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Journalismus-Startups in Polen
Potenzial für einen echten Wandel

Seit dem Regierungsantritt der PiS 2015 haben sich in Polen eine Reihe von Journalismus-Startups gegründet, die sich für investigativen und unabhängigen Journalismus einsetzen. Die steigenden Unterstützerzahlen der Startups könnten einen Medienwandel andeuten.

Von Pauline Tillmann | 12.04.2018
    Gegner der Regierung in Polen demonstrieren gegen die neuen Pressegesetze.
    Gegner der Regierung in Polen demonstrieren gegen die neuen Pressegesetze. (imago/Zuma Press)
    Ein Buchladen im Zentrum von Warschau. Gegründet wurde er vor acht Jahren von zwei bekannten polnischen Journalisten. Bis heute ist er ein beliebter Treffpunkt für Reporter, so auch für Urszula Jablonska. Sie hat 2012 "Reporterow Rekolektyw", eine Vereinigung von Reportern, mitgegründet.
    "Die Situation wird immer schwieriger, wenn man eine umfangreiche und gut recherchierte Geschichte schreiben will, weil das sehr viel Zeit und Geld kostet. In der Regel muss man dafür reisen, wenn man nicht nur aus Warschau berichten will, sondern aus Europa oder weltweit. Früher wurden Reporter genau dafür angestellt, das war natürlich sehr viel besser. Heutzutage müssen Reporter, die sich der langen Form des Journalismus verschrieben haben, andere Wege der Finanzierung suchen."
    Und so bewerben sich die zehn Reporter ihres Kollektivs gemeinsam für Stipendien, um ihre Reisekosten zu decken. Oder sie bringen gemeinsam Bücher heraus.
    "Es gibt inzwischen unterschiedliche Medienprojekte mit unterschiedlicher Ausrichtung - und sie werden zunehmend wichtiger. Grundsätzlich finde ich es gut, dass die Journalisten ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen und versuchen, ihre Arbeit anderweitig zu organisieren. Die Kehrseite der Medaille ist, dass sie auch ihre eigenen Manager sein müssen. Das bedeutet in jedem Fall Mehrarbeit und, dass man sich nicht nur aufs Schreiben konzentrieren kann. Man muss sich beispielsweise auch ums Marketing oder den Kontakt zu Kunden kümmern. Das ist auf jeden Fall anders, als wenn man einfach nur bei einer Zeitung angestellt ist."
    Seit 2015 mehr politischer Druck von der Regierung
    Und trotzdem sind vor allem seit 2015, seit dem Regierungsantritt der Partei "Recht und Gerechtigkeit" - kurz PiS - eine ganze Reihe von Medien-Startups gegründet worden. Sie versuchen, zum einen eine Lücke zu füllen - wie zum Beispiel Faktencheck, Auslandsberichterstattung oder investigative Recherche - und zum anderen mit neuen Finanzierungsmodellen zu experimentieren. Medienwissenschaftler Michal Glowacki sieht die Meinungsfreiheit in Polen zwar grundsätzlich nicht in Gefahr, aber die zunehmende Polarisierung der Medien bereite ihm durchaus Sorgen.
    "Es ist offenkundig, dass die meisten Medien gar nicht unabhängig sein wollen. Sie nehmen den politischen Druck vonseiten der Regierung als gegeben hin. Und das ist aus meiner Sicht ein alarmierendes Zeichen."
    Konkret hat der Druck 2015 damit angefangen, dass wichtige Posten beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit PiS-nahen Gefolgsleuten besetzt wurden. Der Druck geht beim täglichen Programm weiter, das oft von Propaganda durchzogen ist, und er hört noch lange nicht auf, wenn liberale Medien wie die größte Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" keine Anzeigen von regierungsnahen Unternehmen mehr bekommen.
    Ein gute Zeit für Innovationen im Journalismus
    Doch all das kann auch ein Ansporn sein - so wie für Jakub Gornicki, der die Plattform "Outriders", zu Deutsch 'Vorreiter', gestartet hat. Der 32-Jährige hat es sich zum Ziel gesetzt, verstärkt aus dem Ausland zu berichten. Der Grund:
    "Wenn man keine Reporter vor Ort hat, dann ist es leichter, die Gesellschaft zu manipulieren, weil es niemanden gibt, der die Fakten einordnet und verifiziert. Stattdessen treten Politiker auf den Plan, die Ängste schüren."
    Vor einem halben Jahr hat das Projekt über Crowdfunding rund 25.000 Euro als Anschubfinanzierung eingenommen. Seitdem klettern die Unterstützerzahlen kontinuierlich nach oben. Seiner Meinung nach gab es nie eine bessere Zeit für Innovationen im Journalismus. So sieht das auch Medienwissenschaftler Michal Glowacki von der Universität Warschau.
    "Ich drücke Initiativen wie 'Outriders' die Daumen. Ich sehe sie als frische, neue Bewegung, die das Potenzial hat, einen Wandel herbeizuführen."
    Die Medien-Startups wollen der zunehmenden Polarisierung mit möglichst objektiver Berichterstattung entgegenwirken. Das und der verstärkte Dialog mit dem Publikum sind wohl dafür verantwortlich, dass sie immer mehr Unterstützer finden und damit mittelfristig tatsächlich zu einem echten Medienwandel beitragen können.