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Joachim Gauck
Der außenpolitische Präsident

Die Kritik von Bundespräsident Joachim Gauck an Russlands Präsident Wladimir Putin stößt nicht überall auf Zustimmung. Es ist nicht das erste Mal seit seinem Amtsantritt 2012, dass er sich klar außenpolitisch positioniert. Und nicht zum ersten Mal kommt die Kritik daran vor allem von der Linken.

Von Stephan Detjen | 02.09.2014
    Bundespräsident Joachim Gauck spricht am 21.05.2014 in Hamburg im Schauspielhaus bei der Eröffungsfeier zum deutschen Stiftungstag 2014.
    Bundespräsident Joachim Gauck (picture alliance / dpa / Axel Heimken)
    Es war der erste persönliche und politisch deutliche Akzent, den Joachim Gauck im neuen, dem höchsten Staatsamt setzte. Ein außenpolitischer Paukenschlag: Ende April 2012, nur wenige Wochen nach seiner Wahl zum Staatsoberhaupt, sagte Gauck eine Reise ab - auf die Krim, die damals noch zur Ukraine gehörte. Der damalige Staatspräsident Viktor Janukowitsch hatte zu einem Treffen zentraleuropäischer Staaten in Jalta. Gaucks Absage war ein klares Signal des Protests gegen den Umgang mit der früheren Oppositionsführerin Julia Timoschenko. Gauck ließ die Absage über seine Mitarbeiter überbringen, selbst kommentierte er sie mit keinem Wort. Die Botschaft aber war unmissverständlich und sie wirkte: Janukowitsch musste das ganze Gipfeltreffen absagen. Der Fall des Autokraten nahm seinen Lauf. Heute herrscht Krieg in der Ukraine.
    "Ja, es ist eine Tatsache: Stabilität und Frieden auf unserem Kontinent sind wieder in Gefahr," mahnte Gauck gestern beim Weltkriegsgedenken auf der Danziger Westerplatte. Die Bedrohung der mitteleuropäischen Reformstaaten trifft Gauck besonders - und persönlich. Sein Europa ist östlicher als das vieler anderer in Deutschland und den westlichen Nachbarländern:
    "Europa wird noch beflügelt von Sehnsüchten aus dem Osten, aus dem baltischen Raum, überhaupt aus Ost-Mitteleuropa," erklärte Gauck vor zwei Jahren im Deutschlandfunk. Wenn es darum geht, das Glück wieder oder neu gewonnener Freiheit zu würdigen, fühlt sich Gauck in Warschau, Prag und Budapest oft besser verstanden als in der Heimat:
    "Deshalb missfällt mir zutiefst, wenn manchmal aus dem tiefen Westen heraus in den Osten Europas so geschaut wird: Naja, ihr mit euren Gefühlen. Ja, Pustekuchen."
    Nachwirkende Rede bei der Sicherheitskonferenz
    Nach dem ersten Jahr im Amt machte sich Gauck das Thema Freiheit, Menschen- und Bürgerrechte zu einem zentralen Thema seiner Präsidentschaft. Er reiste zum UN-Menschenrechtsrat nach Genf und zu den Internationalen Gerichten in Den Haag. Bei seiner Reise in die Türkei in diesem Frühjahr provozierte er die Gastgeber mit unbequemen Fragen:
    "So frage ich mich heute und hier, ob die Unabhängigkeit der Justiz noch gesichert ist, wenn eine Regierung unliebsame Staatsanwälte und Polizisten in großer Zahl versetzt und sie so daran hindert, Missstände ohne Ansehen der Person aufzudecken."
    Tacip Erdogan - als Staatspräsident inzwischen unmittelbares Gegenüber Gaucks in Ankara - reagierte empört:
    "Man muss der Würde eines Staatsmannes schon gerecht werden. Er hält sich wohl immer noch für einen Pastor, denn er war ja mal einer. Aber das geht so nicht."
    Nicht immer wirkte es so, als seien die außenpolitischen Signale Gaucks mit der Bundesregierung bestens abgestimmt. So auch, als er etwa erklären ließ, nicht zu den Olympischen Winterspielen nach Sotschi zu reisen. Anders aber die bis heute nachwirkende Rede, die Gauck Anfang des Jahres bei der Münchner Sicherheitskonferenz hielt:
    "Ich meine, die Bundesrepublik sollte sich als guter Partner früher, entschiedener und substanzieller einbringen."
    Zielscheibe linker Kritik
    Ganz ähnlich hatten sich kurz zuvor auch Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen geäußert. Damals konnte niemand ahnen, in welcher Weise die Krisen in der Ukraine und im Nordirak die neue Verantwortung der deutschen Politik fordern würden. Der Bundespräsident war damit zugleich zur Zielscheibe linker Kritik geworden:
    "Was sagt unser Bundespräsident? Wir sollen noch mehr an Militäreinsätzen teilnehmen," wetterte Gregor Gysi im Bundestag. Nach der Rede Gaucks auf der Danziger Westerplatte knüpfen die Linken jetzt erneut an diese Kritik an.