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José van Dam
Sänger, Baron und 75 Jahre

Bassbariton José van Dam gehört zu den international gefeierten Interpreten seines Fachs. Am 25. August wird er 75. Aus diesem Anlass hat das Label Erato in der Reihe "Autograph" nun eine zehn CDs umfassende Box mit Aufnahmen des belgischen Sängers herausgebracht, die einen Einblick in sein Schaffenswerk gibt.

Von Klaus Gehrke | 02.08.2015
    Der belgische Sänger José van Dam bei der Beerdigung Königin Fabiolas in Brüssel
    Der belgische Sänger José van Dam bei der Beerdigung Königin Fabiolas in Brüssel (imago/ Belga)
    Dunkle Bösewichte wie Scarpia in Puccinis "Tosca", Coppelius oder Dr. Miracle in "Hoffmanns Erzählungen" oder Mephistofeles im "Faust" von Charles Gounod wusste José van Dam ebenso subtil und abgrundtief wie raffiniert und elegant in Szene zu setzen. Doch der Bassbariton hatte viele musikalische und interpretatorische Facetten; das gleiche gilt auch für sein überaus umfangreiches Repertoire, welches er sich in seiner fast 50 Jahre umfassenden Karriere erarbeitete.
    Saint-Saens, Danse macabre
    Selbstverständlich brillierte José van Dam im Konzertsaal ebenso wie auf der Opernbühne; begleitet von Jean-Philippe Collard sang er gerade das Lied "Danse macabre" von Camille Saint-Saens. Sein Vorname weckt Assoziationen an Spanien; allerdings wurde der Sohn eines Zimmermanns am 25. August 1940 als Joseph van Damme in Brüssel geboren. Sein musikalisches Talent wurde früh von einem Freund des Vaters, der in einem Chor sang, entdeckt.
    Die Begeisterung für das Singen hielt auch über den Stimmbruch hinweg an; mit 17 Jahren begann José van Dam sein Gesangsstudium am königlichen Konservatorium in Brüssel und debütierte 1961 an der Pariser Oper als Don Basilio in Rossinis "Barbier von Sevilla". Sechs Jahre später holte Lorin Maazel ihn an die Deutsche Oper nach West-Berlin. In den 11970er Jahren gehörte José van Dam zu den Lieblingsinterpreten des Dirigenten Herbert von Karajan. Aus dieser Zeit stammt auch die älteste Aufnahme der CD-Box, das Torerolied des Escamillo aus Bizets "Carmen" von 1974.
    Bizet, Carmen, Torerolied
    Das weite Gesangsspektrum José van Dams gliedert sich auf den neun CDs in die Bereiche "Bösewichte", "Vaterfiguren", Don Quichotte", "200 Jahre Oper" sowie "Lied und geistliche Musik"; CD 10 bietet ein Porträt des Sängers mit zahlreichen Interviewausschnitten und kleinen Musikeinspielungen, das vom englischen Musikjournalisten Jon Tolansky zusammengestellt wurde. Besonders interessant ist eine Gegenüberstellung zweier gleicher Ausschnitte aus Richard Strauss" Oper "Salome" in unterschiedlichen Aufnahmen auf der fünften CD. Der erste stammt aus einer Einspielung von 1978; hier wird José van Dam als Jochanaan begleitet von den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Herbert von Karajan.
    Strauss, Salome, Szene des Jochanaan
    Zwölf Jahre später stand von Dam wieder als Jochanaan in einer "Salome"-Produktion vor dem Mikrofon, diesmal mit dem Orchestre de l'Opéra de Lyon und dem Dirigenten Kent Nagano. Der bemerkenswerte Unterschied dieser Aufnahme von 1990 ist, dass auf Französisch gesungen wird – und das zu einer Zeit, in der Aufführungen und Plattenproduktionen in der Originalsprache längst zur Regel geworden waren.
    Ob auf Deutsch, Französisch oder Italienisch: wichtig war José van Dam zeitlebens eine klare und immer verständliche Textdeklamation, wie er Jon Tolansky 2014 im Interview erzählte, das auf der letzten CD zu hören ist; und in Bezug auf die Frage des Wort-Ton-Verhältnisses setzt der Sänger ganz bewusst auf die Priorität des Ersteren:
    Selbstverständlich bedeutet die Wichtigkeit des Textverständnisses für José van Dam nicht, dass die Gesangstechnik eine untergeordnete Rolle spielt – und die zusammengestellten Aufnahmen der CD-Box beweisen das glatte Gegenteil. Der voluminöse samtig dunkel klingende Bassbariton des Sängers überzeugte und begeisterte Publikum und Kritiker gleichermaßen immer wieder durch makellose Stimmführung und durchdachte Interpretationen. Zu seinen Paraderollen auf der Bühne gehörte neben dem Golaud aus Debussys "Pelleas und Mélisande" der "Don Quichotte" von Jules Massenet; den tragisch-komischen Ritter von der traurigen Gestalt verkörperte José van Dam höchst eindrucksvoll in einer Einspielung von 1992 mit Teresa Berganza als Dulcinée und Alain Fondary als Diener Sancho sowie dem Orchestre du Capitole de Toulouse unter Michel Plasson.
    Massenet, Don Quichotte, Finale
    Das war ein Ausschnitt aus dem Finale der Oper "Don Quichotte" von Jules Massenet mit Teresa Berganza, Alain Fondary und José van Dam in der Titelrolle; Michel Plasson dirigierte das Orchestre du Capitole du Toulouse. Anlässlich seines 75. Geburtstages ist in der Reihe "Autograph" des Labels Erato eine CD-Box mit Aufnahmen von José van Dam erschienen, die heute im Mittelpunkt der "Neuen Platte" stand. Am Mikrofon verabschiedet sich, mit Dank fürs Zuhören, Klaus Gehrke.
    José van Dam
    Autograph: Opernarien, Lieder und Ausschnitte aus Oratorien
    Erato/Warner Classics 0825646190492
    Musikliste:
    Charles Gounod
    Aus: Faust
    - 2. Akt: Lied des Mephistofeles
    José van Dam
    Choeurs et Orchestre du Capitole de Toulouse
    Leitung: Michel Plasson
    Länge: 1"43
    Camille Saint-Saens
    Danse macabre
    José van Dam, Jean-Philippe Collard(Klavier)
    Länge: 2"11
    Georges Bizet
    Aus: Carmen
    - 2. Akt: Torerolied des Escamillo
    José van Dam, Régine Crespin (Sopran), Nadine Denize (Mezzosopran), Maria Rosa Carminati (Sopran)
    Choeur de l'Opéra du Rhin
    Orchestre philharmonique de Strasbourg
    Leitung: Alain Lombard
    Länge: 4"48
    Richard Strauss
    Aus: Salome
    - Szene des Jochanaan
    José van Dam
    Wiener Philharmoniker
    Leitung: Herbert von Karajan
    Länge: 1"34
    Richard Strauss
    Aus: Salome
    - Szene des Jochanaan
    José van Dam, Karen Huffstodt(Sopran)
    Orchestre de l'Opéra de Lyon
    Leitung: Kent Nagano
    Länge: 2"13
    Jules Massenet
    Aus: Don Quichotte
    - 5. Akt: Finale
    José van Dam, Teresa Berganza(Sopran), Alain Fondary(Bassbariton)
    Orchestre du Capitole de Toulouse
    Leitung: Michel Plasson
    Länge: 3"49