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"Jetzt warten wir mal die Entscheidungen der FDP ab"

Ein tariflicher Mindestlohn ist seit dem zaghaften "Jein" des Koalitionspartners FDP für die Union in den Bereich des Machbaren gerückt. Maßgeblich werde sein, dass ein solches Gesetzgebungsverfahren nicht im Bundesrat blockiert werde, sagt Peter Weiß (CDU).

Das Gespräch führte Doris Simon | 21.02.2013
    Doris Simon: Millionen Menschen erhalten in Deutschland wenig Lohn für ihre ganz reguläre Arbeit. Eine deutliche Mehrheit der Deutschen ist daher für einen gesetzlichen Mindestlohn. Und nach dem jüngsten Kurswechsel der FDP hin zu einem vorsichtigen "Jein" macht nun die Opposition Druck. Bereits zum 1. März wollen mehrere rot-grün- und links regierte Länder einen Vorschlag über einen Mindestlohn von 8,50 Euro bundesweit in den Bundesrat einbringen.

    Bundeskanzlerin Merkel hat sich zuletzt ja sehr deutlich für Mindestlohn ausgesprochen. Bisher bedeutet das in der Sprache der Union immer einen branchen- und regionenabhängigen Mindestlohn, aber keine einheitliche bundesweite Lohnuntergrenze. – Am Telefon ist nun Peter Weiß, Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag für Arbeitnehmerfragen und Mitglied der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft CDA. Guten Tag.

    Peter Weiß: Guten Tag.

    Simon: Herr Weiß, Sie treten ja selber schon lange für einen Mindestlohn ein. Freuen Sie sich über den Vorstoß der Länder?

    Weiß: Es hat ja schon einen Vorstoß einzelner Bundesländer gegeben. Das beflügelt natürlich die Debatte. Die Frage ist, was genau will ich mit dem Mindestlohn, und wir als Union setzen uns für einen tariflichen Mindestlohn ein, einen Mindestlohn, den eine Kommission, paritätisch besetzt von Arbeitgebern und Gewerkschaften, verhandelt und den dann die Bundesregierung per Rechtsverordnung für allgemein verbindlich in ganz Deutschland erklärt. Dieses Modell liegt auch zum Beispiel der Initiative des Landes Thüringen zugrunde, regiert übrigens von einer großen Koalition, und ich hoffe, dass wir auch mit unserem Koalitionspartner in Berlin, der FDP, in dieser Frage noch eine Übereinkunft finden.

    Simon: Was halten Sie denn von dem Vorschlag aus mehreren rot-grün und teilweise links regierten Bundesländern von einem einheitlichen bundesweiten Mindestlohn von 8,50 Euro? Den will ja auch das Saarland unterstützen in der Länderkammer.

    Weiß: Ich halte nichts davon, dass ein Parlament per Gesetz festlegt, was ist die genaue Zahl, der Betrag eines allgemeinen Mindestlohnes in Deutschland, sondern Lohnfindung ist bei uns in Deutschland, ist im System einer sozialen Marktwirtschaft Aufgabe der Tarifpartner, Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die sind auch näher dran am Arbeitsmarkt, die wissen auch, wie das Lohngefüge aussieht, nicht der Bundestag, und deswegen ist unser Vorschlag eben einer, der sachgerechter ist, der die Gewerkschaften stärkt, nämlich dass zunächst mal sie einen Vorschlag aushandeln, so wie wir das ja zum Beispiel in der Zeitarbeit auch haben, dass dort ausgehandelt wurde von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein Mindestlohn für die Zeitarbeit, und dann kommen wir als Politiker auf die Bühne, nämlich indem die Bundesregierung dieses Verhandlungsergebnis per Rechtsverordnung für allgemein verbindlich erklärt und damit wir einen allgemeinen tariflichen Mindestlohn in Deutschland haben.

    Simon: Nur, Herr Weiß, wenn Sie verweisen auf die Tradition unseres Systems und wie bei uns solche Löhne zustande kommen, dann muss man ja auch sagen, dass dieses System eben auch Löhne unter fünf Euro derzeit zustande bringt. Da kann nicht alles gut sein!

    Weiß: Also wenn Sie von Löhnen unter fünf Euro reden, dann sind das alte Tarifverträge, die zum Teil über zehn Jahre gekündigt sind und nur noch nachwirken. Aktuell gibt es einen solchen Tarifvertrag nicht. Richtig ist, dass durch die abgesunkene Tarifbindung in Deutschland wir zum Teil eine Verlotterung der Sitten bei der Entlohnung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern haben. Deswegen brauchen wir auch, ergänzend zu den Tarifverträgen, die es gibt, einen tariflichen Mindestlohn, der festlegt, so tief kann maximal der Lohn sein, tiefer geht es nicht, und ich bin fest überzeugt, wenn wir ein Gesetz schaffen, in dem wir eine solche eigene Tarifkommission speziell für diese Aufgabe einrichten und dann auch regeln, wie der Staat diese Regelung für allgemein verbindlich in Deutschland erklärt, dann bekommen wir einen akzeptablen tariflichen Mindestlohn in Deutschland hin.

    Simon: Diesen Vorschlag, den Sie aber jetzt hier noch mal präsentieren, der war ja bis jetzt in der Koalition nicht mehrheitsfähig. Aber die Länder haben angekündigt, dass sie Druck machen werden, dass am 1. März sie schon diesen Vorschlag, ihren eigenen der Länderkammer, den für einen einheitlichen Mindestlohn, vorlegen werden. Was machen Sie denn dann, wenn der in den Bundestag kommt? Werden Sie dann dagegen stimmen?

    Weiß: Wir sind ja mit unserem Koalitionspartner, der FDP, im Gespräch, und meine Hoffnung ist, dass wir rechtzeitig einen gemeinsamen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Regelung eines tariflichen Mindestlohns in Deutschland aushandeln können und den dann auch ins Parlament einbringen. Diese Frage regelt nicht der Bundesrat, sondern das ist nun klassische Zuständigkeit des Bundestages. Ohne Bundestag läuft nichts.

    Simon: Sie wissen selber, die Zeit läuft aber, und die FDP hat sich jetzt gerade ganz vorsichtig bewegt in dieser Frage. Wie realistisch ist das denn, noch ein eigenes Papier hinzubekommen, wo so viele andere Dinge zwischen Union und FDP schwierig sind und vor der Bundestagswahl nicht mehr präsentiert werden können, bis zum September, bis zu den Wahlen?

    Weiß: Also wir haben noch so viele Sitzungswochen des Deutschen Bundestages bis Anfang Juli, in denen ein geregeltes Gesetzgebungsverfahren stattfinden kann. Deswegen will ich nicht ausschließen, dass uns das auch gelingt. Maßgeblich wird es natürlich sein, dass der Bundesrat ein solches Gesetzgebungsvorhaben, wenn es in Gang gesetzt wird, nicht blockiert, denn natürlich können Bundestag wie Bundesrat im Vermittlungsausschuss Gesetze vor sich hinschmoren lassen. Das ist eigentlich die Gefahr. Ganz normal vom Verfahrensablauf haben wir noch genügend Beratungszeit.

    Simon: Das klingt so, als seien Sie sehr zuversichtlich, dass dieses vorsichtige "Jein" der FDP in den letzten Tagen für Mindestlohn unter bestimmten Bedingungen, dass das zu einem ganz klaren "Ja" in kürzester Zeit wird.

    Weiß: Die schwierigste Sache ist ja, die Zukunft präzise vorauszusagen, und deswegen will ich nicht behaupten, ich wüsste, das kommt genau so hin. Aber es ist doch bemerkenswert, dass bei den Liberalen die Überlegungen zunehmen, eine tarifliche Mindestlohnregelung in Deutschland bekommen wir am ehesten mit der CDU/CSU ins Gesetz, und deswegen dort die Bereitschaft wächst, dieses Thema mit uns zu diskutieren. Wir haben es ja auch schon in der Vergangenheit mit der FDP diskutiert und jetzt warten wir mal die Entscheidungen der FDP ab. Ich will auf jeden Fall möglichst erreichen, dass die gute Idee, die wir ja in einem gemeinsamen Beschluss von CDU und CSU entwickelt haben für einen tariflichen Mindestlohn, in Deutschland umgesetzt werden kann, um für gute Löhne zu sorgen und um die Tarifpartner insgesamt zu stärken.

    Simon: Aber ich verstehe Sie richtig: Weil Sie von Ihrem Unionskonzept so überzeugt sind, wird es im Zweifel aus Ihrer Sicht eher keinen Mindestlohn in welcher Form auch immer geben, als dass Sie im Zweifel, wenn die FDP nicht so mitzieht, wie Sie denken, mit zum Beispiel SPD und Grünen, für deren Konzept eines einheitlichen Mindestlohns stimmen werden?

    Weiß: Sie haben ja schon erwähnt, dass es auch unter den Bundesländern unterschiedliche Auffassungen gibt. Das Land Thüringen, regiert von einer großen Koalition aus CDU und SPD, hat bis auf zwei kleine Modifikationen unser Modell eines tariflichen Mindestlohns als Antrag in den Bundesrat eingebracht. Wenn SPD und Grüne auf ein solches Modell einschwenken, warum soll es keinen Konsens dazu geben.

    Simon: Das war Peter Weiß, der Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag für Arbeitnehmerfragen. Herr Weiß, herzlichen Dank für das Gespräch.

    Weiß: Ich danke Ihnen auch!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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