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Joan Wasser
"Wir spielen noch echte Instrumente"

Joan As Police Woman - so nennt sich die Wahl-New Yorkerin Joan Wasser, seit Freunde sie wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer Fernsehpolizistin aufzogen. Die Songs, die sie seit 2008 veröffentlicht, waren meist erheblich düsterer als ihr ulkiger Name und ernteten von Anfang an viel Kritikerlob.

Von Bernd Lechler | 08.03.2014
    Joan Wasser aka Joan As Police Woman
    Joan Wasser aka Joan As Police Woman (dpa/Alberto Martin)
    The Classic. Was für ein Albumtitel. Will Joan Wasser wirklich sagen, sie habe einen Klassiker geschaffen? Natürlich nicht, auch wenn sie die Andeutung verlockend dreist fand. Eigentlich geht es im Titelsong schlicht um einen tollen Typen, oder um den ewigen Traum vom perfekten Partner. Aber nach einem irgendwie "klassischen" Sound strebt sie ja schon, oder?
    "Klar, wir spielen noch echte Instrumente“, sagt sie, und das ist halb Selbstironie, halb Musikerstolz. Sie schreibt und arrangiert tatsächlich astreine Motown-Refrains wie von 1964.
    Und den eindringlicheren Songs kann man anhören, dass sie auch Jimi Hendrix studiert hat.
    Der Soul der 60er und 70er bleibt ihre deutlichste Referenz auf diesem Album: Memphis, Detroit, Philadelphia; die Songs von Diana Ross oder den Temptations, die die heute 43-jährige als Mädchen im Radio gehört hat. Später entdeckte sie auch Punk und New Wave, aber die Liebe zum Soul blieb. Das habe viel mit dem körperlichen Erleben zu tun, sagt sie und das wiederum viel mit Handwerk.
    "Wie die Musiker da interagieren - sie hören einander zu beim Spielen. Und sie haben einfach eine unglaubliche Leichtigkeit erreicht. Ich meine, wenn Al Green singt, der klingt doch, als wär er grade erst aus dem Bett gerollt!"
    Sie nehme das Leben heute leichter als früher, sagt Joan Wasser. Das macht sie ganz offenbar auch musikalisch lockerer - was Melancholie und Tiefgang keineswegs ausschließt: Der Song "What Would You Do" ist das imaginäre Gespräch mit einer sehr realen, selbstmordgefährdeten Freundin, und "Witness", also "Zeuge", beschreibt den spirituellen Umgang mit einer Depression, unter der Joan Wasser eine Weile litt.
    "Ich fragte jeden: ‚Wie geh ich damit um’, und einige meiner buddhistischen Freunde sagten: "Du musst zum Zeugen deiner Emotionen werden und sie beobachten, statt sie als eine Wahrheit zu akzeptieren." Sehr sonderbar, wo man als Künstler doch immer seine Emotionen ausstellt. Aber es war sehr gesund."
    Gewisse Ruhe in der Musik
    Die neue sonnige Seite tut Joan Wassers Musik gut. Am Packendsten sind trotzdem die langen, langsamen Songs in der Mitte des Albums. Reine Klavierballaden hat sie sich für diesmal zwar verboten, aber ihr gesangliches Charisma profitiert sehr von einer gewissen Ruhe in der Musik. Die entdeckte sie übrigens nun nicht bei den alten Soulmeistern, sondern als Geigerin bei Antony And The Johnsons, als ihre Solokarriere gerade erst begann.
    "Das war eine sehr schwere Zeit in meinem Leben, und er ist ein sehr fürsorglicher Mensch. Und wir spielten da ja eine sehr leise Musik. Das kannte ich nicht. Ich war immer laut gewesen. Wer schlägt den meisten Krach! Und ER wollte hören, wer am LEISESTEN spielen kann. Das war eine Revolution für mich. Ich hatte grade mit Gitarrespielen begonnen, und ich spielte zwar schon ganz leise Lieder - aber bei denen war ich unsicher. Die waren mir peinlich. Und Antony hat mir gezeigt, dass darin eine große Kraft steckt."
    "The Classic ist das bisher rundeste Album von Joan As Police Woman. Es balanciert Intensität und Leichtigkeit, es klingt retro, ohne darin stecken bleiben, und es lässt mehr denn je auch ihre Band zum Zug kommen. Ganz wichtig, sagt sie. Sie ist Solistin, aber nicht allein.
    "Wenn ich eine Rhythmusidee habe, halt ich den Mund. Ich will erst hören, was unser Schlagzeuger spielt. Ich liebe Teamarbeit, und mitzukriegen, was andere in meiner Musik hören. Das ist toll. "Echt? DAS hörst du da drin?!" Man erlebt so tolle Menschen, so gute Gedanken. Und darum, denke ich, geht es in der Kunst."