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Jonas Gruber
Kritisches Selbstporträt auf der Kabarettbühne

Schauspielschule in München, danach Engagements an verschiedenen Theatern, hin und wieder kleinere Rollen in Fernsehproduktionen: Jonas Gruber ist wohl das, was man gemeinhin als Durchschnittsschauspieler bezeichnen würde. Und genau damit spielt der Schweizer nun und nimmt sich in seinem Kabarettstück "Toi Toi Buh" selbst auf die Schippe.

Von Änne Seidel | 03.11.2015
    Jonas Gruber wirkt: freundlich, zurückhaltend, ausgeglichen.
    Na ja, zumindest wenn er nicht gerade als Kabarettist auf der Bühne steht. Da ist er nämlich ein selbstverliebter Schauspieler, den der ausbleibende Ruhm mal zur Weißglut und mal ins Selbstmitleid treibt.
    "Nein, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr. Vielleicht habe ich für diesen Beruf einfach zu wenig Eier, was weiß ich. Ich bin einfach zu nett, zu höflich, zu schweizerisch, zu brav, zu bescheiden. Ich mein' ich bin so bescheiden, ich habe schon meinen eigenen Regisseur davon überzeugt, dass er mich unter's Sofa inszenieren soll."
    "Toi Toi Buh" ist Grubers Debüt im komischen Genre. Und zum Objekt seines Gespötts macht er gleich mal: sich selbst. Das ist ohne Frage mutig.
    "Ich hatte schon lange nicht mehr so Angst wie bei diesem Ding. Muss ich echt sagen. Man weiß plötzlich, dass man mal wieder richtig was zu verlieren hat. Weil, klar, wenn ich damit baden gehe, dann hat man das Gefühl: Ich hab' mich ausgeliefert und es hat wehgetan."
    Wie Bambi auf dem Eis
    Wehgetan hat's am Ende doch nicht, das Publikum lacht über Grubers Gags, zumindest über die meisten.
    "Ich war erst einmal einfach erleichtert, aber ich habe auch gemerkt: Die Premiere war noch ein Stück weit ein Kampf, ich habe mich gefühlt wie Bambi auf'm Eis, ich war danach wirklich fix und alle."
    Mittlerweile wirkt das, was Gruber da auf der Bühne veranstaltet, solide. Die ganz großen Momente fehlen vielleicht noch, aber die Pointen und Grimassen sitzen, das alberne Hahnen-Kostüm sowieso.
    Für "Toi Toi Buh" hat Jonas Gruber den eigenen Lebenslauf durchforstet und all die Episoden aufgegriffen, die den Irrsinn eines durchschnittlichen Schauspieler-Lebens illustrieren.
    "Eine große Filmrolle hatte ich nach der Schauspielschule! Eine Einzige! Ich war, halten Sie sich fest: der stotternde Geißen-Peter in "Feuer, Eis und Dosenbier". Und, auch das ist wirklich wahr, ich habe für diese Darstellung einen echten Preis gewonnen.
    Ich habe vom Bundesverband der Stotterer-Selbsthilfe e. V. den Preis 'Die verknotete Zunge' für die misslungenste und klischeehafteste Darstellung eines Stotterers in einem Film bekommen! Prima, dachte ich mir, meine Eltern werden stolz auf mich sein!"
    Ein vertrautes Umfeld als Arbeitsgrundlage
    Das Kabarett, ein Versuch, die eigenen Traumata aufzuarbeiten? Auf keinen Fall, sagt Gruber. Als Schauspieler nicht in der ersten Reihe zu stehen, nicht zu den gefeierten Stars der Film- und Fernsehbranche zu gehören – das sei für den echten Jonas Gruber kein Problem. Schwer zu glauben, aber aus Grubers Mund klingt das in der Tat, als wäre es eine Selbstverständlichkeit.
    "Ich glaube tatsächlich, dass ich am Theater besser aufgehoben bin, als bei Film und Fernsehen, weil ich mich als Schauspieler sehe, der eine gewisse Zeit braucht, um Dinge zu entwickeln. Ich bin nicht so ein Performer, ein Ablieferer, jemand, der auf Knopfdruck sofort etwas herstellen kann. Für mich ist ein vertrautes Umfeld sehr, sehr wichtig für die künstlerische Arbeit."
    Nach der Schauspielschule arbeitete Gruber mehrere Jahre als Freiberufler und zwar für beides: Theater und Fernsehen. Im Fernsehen waren es eher die kleineren Rollen, aber immerhin: auch der "Tatort" hat ihn zweimal engagiert.
    Experimentelles abseits des Theaterbetriebes
    Mittlerweile gehört Gruber zum festen Ensemble am Düsseldorfer Schauspielhaus. Und ist damit angekommen im klassischen Theater-Betrieb. Dass er ausgerechnet jetzt auf die Idee kommt, sich im Kabarett auszuprobieren, auch das ist mutig. Er wollte mal etwas ganz Eigenes machen.
    "Ich weiß noch nicht, ob das sinnvoll ist, oder ob ich mir damit auch ein Stück weit schade, weil es auch Leute gibt, die Schwierigkeiten damit haben, wenn man so zwischen den Genres hin- und her wechselt. Die Berührungsangst mit Kabarett ist immer noch sehr groß."
    An einen Tag den Hamlet mimen und sich am anderen Tag auf der Kabarettbühne über die eigene verkorkste Schauspieler-Seele amüsieren – für Jonas Gruber ist das kein Widerspruch. Im Gegenteil: Er findet, Kabarett und Theater können voneinander lernen.
    "Beim Kabarett erwartet man die komische Sicht der Dinge, am Theater interessiert mich vielmehr die Fallhöhe der Figuren. Also, wo ist der Schmerz, wo tut's weh, wo wird's unangenehm? Das ist dann gleichzeitig das, was ich bei Kabarett und bei Comedy so vermisse.
    Die Leute sollen doch mal was von sich preisgeben, die sollen sich nicht hinstellen, und sagen: Ich weiß es besser. Sondern sie sollen sich hinstellen und etwas von sich preisgeben, auch ihre Verletzbarkeit zeigen, ihre Fallhöhe."
    Und genau das tut Jonas Gruber in "Toi Toi Buh".
    Mehr als eine vorgefertigte Rolle ausfüllen
    Wirklich? Denn was wahr ist, was übertrieben und was völlig frei erfunden in diesem Stück, das bleibt schließlich sein Geheimnis. Genau wie nur er weiß, welcher Jonas Gruber jetzt eigentlich der echte ist.
    "Ich will nicht mehr länger die Rolle spielen, die andere für mich vorgesehen haben. Die Rolle hier, die, Jonas Gruber. Das ist 'ne beschissene Rolle. Und außerdem: Ich kenn' den echten Jonas Gruber, der ist eigentlich ganz nett, lustig, klug, und der hat auch gar nicht so ein Bäuchlein hier."