehr Patienten haben sich als Bittsteller gefühlt. Und mit diesem Gesetz erreichen wir jetzt erstmals, dass es Richtung Partner weitergeht, dass der Patient als Partner angesehen wird. Ich persönlich hätte zum Beispiel noch einen Wunsch, vielleicht kann man das im parlamentarischen Verfahren noch machen, dass im gemeinsamen Bundesausschuss, in dem ja entschieden wird, was die Solidargemeinschaft bezahlt und was nicht, wenn man da dem Patientenvertreter etwas mehr Stimmrecht noch gäbe.

    Engels: Nun beklagen ja Verbraucherschützer, dass in vielen Fällen vielleicht eine Richtung vorgegeben wird, aber eigentlich in ganz vielen Bereichen das Gesetz nur schon bestehende Regelungen zusammenfasst und neu verpackt. Ist es weiße Salbe, wie ja auch die Kritik lautet?

    Zöller: Also ich kann denen nur empfehlen: Die sollen den Gesetzentwurf mal etwas genauer lesen. Nämlich da sind wesentliche Verbesserungen für die Patienten dabei. Aber es sind natürlich auch die vielen gesetzlichen Regelungen, die es in unterschiedlichsten Gesetzen, Verordnungen und Richtersprüchen gibt, die ein Patient überhaupt nicht kennen kann. Die werden jetzt zusammengefasst und es wird dadurch transparent. Jetzt kann ein Patient auch nachlesen, welche Rechte er hat, und auch die Behandelnden wissen genau, welche Ansprüche der Patient hat. Also allein schon der Wert, dass wir mehr Transparenz in dieses System bringen, ist schon ein Wert an sich. Nämlich wenn über 60 Prozent der Leute überhaupt nicht wissen, welche Rechte sie haben, ja wie wollen sie da ihre Rechte überhaupt in Anspruch nehmen können, wenn sie davon überhaupt keine Kenntnis haben.

    Engels: Aber nachlesen ist ein gutes Stichwort. Der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach kritisiert zum Beispiel ein ganz praktisches Beispiel. Zum Beispiel gäbe es nach wie vor nicht das Recht auf einen Patientenbrief, der in verständlichem Deutsch gehalten sei. Wie soll denn zum Beispiel der Patient seine Rechte und auch die erfolgte Behandlung richtig begreifen, wenn er sie gar nicht recht versteht aufgrund dieses komplizierten Medizinerdeutschs?

    Zöller: Also der Professor Lauterbach sollte eigentlich auch den Gesetzentwurf etwas besser kennen. Da ist gerade, was die Informationspflicht angeht, geregelt, dass es in verständlicher Weise erfolgen muss. Das nämlich auch gehört zu den Aufklärungspflichten, dass der Arzt über Umfang, über die erwarteten Folgen, über die Chancen und Risiken und auch über Behandlungsalternativen ... Das wird jetzt gesetzlich festgelegt, was hier alles zu machen ist. Das ist eine wesentliche Verbesserung gegenüber früher.

    Engels: Herr Zöller, schauen wir noch auf ein anderes Thema, das seit gestern in der Debatte ist. Wir haben von einer Studie im Auftrag der gesetzlichen Krankenkassen gehört. Die Uni Halle-Wittenberg will ermittelt haben, dass in vielen Fällen niedergelassene Ärzte mit Geld- oder Sachgeschenken von Kliniken versorgt werden, wenn sie Patienten speziell in dieses Krankenhaus überweisen, und zwar unabhängig von der fachlichen Eignung des Krankenhauses. Nach dieser Studie zahlt jede vierte Klinik solche sogenannten Fangprämien. Kennen auch Sie solche Fälle?

    Zöller: Also ich weiß nur, man muss aufpassen mit solchen Meldungen. Ich habe so langsam den Verdacht, immer wenn ein Ärztetag ansteht, dann spricht man von 5000 Herzklappenfehlern, und nach zwei Jahren stellt man fest, es waren vier oder fünf und keine 5000. Also ich würde da auch bitten, dass die Leute, die solche Dinge verkünden, etwas genauer recherchieren, und wenn sie so etwas recherchieren, dann Ross und Reiter nennen. Nämlich wenn so etwas passiert, ist es eindeutig gesetzeswidrig. Dann brauche ich da nicht eine große Studie, dann muss ich als Kasse dann handeln. Wenn ich so etwas weiß, ist das nicht in Ordnung.

    Engels: Auch Ärztepräsident Montgomery zieht die Zahlen etwas in Zweifel, genau wie Sie. Er verweist auf Einzelfälle. Dennoch noch mal die Frage: Haben Sie von solchen Fällen auch schon mal gehört?

    Zöller: Also bei mir im Büro sind solche Fälle nicht bekannt.

    Engels: Nun ist es nicht alleine diese Studie, die kritisiert; auch die Deutsche Hospizstiftung teilt die Kritik an den Ärzten. Sie warnt davor, dass aufgrund dieses Zusammenspiels zwischen Ärzten und Kliniken vor allen Dingen schwerstkranke und pflegebedürftige Menschen leiden, die dann zwischen den einzelnen Institutionen hin- und hergeschoben würden. Ist denn da etwas dran?

    Zöller: Also da würde ich auch alle Beteiligten bitten: Eines der höchsten Güter, die für die Patienten wichtig sind, ist das Vertrauensverhältnis Arzt-Patient. Und die überwiegende Anzahl der Ärzte verhält sich korrekt, und deshalb ist es wichtig, dass schwarze Schafe benannt werden und auch die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden. Nämlich wenn das Vertrauensverhältnis Arzt-Patient stimmt, wird der Heilungsprozess wesentlich positiv davon beeinflusst.

    Engels: Herr Zöller, Sie haben eben auch gesagt, es gäbe bereits genügend gesetzliche Regelungen gegen einen solchen möglichen Missbrauch, man müsse sie nur anwenden. SPD-Experte Lauterbach sagt dagegen, es gäbe eine Gesetzeslücke, bis jetzt sei die Strafbarkeit nicht so eindeutig gegeben. Wer hat denn nun Recht?

    Zöller: Also ich gehe davon aus, dass er zumindest die Berufsordnung – er ist doch Arzt – kennt, und in der Berufsordnung der Ärzte ist das schon verboten.

    Engels: Können denn Ärzte, die solche Prämien entgegennehmen, derzeit bestraft werden und wie scharf können sie bestraft werden?

    Zöller: Ja gut, wie scharf sie bestraft werden können, das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich bin kein Jurist. Ich kann Ihnen nur sagen, es ist nicht rechtens. Wenn etwas nicht rechtens ist, dann gibt es eine ganz normale, ich sage mal, Prozessordnung, nach der man verfahren kann. Und bei der Berufsordnung der Ärzte ist es ja auch so, dass es so weit gehen kann, dass man ihm die Zulassung entziehen kann.

    Engels: Und Sie plädieren dafür, in solchen Fällen sollten sie mit Ross und Reiter benannt werden, dass dies auch angewendet wird?

    Zöller: Ich bin klar dafür, wenn sich jemand nicht an Recht und Ordnung hält, müssen die Konsequenzen durchgezogen werden. Allerdings dann muss Ross und Reiter genannt werden und nicht diese Globalverdächtigungen. Das schadet letztendlich unseren Patienten.

    Engels: Wolfgang Zöller (CSU), er ist der Patientenbeauftragte der Bundesregierung. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.

    Zöller: Ich danke auch, Frau Engels.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.