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Perfekte Bewerbung dank Ghostwriter

Das Schreiben einer Bewerbung ist für viele Jobsuchende eine Qual. Professionelle Bewerbungsschreiber können helfen - sie lassen sich ihre Dienste allerdings auch einiges kosten. Personaler sehen das Geschäftsmodell des Fremdschreibens eher kritisch.

Von Nural Akbayir | 24.03.2016
    Zwei Mitarbeiter bei einem Bewerbungsgespräch
    Für ein möglichst authentisches Schreiben gehört für einen professionellen Bewerbungsschreiber eine enge Zusammenarbeit mit dem Bewerber dazu. (dpa/lby - Stefan Puchner )
    Die letzte Bewerbung, die sie geschrieben hat, ist schon zehn Jahre her. Das war damals noch für die Ausbildung. Heute ist Nadine aus Dortmund, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte, 29, steckt mitten im Studium und da fehlen ihr für eine wirklich gute Bewerbung, sagt sie, Zeit und Übung. Doch auch beruflicher Druck spiele für sie eine Rolle.
    "Es hat sich in zehn Jahren so viel geändert und der Markt ist einfach auch viel größer geworden und wenn ich da jetzt eine Bewerbung abschicke und die ist halt nicht gut, dann werde ich direkt abgelehnt. Und bevor ich da jetzt über Ecken frage und mir da irgendetwas zusammen bastle, habe ich es einfach auch irgendwie als Investition meines Studiums gesehen, dass ich das einmal machen lasse, so dass ich dann eine Bewerbung habe, die ich auch in Zukunft nutzen kann. Und weiß dann auch, okay, das ist eine ordentliche Bewerbung und da sind jetzt keine Fehler oder so."
    Nadine besitzt nun so eine Bewerbung, mit der sie sich im Bereich Eventmanagement vorstellt. Geschrieben hat die Bewerbung aber jemand anderes. Ein professioneller Bewerbungsschreiber, der den Dienst im Internet anbietet. Von denen gibt es im Netz so einige, wie auch Holger Manzke. Er ist Mitgeschäftsführer bei den Bochumer Bewerbungsschreibern.
    Fertige Bewerbungsmappe in vier Tagen
    "Wir brauchen zumindest so ein Mindestmaß an Informationen, bestehend aus dem alten Lebenslauf, damit wir wissen, was der Kunde gemacht hat. Und auch eine Stellenausschreibung, die zumindest in die Richtung geht, damit wir auch wissen, was der Arbeitgeber fordert. Und jede Information, die der Kunde dann noch zusätzlich liefert, die wird natürlich mit aufgegriffen und macht die Bewerbung dann auch noch besser."
    Im Schnitt hält der Kunde die fertige Bewerbungsmappe nach vier Tagen in der Hand. Die Kosten dafür liegen zwischen knapp 100 und mehreren Hundert Euro, je nach Aufwand. Doch wie individuell kann so eine fremd verfasste Bewerbung sein? Für ein möglichst authentisches Schreiben gehört eine enge Zusammenarbeit mit dem Kunden mal mehr, mal weniger dazu, sagt Holger Manzke.
    "Wir haben Bewerber, die natürlich ganz kreative Sachen anpeilen, wo wir dann vor allem mit Design arbeiten. Wir haben aber auch Leute, die natürlich in einem sehr technischen Bereich drin sind, wo wir auch gar nicht so schnell reinkommen würden. Dann sagen wir aber auch ganz klar, wir brauchen ein bisschen Unterstützung, fachspezifisch können wir nicht alles wissen. Da ist der Kunde der Experte und die Unterstützung holen wir uns vom Kunden und die bietet er auch, weil er das auch natürlich versteht."
    Personaler setzen auf Authentizität
    Doch haben auch Chefs in Unternehmen Verständnis für eine fremd geschriebene Bewerbung? Auch wenn dem sicherlich einige tolerant gegenüberstehen, Karl-Heinz Böhle sieht das Fremdschreiben kritisch. Er ist Personalleiter beim Kölner Energieversorger RheinEnergie.
    "Ich möchte ja jemanden so erleben, wie er ist, authentisch erleben. Und da steckt ja eine Person hinter, und die Person steckt ja nicht mehr dahinter, wenn jemand anderes für jemanden die Texte schreibt. Und mir entzieht sich ein bisschen die Zielsetzung, was jemand damit verfolgt. Weil inhaltlich wird ja ein Lebenslauf nicht besser, wenn ich ein anständiges Anschreiben habe, oder ein besser formuliertes Anschreiben habe. D.h. eine Qualifikation, die fehlt, kann ich dadurch nicht ersetzen."
    Denn auf Qualifikation und Persönlichkeit des Bewerbers achtet Karl-Heinz Böhle besonders.
    Es kommt nicht nur auf das Bewerbungsschreiben an
    "Ich werde nie jemanden einstellen, weil er ein besonders schönes Bewerbungsschreiben formuliert hat. Und wenn bestimmte persönliche oder fachliche Qualifikationen nicht vorhanden sind, dann hilft das alles nichts."
    Die 29-jährige Nadine ist sich bewusst, dass mehr dazu gehört, als bloß ihre Daten in ein Formular einzutippen. Die Dortmunderin hat sich mit dem, was ihr geliefert wurde, auseinandergesetzt. Ein schlechtes Gewissen, dass sie sich bei Unternehmen mit einer Bewerbung vorstellt, die ein anderer geschrieben hat, hat sie nicht.
    "Ich finde, das ist jetzt nichts Schlimmes. Es war jetzt nicht so, dass ich jetzt die Bewerbung bekommen habe und gesagt habe, ja okay, Unterschrift drunter und weg, sondern ich habe sie mir schon durchgelesen und geguckt. Und nochmal ein paar Sachen, eigene Sachen auch einfließen lassen in den Text, was sich auch ein bisschen mehr nach mir anhörte. Das ist zwar der erste Eindruck, den man von mir bekommt, aber es ist ja jetzt auch keine Lüge, was da drin steht. Die Sachen, äh, was ich gemacht habe, die stimmen ja alle so, also wüsste ich jetzt nicht, warum ich ein schlechtes Gewissen haben sollte. Es ist ja nicht so, dass da irgendwas steht, was nicht ich bin."
    Nadines Bewerbung ist bereits an mehrere Arbeitgeber rausgegangen. Jetzt wartet sie auf Antwort – und das hat sie mit allen anderen Bewerbern gemeinsam.