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Journalisten und ihre Kommunikation
Bequemlichkeit oder Sicherheit?

Geheimdienste spähen nicht nur Kriminelle aus, auch Journalisten sind in ihrem Visier - das machte Edward Snowden vor gut vier Jahren öffentlich. Viele Medienmacher haben aus den Enthüllungen gelernt und setzen auf verschlüsselte Kommunikation. Aber längst nicht alle.

Von Daniel Bouhs | 04.10.2017
    Im Grünen steht auf einem Holzpfahl ein Notebook, auf dem ein Smartphone liegt.
    Verschlüsselte Kommunikation setzt sich auch im Post-Snowden-Zeitalter nur zögerlich durch. (Imago / Photothek)
    Wenn es um Verschlüsselung geht, ist Holger Stark so etwas wie ein Intensivtäter. Schon seit den 90er-Jahren – Edward Snowden besuchte noch die High-School – hat der Journalist begonnen, E-Mails zu verschlüsseln. Heute hat er auf seinem Laptop einen Daten-Tresor eingerichtet. Und zum Chatten setzt er am liebsten auf "Jabber" – eine Technik, die Textnachrichten hochgradig verschlüsselt transportiert.
    Das kostet viel Zeit und Energie und bremst den Rechercheur bisweilen auch aus, denn: Nicht jedes Gerät wird seinen hohen Sicherheitsbedürfnissen gerecht. "Sich mit dem Technik-Kram auseinanderzusetzen, ist total mühselig, total lästig und total notwendig. Es führt aus meiner Sicht wirklich kein Weg daran vorbei, auch wenn es natürlich so ist, dass wenn man auf Dienstreise ist und eine verschlüsselte Mail erreicht, dann die auf dem iPhone nicht öffnen kann", sagt Stark. Er hat lange für den "Spiegel" recherchiert: die Depeschen der US-Botschaften ausgewertet und Geheimdienste kontrolliert. Seit diesem Frühjahr leitet er das Investigativ-Ressort der "Zeit".
    Holger Stark, früher "Spiegel", heute Leiter des Investigativ-Ressorts der "Zeit".
    Holger Stark, früher "Spiegel", heute Leiter des Investigativ-Ressorts der "Zeit". (Imago / Schmidhuber)
    Stark erzählt, Snowden habe bei vielen Kollegen zum Umdenken geführt: Sicherheit schlage nun häufiger Bequemlichkeit – und nicht mehr Bequemlichkeit die Sicherheit. Verschlüsselte Kommunikation sei vor allem nötig, um Informanten zu schützen – etwa vor Regierungen, die Lecks suchen. So, wie schon in analogen Zeiten: "Ich erinnere mich noch daran, dass ich über viele Jahre, wenn uns Leute etwas gefaxt haben und es waren vertrauliche Dokumente, in den 'Spiegel' hinein, dann als erste Maßnahme oben die Faxkennung abgeschnitten habe, um die Papiere zu säubern. Warum sollten wir nicht genau diese Vorsichtsmaßnahmen in der digitalen Welt, in der Spionage und Überwachung noch viel gängiger ist, die gleichen Vorsichtsmaßnahmen walten lassen?"
    IT-Abteilungen rüsten nur langsam nach
    Tatsächlich schulen sich Journalisten in Investigativ-Ressorts seit Jahren darin. Allein: Nicht immer ziehen die IT-Abteilungen der Medien mit – vor allem in großen Häusern. Für diesen Beitrag sagten etwa gleich mehrere Investigativ-Journalisten öffentlich-rechtlicher Sender ab: Die IT rüste nur langsam die eigene Technik nach, sei aber inzwischen redlich bemüht – da wolle man nicht offen Kritik üben. Auch beim "Spiegel" hat es Jahre gedauert, entsprechende Standards durchzusetzen.
    Außerdem: In Redaktionen, die gar nicht oder nur selten investigativ arbeiten, setzt sich Verschlüsselung auch im Post-Snowden-Zeitalter nur zögerlich durch. Auf der Tagung "Besser Online" des Deutschen Journalistenverbandes äußern sich Kollegen dazu offen, etwa Mario Geisenhanslüke. Er baut in Regensburg bei der "Mittelbayerischen Zeitung" die digitalen Aktivitäten aus und berichtet, dass seine IT immerhin einige Dienste in der Datenwolke wie Dropbox und Google Docs sperre: "Es ist deutlich umständlicher. Ich würde auch viele Dinge gerne tun mit unseren Systemen, wo die IT sagt: 'Nö, das geht halt nicht.' Aber es ist jetzt nicht so, dass wir jetzt schon einen Workflow hätten für Umgang mit sensiblen Quellen, dass dann über bestimmte Verschlüsselungstools Mails dann nur so rausgehen oder so."
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Edward Snowden, hier zu sehen am 18.03.2015 in Hannover während einer Videoliveschalte. Der US-amerikanischer Whistleblower sitzt im russischen Exil fest. (picture-alliance / dpa / Ole Spata)
    Rückläufiger Trend?
    Auch Konrad Weber vom Schweizer Fernsehen kennt nur wenige Kollegen, die beim Mailen, Chatten und Austauschen von Dateien auf maximale Sicherheit setzen – und wenn, dann nur, wenn sie bereits mitten in einer heiklen Recherche stecken: "Und genau das ist vielleicht auch die Krux, weil viele das Gefühl haben, dass sie es nur dann anwenden müssen, wenn sie tatsächlich zu was Investigativem unterwegs sind, und es ja eigentlich im Alltag eine Rolle spielen sollte."
    Johannes Meyer, der frei für aktuelle Redaktionen der ARD arbeitet, beobachtet sogar einen rückläufigen Trend: "Snowden hat – glaube ich – für kurze Zeit die ganze Szene ein bisschen aufgewühlt. Aber ich glaube, die ganz große Welle sich mit Verschlüsselung beispielsweise über E-Mails oder ähnlichen Sachen zu beschäftigen, hat nachgelassen. Journalisten müssen sich da auf jeden Fall mehr mit beschäftigen."
    Auch im Jahr vier nach Edward Snowdens Enthüllungen also: weiter Nachholbedarf bei verschlüsselter Kommunikation von und mit Journalisten. Letztlich kommt auch "Zeit"-Investigativchef Holger Stark zu diesem eher ernüchternden Befund: "Es ist bis heute so, dass in den Bereichen, in denen richtig investigativ gearbeitet wird, die Kollegen das als Selbstverständlichkeit betrachten. Aber in anderen Bereichen, in anderen Redaktionen – also je weiter es weg ist von sensibler Ware, von sensiblen Informationen, umso schwieriger ist es bis heute, Journalisten davon zu überzeugen, ihre Kommunikation und auch die Kommunikation ihrer Informanten zu schützen."