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Josef Leopold Václav Dukát: "Cithara Nova"

Ich stelle Ihnen heute zwei neue Produktionen des tschechischen Labels Supraphon vor. Sie gelten Kompositionen von Josef Leopold Václav Dukát und Bohuslav Martinu. * Musikbeispiel: Josef Leopold Václav Dukát - aus: "De beata Virgine Maria vel pro omni tempore" Wer singt, wer spricht? Wir hören die melancholische Rede des Schiffers, der bis eben die Meere durchpflügt, den nun eine weibliche Stimme verführt, bannt und in Untiefen anderen Zuschnitts hin lockt. Ist es wirklich die See, die ihn in Kürze verschlingt, und singt er nicht schon mit der Stimme der Frau? Das zarte Arioso entstammt der 'Neuen Kithara', einer Sammlung von Kantaten aus der Feder des böhmischen Klosterlaien Josef Leopold Václav Dukát. Der heute vergessene Komponist, ein Schüler des Olmützer Jesuitenkollegs, widmete sie 1707 dem Seelauer Abt Jeroným Hlín, der die Manuskripte in der berühmten Prämonstratenser-Abtei von Zeliv verwahrte. Es handelt sich um 12 geistliche Solokantaten im neuestem italienischen Stil; angesiedelt im Grenzbereich von Drama und Liturgie. Wie damals allgemein Brauch, verband auch Dukát liturgische Fragen mit antiken Allegorien. Sein zentrales Sujet, die Vergeblichkeit. Aus ihr errettet nur die Treue im Glauben und die innere Nähe zu Gott. "Nur in den himmlischen Gegenden", so heißt es in einem vom Komponisten selbst verfassten Arientext, "Nur in den himmlischen Gegenden suche, o Mensch, eine Zeit voller Zuspruch ... dein Schicksal ist in Gottes Hand. Die Welt ist der sichere Tod, von ihr erwarte das Ende". Dementsprechend verhält es sich auch in der elften Kantate der Sammlung: "De Beata Virgine Maria vel pro omni tempore". Die heidnisch-mythische Kraft der Sirenen erlischt, als dem Schiffer die Jungfrau Maria erscheint: sie glättet das schäumende Meer des Gefühls, sie führt das Schiff in den sicheren Hafen zurück: * Musikbeispiel: Josef Leopold Václav Dukát - aus: De beata Virgine Maria vel pro omni tempore "Über die heilige Jungfrau und für jede Zeit." Die tschechische Sopranistin Anna Hlavenková und das von Marek Stryncl geleitete Ensemble Musica Florena mit einer Kantate von Josef Leopold Václav Dukát. Dass die geistliche Sammlung 'Neue Kithara' des 1717 jung verstorbenen böhmischen Komponisten heute noch existiert und aufgeführt werden kann, verdankt sie nicht zuletzt dem tschechischen Musikologen Emilián Trolda, der sie 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, im Kloster-Archiv Seelau kopiert hat. Als die kommunistische Führung 1950 alle tschechischen Klöster aufzulösen und Seelau zum Internierungslager umzufunktionieren begann, gerieten die Partituren nach Prag und wurden im Museum für Tschechische Musik versteckt und - bewahrt.

Frank Kämpfer | 15.04.2001