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Johanna von Ägypten

Archäologie. - Jeanne d’Arc - die Jungfrau von Orleans - wurde am 30. Mai 1431 auf dem Scheiterhaufen verbrannt, ihre Überreste in die Seine geworfen. Dennoch tauchten später Überbleibsel auf, die fortan als Reliquien verehrt wurden. Irrtümlich, wie Experten jetzt bewiesen.

10.04.2007
    Sylvaine Delacourte war mehr als überrascht, als sie eines Tages den Anruf von Gerichtsmediziner Philippe Charlier erhielt. Er bat sie, die seit 17 Jahren als Chefnase beim Parfümhaus Guerlain arbeitet, um wissenschaftliche Schnupperarbeit. Eine Premiere im Bereich archäologische Forschung. Mit einem befreundeten Kollegen zusammen untersuchte Sylvaine Delacourte im Lehrsaal eines Pariser Krankenhauses ein knappes Dutzend unterschiedlichster Proben auf ihre Gerüche, im Blindtest. Beide Berufsnasen wurden erst im nachhinein über die Herkunft der einzelnen Studienobjekte aufgeklärt: darunter befand sich beispielsweise ein Stück Haarflechte einer mumifizierten Frauenleiche aus Peru, Asche von der königlichen Geliebten Agnès Sorel wie auch die Funde aus der angeblichen Jeanne d’Arc-Reliquie.

    "Als ich die schwärzlichen Knochenstücke vor mir hatte, sagte ich mir: das muss ja nach Verbranntem riechen. Aber das war keineswegs der Fall. Die Probe duftete nach Kalk, nach Kreide und gleichfalls nach Vanille, ganz merkwürdig. Als mein Kollege und ich zum Schluss unsere Ergebnisse miteinander verglichen, stimmten sie zu neunzig Prozent überein."

    Vanille-Duft entsteht, wenn eine Leiche sich zersetzt. Sehr charakteristisch ist dieser Geruch bei einbalsamierten Körpern. Bei dem untersuchten Knochenstück konnte es sich also nicht um menschliche Überreste aus einem Scheiterhaufen handeln. Das ergaben auch weitere Untersuchungen, die mittels Massen- und Infrarot-Spektrometrie durchgeführt wurden. Chemische Analysen brachten dasselbe Ergebnis wie die Objektstudie unter dem Elektronenmikroskop: am Knochenrest war kein verbranntes Gewebe auszumachen. Die Reliquie enthielt auch Pollen: sie stammen von Pinien. Eine Baumart, die im 15. Jahrhundert in Nordfrankreich keineswegs zu finden war. Dafür aber im alten Ägypten. Eindeutig war auch eine weitere Studie, die bei Archéolab TL, einem Speziallabor der Denkmalschutz-Behörde, durchgeführt wurde. Archéolab-Direktor Christian Dormaox bekam ein winziges Stück Probe angeliefert, es hieß, es handele sich um ein Stück Eichen-Holzkohle mit Rinde:

    "Wir haben die Probe erstmal so untersucht und herausgefunden, dass die angebliche Holzkohle in Wirklichkeit eine Art Harz war, eine kristallisierte Masse und die angebliche Rinde stellte sich als Fetzen Stoff heraus. Nach dieser ersten Identifizierung haben wir die winzige Probe, die nicht mal zehn Milligramm wog, im Beschleuniger auf den Karbon-14-Gehalt geprüft. Damit konnten wir das Alter des Studienobjekts genau bestimmen: es datiert aus der Zeitspanne zwischen 543 bis 357 vor Christi Geburt."

    Kurzum: es ist Jahrhunderte älter als der Scheiterhaufen, auf dem Jeanne d’Arc im 15. Jahrhundert ihr Leben ließ.

    "Bevor ich wusste, womit ich es da genau zu tun hatte, dachte ich schon an den Überrest einer Mumie. Dafür sprach der Fund von Harz und die Tatsache, dass ein Stück Stoff am Knochen klebte. Das erinnerte mich an die Praxis der Einbalsamierung. Dass diese Einbalsamierung vor solch langer Zeit stattgefunden hatte, ergab dann die Karbon-14-Analyse. Jedenfalls kann man eines mit Sicherheit sagen: bei der Probe handelt es sich nicht um die Überreste von Jeanne d’Arc."

    Eine einbalsamierte Mumie aus dem alten Ägypten sei eineinhalb Jahrhunderte lang für die Überreste der französischen Nationalheldin ausgegeben worden, resümiert Gerichtsmediziner Charlier. Und tippt darauf, der Fälscher habe damit wohl den damals erstarkenden Patriotismus unterfüttern wollen. Jetzt endlich darf Jeanne d’Arc in Frieden ruhen.