Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Johann Walter in Torgau
Museum für den ersten evangelischen Kantor

Johann Walter gründete die erste evangelische Kantorei und gab das erste evangelische Chorbuch heraus. In Torgau leistete Walter im 16. Jahrhundert Pionierarbeit für Komponisten wie Heinrich Schütz oder Johann Sebastian Bach. Dem evangelischen Urkantor hat Torgau nun ein Museum gewidmet - mit Bildtafeln, Hörstationen und zahlreichen Originaldokumenten.

Von Claus Fischer | 22.05.2017
    Eine Frau und ein Mann sitzen mit Gesangsbuechern in der Kirche.
    Das Erfolgsmodell Kantorei verbreitete sich nach Johann Walters Tod in der ganzen Welt. (imago Thomas Trutschel/ photothek.net)
    Außen dicke Mauern, innen teilweise Fachwerk. Wir sind in einem der ältesten erhaltenen Wohngebäude der Torgauer Altstadt.
    "Das Haus stammt von 1493. Es ist ein ehemaliges Priesterhaus, das im Rahmen eines Altarlehens verliehen wurde", erzählt Stefanie Molnar, die die Entstehung des Museums als Projektleiterin begleitet hat.
    Prominentester Besitzer war der Theologe Georg Spalatin, Freund und Mitstreiter Martin Luthers und Beichtvater von Sachsens Kurfürst Friedrich dem Weisen.
    "Spalatin hat es 1523 von Friedrich dem Weisen um Dank für seine Dienste verliehen bekommen. Er hat es dann eben ungefähr sechs Jahre lang besessen und hat es auch genutzt, wenn er hier in Torgau war, also wenn er mit dem Hof in Torgau residierte. Das Haus war bis 2011 bewohnt, der letzte Bewohner starb dann und das Haus drohte also zu verfallen, es war in einem sehr schlechten Zustand. Und deswegen hat es der Förderverein für Denkmalpflege in der Stadt Torgau gekauft."
    Die Idee, ein Museum für Johann Walter zu schaffen, das erste weltweit, lag auf der Hand. Einerseits existiert das ehemalige Wohnhaus des evangelischen Urkantors nicht mehr. Und andererseits gab es – so Stefanie Molnar - auch Beziehungen zwischen ihm und Georg Spalatin.
    "Beide waren sehr enge Weggefährten Luthers, kannten sich höchstwahrscheinlich auch beide persönlich. Und Spalatin war sogar ein paar Jahre der vorgesetzte Johann Walters, weil er der Kurator der Hofkapelle war, während Walter dort Sänger war."
    Vom Sänger zum evangelischen Urkantor
    Die Sängerkarriere Johann Walters endete 1525, als Kurfürst Friedrich der Weise starb. Sein Nachfolger Johann der Beständige hatte keinen Bezug zur Musik und löste die Hofkapelle auf.
    "Johann Walter war dann arbeitslos und hat als Musiklehrer gearbeitet in der berühmten Lateinschule hier in Torgau, die bald 400 Schüler hatte. Und auch Luther von Wittenberg hat seinen Sohn Johannes hierher gesandt an diese Schule", erzählt Ekkehard Saretz, heute Stadtkantor in Torgau und damit der 25.
    Amtsnachfolger Johann Walters. Mit den Schülern der Lateinschule gestaltete der Urkantor die Gottesdienste in der nun lutherischen Stadtkirche St. Marien. Er merkte aber bald, dass es sinnvoll wäre, auch erwachsene Sänger zu haben. So sammelte er musikalisch versierte männliche Bürger der Stadt, um mit ihnen neue Werke einzuüben, die er teils in Zusammenarbeit mit Luther komponiert hatte.
    "Das war war eigentlich die Geburtsstunde des evangelischen Kantoreiwesens", betont Projektleiterin Stefanie Molnar. Doch wie hat Johann Walter seine Sänger gefunden? In der Ausstellung gibt es einen silbernen Kasten aus Metall, etwa so groß wie ein erwachsener Mensch. Innen versteckt sich modernster Computertechnik.
    "Der Besucher ist wahrscheinlich sehr neugierig, was das denn ist, tritt heran, und durch einen Näherungssensor wird dann eben dieser Kasten aktiviert und eine Computerstimme spricht: 'Verehrter Bürger! Ihr wollt also in meiner Kantorei mitsingen…Lasst mich hören, ob eure Stimme wohlklinget und meine Kantorei bereichert. Singt mir nach: 'doooo'."
    Am Ende sagt einem die Maschine, bzw. Johann Walter, dann, ob man geeignet ist oder nicht. Eine wunderbar sinnliche Spielerei für Museumsgäste, die wenig Vorbildung in Sachen Johann Walter haben.
    Hörstationen bieten Blick in Walters Kompositionswerkstatt
    Für besser Informierte gibt es mehrere Hörstationen, an denen man in die Kompositionswerkstatt des Urkantors blicken kann. So wird zum Beispiel eine Stelle aus einem Brief zitiert, in der er erläutert, welche Musik er und Martin Luther als Grundlage verwendeten, um neue Werke für den reformatorischen Gottesdienst zu schaffen.
    "Unserer Vorfahren schöne, köstliche, geistreiche, künstliche lateinische und deutsche Gesänge, welche sie aus den Schriften der Propheten und Apostel gezogen und in ihrer Gemeinde – Gott zum Lobe – gesungen haben."
    Die Kantorei Johann Walters war auch bald am Hof des Kurfürsten gefragt. Für die Einweihung des erste lutherischen Kirchenbaus, der Torgauer Schlosskapelle im Jahr 1544 schuf Johann Walter eine siebenstimmige Motette, die er mit seinen bürgerlichen Sängern aufführte. Auch wenn Walters Kunst vielleicht nicht ganz an die eines Josquin oder Palestrina heranreichte – seine Werke sind äußerst wirkungsvoll.
    Dass für eine ordentliche Kirchenmusik auch die finanzielle Basis stimmen musste, demonstriert das wertvollste Exponat im neuen Museum für Johann Walter: das Rechnungsbuch der Torgauer Kantorei. Die ersten Posten, so Stefanie Molnar wurden schon wenige Jahre nach dem Tod des Gründers eingetragen.
    "Alle Einnahmen, alle Ausgaben der Kantorei. Aber auch, wenn jemand zum Beispiel Strafzahlungen leisten musste. Es gab also eine genau geregelte Ordnung in dieser Kantorei. Wenn man also zum Beispiel zu einem Begräbnis nicht dabei war für einen Sänger, musste man Strafe zahlen."
    Erfolgsmodell Kantorei
    Das Erfolgsmodell Kantorei verbreitete sich nach Johann Walters Tod in der ganzen Welt. Überall wo es heute Kirchen gibt, die sich auf Martin Luther berufen, gibt es auch evangelische Kantoreien, zum Beispiel in den skandinavischen Ländern, in Südkorea, Tansania oder in den USA. Die erste evangelische Kantorei der Geschichte in Torgau existiert nach wie vor. Seit dem 19. Jahrhundert besteht sie aus Männern und Frauen.
    "Das ist natürlich eine große Verpflichtung, diese Tradition fortzuführen und zu pflegen", betont Stadtkantor Ekkehard Saretz, und freut sich, dass sein Amtsvorgänger Johann Walter nun endlich ein eigenes Museum bekommen hat.