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Journalismus in Kirgistan
Der Freiraum schrumpft

Weil lokalen Journalisten in den Ländern Tadschikistan, Turkmenistan oder Usbekistan Gefängnis und Folter drohen, hat sich das Nachbarland Kirgistan zum Zufluchtsort für Journalisten entwickelt. Doch in den letzten Jahren wird der unabhängige Journalismus in Kirgistan immer häufiger auf den Prüfstand gestellt.

Von Edda Schlager | 28.03.2017
    Junge Menschen in Kirgistan halten halten kirgisische Flaggen
    Junge Kirgisen am Nationalen Flaggentag 2013 (dpa / picture alliance / Igor Kovalenko)
    Es war ein Auftritt, wie er Donald Trumps würdig wäre. Almasbek Atambayev, der Präsident von Kirgistan, stauchte bei einem Pressetermin, der an sich bedeutungslos war, Woche die anwesenden Journalisten zusammen. Durch Vorab-Berichte zu den im November anstehenden Präsidentschaftswahlen in Kirgistan hatte sich Atambayev persönlich verleumdet gefühlt. Entsprechend harsch seine Reaktion.
    Journalisten, die falsche Informationen verbreiteten, so der Präsident, würden gegen das Gesetz verstoßen und müssten zur Verantwortung gezogen werden. Denn Freiheit, auch Pressefreiheit, ende dort, wo sie die Freiheit eines anderen einschränke.
    Eine Insel der Pressefreiheit
    Die Ansage und Drohung Atambayevs hat Brisanz. Denn Kirgistan ist bisher eine Insel der Pressefreiheit in Zentralasien – einer Region, die für ihre repressiven Regime und Despoten bekannt ist. Kirgistan belegt im Ranking der Pressefreiheit Platz 85 von 180 Ländern. Die Nachbarn Tadschikistan, Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan dagegen finden sich regelmäßig im unteren Viertel.
    Weil man in Kirgistan relativ unbehelligt arbeiten kann, sind in den vergangenen Jahren auch viele Journalisten aus den Nachbarländern in die Hauptstadt Bischkek geflohen. So, wie die Tadschikin Diana Rahmanova.
    "Unmöglich in Tadschikistan zu arbeiten"
    Im Keller eines Plattenbaus, einer alten Schneiderei, hat sie ihr Büro. Rahmanova, 27 Jahre alt, lebt seit 2011 in Bischkek. Sie hat eine internationale Journalisten-Ausbildung. Ihrem erlernten Anspruch an Objektivität und Quellenvielfalt habe sie in ihrer Heimat Tadschikistan nicht gerecht werden können.
    "Hier in Kirgistan verstehen Politiker, dass sie verpflichtet sind, Journalisten Rede und Antwort zu stehen. In Tadschikistan denkt man, du als Journalist willst etwas von mir? Dann lauf mir ruhig hinterher! Vielen Kollegen hat man es unmöglich gemacht, in Tadschikistan zu arbeiten, sie wurden sogar bedroht. Deshalb entschieden sich viele, hier zu arbeiten."
    Für kritische Journalisten aus Turkmenistan ist die Arbeit in ihrem Heimatland quasi unmöglich. Folter, Jahre lange Haft, selbst Übergriffe auf die Familie drohen.
    Zugang zu westlichem Know-how
    Die 55-jährige Naz Nazar lebt in Deutschland im Exil und hält Kontakt zu Kollegen in Kirgistan, die von dort für turkmenische Untergrund-Projekte arbeiten.
    "Bischkek ist wie eine Freiheitsinsel für die Turkmenen. Turkmenistan ist das meist unterdrückte Land in Zentralasien. Für die Turkmenen bedeutet Bischkek, dass sie Zugriff zu Informationen haben, zu westlichem Know-how. Dann werden sie dort nicht verfolgt, da die kirgisische Polizei sich nicht für ein paar Turkmenen interessiert, die da sind."
    Unabhängiger Journalismus auf dem Prüfstand
    Doch auch in Kirgistan schrumpfen die Freiräume für Journalisten. Habe man sich nach dem Umsturz 2010 gerne liberal gezeigt, werde die Regierung jetzt wieder zunehmend repressiver, so Christopher Schwartz, Dozent für Journalismus an der Amerikanischen Universität in Bischkek. Auch für ausländische Journalisten werde es ungemütlicher …
    "… weil du in den Fokus der kirgisischen Regierung geraten kannst: Entweder, um als Druckmittel im Clinch mit den Nachbarländern benutzt zu werden, oder weil die kirgisische Regierung sich selbst angegriffen fühlt, oder weil sie unabhängige Medien generell fürchten."
    Weil der unabhängige Journalismus derzeit auch im Westen auf dem Prüfstand steht, könnte diese Krise auch von Kirgistan dafür genutzt werden, die eigene Berichterstattung stärker als bisher zu kontrollieren. Schlechte Vorzeichen also nicht nur für die hierher geflüchteten Journalisten aus Zentralasien – sondern auch für die kirgisischen Kollegen selbst.