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JU-Chef Paul Ziemiak
"Diese Regierung muss im Amt bleiben"

Der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak hat sich klar für das CDU/CSU-Bündnis ausgesprochen. Eine Trennung der Schwesterparteien bezeichnete er als "unvorstellbaren Vorgang". Mit Blick auf die Kritik an der Kanzlerin sagte er im Dlf, es sei immer um Sachfragen und nie um Personen gegangen.

Paul Ziemiak im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 25.06.2018
    Das Foto zeigt den CDU-Politiker Paul Ziemiak auf dem Bundesparteitag im Februar 2018.
    Das Foto zeigt den CDU-Politiker Paul Ziemiak auf dem Bundesparteitag im Februar 2018. (imago / Stefan Zeitz)
    Jörg Münchenberg: Schon im Vorfeld hatte die Bundeskanzlerin die Erwartungen an das gestrige Sondertreffen von 16 EU-Ländern, aber auch an den bevorstehenden regulären EU-Gipfel Ende der Woche gedämpft. Es geht um Absprachen einerseits, die illegale Migration nach Europa zu verhindern, und gleichzeitig das Weiterwandern von Flüchtlingen nach Deutschland zu begrenzen. Und nebenbei geht es dann auch noch um das politische Überleben der Bundeskanzlerin. Beschlossen wurde da gestern in Brüssel nichts.
    Zugehört hat der Vorsitzende der Jungen Union, der Nachwuchsorganisation von CDU und CSU, Paul Ziemiak. Herr Ziemiak, einen schönen guten Morgen!
    Paul Ziemiak: Guten Morgen, Herr Münchenberg.
    Münchenberg: Herr Ziemiak, wie bewerten Sie denn den gestrigen informellen Gipfel? Hat das irgendwie in der Sache weitergeführt?
    Ziemiak: Zumindest hat man sich getroffen, und das erstaunlich viele Länder. Ich hoffe, dass da jetzt am Wochenende etwas bei herumkommt. Aber keiner hat wirklich erwartet, dass wir jetzt an diesem gestrigen Tag schon ganz konkrete Ergebnisse haben.
    "Einfach mal die Temperatur etwas runterfahren"
    Münchenberg: Nun gab es ja am Wochenende – wir haben gerade mit unserer Korrespondentin darüber gesprochen – weitere Angriffe gegen die Kanzlerin. Ist die CSU Ihrer Einschätzung nach an einer Einigung mit der CDU überhaupt noch interessiert?
    Ziemiak: Ich kenne ja die meisten Protagonisten und ich kann sagen, in der CDU und CSU arbeiten wir alle sehr eng zusammen. Wir haben eine Jugendorganisation, die Junge Union. Ich weiß, in der CSU hat keiner ein Interesse, diese Fraktionsgemeinschaft aufs Spiel zu setzen. Das ist in der CDU genauso. Wir müssen, glaube ich, einfach mal die Temperatur etwas runterfahren und über die Sache diskutieren.
    Münchenberg: Aber gerade aus der CSU hat man im Augenblick nicht den Eindruck, dass da versucht wird, die Temperatur herunterzufahren. Dieses berühmte Zitat, wo Seehofer gesagt haben soll, ich kann mit der Frau nicht mehr arbeiten, da kann man ja nicht sagen, da wird Temperatur heruntergekühlt.
    Ziemiak: Ich habe mich - mehr wahrscheinlich noch als andere - unglaublich geärgert über jede einzelne Äußerung, egal aus welcher Richtung sie kam. Wir tun uns selbst damit keinen Gefallen. Diese Fraktionsgemeinschaft, auch diese Union von CDU und CSU, das war das, was nicht nur uns als Parteien stark gemacht hat in den letzten 70 Jahren, sondern auch dieses Land. Die Menschen erwarten, dass wir vernünftige Politik machen. Das haben wir gezeigt in vielen Ländern, insbesondere in Bayern, aber auch im Bund, und deswegen müssen wir das unbedingt erhalten.
    Unterschiedliche Positionen innerhalb der Jungen Union
    Münchenberg: Nun vertreten Sie sozusagen CDU und CSU, zumindest was den Nachwuchsbereich angeht. Haben Sie das auch mal Ihren CSU-Kollegen gesagt?
    Ziemiak: Wir sind ja alle in regem Austausch. Wir haben auch innerhalb der Jungen Union unterschiedliche Positionen. Die Junge Union Bayern ist da inhaltlich klar aufgestellt. Insofern: Ich kann für die Junge Union sprechen und sagen, wir diskutieren sehr intensiv in der Sache, aber wir gehen gut miteinander um.
    Münchenberg: Das heißt, die CSU innerhalb der Jungen Union will auch weiterhin an der Bundeskanzlerin festhalten und ist zu Kompromissen bereit?
    Ziemiak: Es ging in keinem dieser Gespräche um Personen, sondern es ging um Sachfragen. Es geht doch um die Frage, wie wir illegale Migration bekämpfen. Dass Menschen in unterschiedlichen Ländern Asylanträge stellen, diese in unterschiedlichen Ländern gleichzeitig bearbeitet werden, das ist doch kein Zustand, den sich irgendjemand wünscht. Deshalb geht es um die Frage, wie können wir eigentlich dieses Problem lösen, und da geht es um die Folgen für die anderen europäischen Staaten, was passiert eigentlich, wenn wir Menschen zurückweisen, und all die Dinge muss man doch bewerten.
    "Am liebsten eine europäische Lösung"
    Münchenberg: Wo steht denn die Junge Union, Herr Ziemiak, wenn es um die Forderung der CSU geht, dass man Flüchtlinge an der Grenze auch zurückweisen können soll?
    Ziemiak: Die Stimmungslage in der Jungen Union ist so, dass wir genauso sehen, dass dieses Problem angegangen werden muss, dass wir auf Dauer dazu kommen müssen, dass wir am liebsten eine europäische Lösung haben. Die Kanzlerin hat um zwei Wochen mehr Zeit gebeten und ich finde, es gibt keinen Grund, daran jetzt zu rütteln. Wir werden nächste Woche Sonntagabend zusammenkommen im CDU-Bundesvorstand und über die Dinge und auch über die Ergebnisse beraten, genauso wie das die CSU tun wird, und dann werden wir sehen, was bis dahin passiert ist, welche Vereinbarungen getroffen oder in Aussicht gestellt wurden, und es macht jetzt keinen Sinn, an diesem heutigen Morgen schon alle Szenarien durchzuspielen, sondern die Kanzlerin verhandelt gerade und dann werden wir die Ergebnisse bewerten.
    !!Münchenberg:! Aber, Herr Ziemiak, es liegt ja eine klare Forderung der CSU auf dem Tisch, und die lautet ganz einfach, die CSU will Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen können und hat das ja auch vor. Deswegen noch mal die Frage: Wie steht die Junge Union zu dieser Position?
    Ziemiak: Die CSU hat aber auch klar gesagt, in der bekannten Pressekonferenz, dass man jetzt erst mal die Ergebnisse der Gespräche im Rahmen oder am Rande des europäischen Gipfels abwartet, und deswegen sage ich Ihnen, lassen Sie uns warten. Es macht keinen Sinn, jetzt alle Szenarien durchzuspielen, sondern abzuwarten, was am Ende dabei herumkommt. Ich weiß es nicht. Und dann werden wir das neu bewerten.
    Lösung mit einzelnen EU-Staaten realistisch
    Münchenberg: Nun ist trotzdem absehbar – das hat ja das gestrige Treffen auch schon gezeigt -, dass es keinen Kompromiss geben wird. Die Bundeskanzlerin hat ja nicht umsonst die Erwartungen gedämpft für das gestrige Treffen, aber auch den EU-Gipfel Donnerstag und Freitag. Von der Seite ist doch mit einer Entspannung nicht zu rechnen.
    Ziemiak: Ich kann mir jetzt noch nicht vorstellen, wie eine Lösung mit allen europäischen Staaten aussehen soll. Ich kann mir aber schon vorstellen, dass es doch einen Rahmen von Möglichkeiten gibt, das mit einzelnen Staaten zu tun. Deswegen bin ich nach wie vor – ich muss mich leider wiederholen, aber lassen Sie uns bitte abwarten und die Dinge Ende der Woche, Anfang kommender Woche neu bewerten in der Frage, dass wir dieses Problem, dass Menschen nach Europa kommen, in einem Land einen Asylantrag stellen und dann weiterreisen und dann auch in Deutschland Asyl begehren, dass wir diesen Zustand unterbinden. Aber wir diskutieren auch über die Konsequenzen, die es hätte, wenn man Menschen zurückweist.
    Münchenberg: Aber, Herr Ziemiak, aus Italien kommen ja ganz klare Signale. Die neue italienische Regierung sagt, wir werden keine Flüchtlinge zurücknehmen. Also ist doch schon mal dieser Weg in jedem Fall verschlossen.
    Ziemiak: Die Lage ist ja nicht umsonst schwierig, weil die Sachfrage so kompliziert ist. Ich sage Ihnen, wir müssen im Gespräch bleiben. Dass so viele Länder auch teilgenommen haben gestern an den Gesprächen, ist doch erst mal ein gutes Zeichen. Und wenn am Ende es gar keine Lösung gäbe, dann werden wir auch darüber sprechen, was dann die deutsche Position ist, auch die Position von CDU und CSU. Sie sehen ja, es gibt von der SPD, auch von den Grünen gibt es ja keinen einzigen Vorschlag in der Sache. Da zählen die Menschen zurecht auf CDU und CSU.
    "Niemand will die Fraktionsgemeinschaft aufs Spiel setzen"
    Münchenberg: Herr Ziemiak, Sie sitzen ja der Jugendorganisation von CDU und CSU vor. Falls jetzt die Schwestern sich trennen, das Band zwischen sich zerschneiden, wäre das doch auch das Ende der Jungen Union.
    Ziemiak: Dieses Szenario wäre nicht nur für die Parteien ein unvorstellbarer Vorgang, sondern auch für dieses Land. Ich sage Ihnen, am Ende wissen wir alle, was wir aneinander haben. Die Menschen erwarten das, dass wir zusammen bleiben. Insofern mache ich mir darum tatsächlich keine Sorgen.
    Münchenberg: Das heißt, Ihre Prognose jetzt für diese politisch doch sehr spannend Woche: Wir haben auch in der kommenden Woche noch eine Regierung und CDU und CSU bleiben zusammen?
    Ziemiak: So ist es! Wir haben Verantwortung für dieses Land. Diese Regierung muss weiter im Amt bleiben, weil wir genau die richtigen Ideen jetzt auch haben. Es geht ja nicht nur um Migration, sondern viele andere Themen, die die Menschen bewegen. Wir haben jetzt gerade eine intensive Diskussion über das Baukindergeld, die Frage, wie wir beim Thema der Digitalisierung vorwärts kommen. Und noch mal: Keiner, weder CDU noch CSU haben ein Interesse, diese Fraktionsgemeinschaft aufs Spiel zu setzen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.