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JU-Vorsitzender Ziemiak
Prominente Hilfe für den Merkel-Kritiker

Der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, ist ein Mann der klaren Worte. Er profiliert sich immer wieder als Kritiker der Bundesregierung. Ab Herbst 2017 will er selbst als Mitglied des Bundestages aktiver Politik gestalten - und bekommt dabei schon jetzt für den Wahlkampf prominente Unterstützung: vom österreichischen Außenminister.

Von Moritz Küpper | 18.08.2016
    Der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak.
    Der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, will ab Herbst 2017 im Bundestag sitzen. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Und plötzlich steht er da:
    "So, der Landrat." - "Grüß Gott."
    Die zurückgekämmten Haare, eng geschnittener dunkelblauer Anzug, schmale, schwarze Schuhe. Gestatten: Sebastian Kurz, seines Zeichens jüngster Außenminister der Welt, aus Österreich, steht in der nordrhein-westfälischen Provinz. Arnsberg im Sauerland, knapp 75.000 Einwohner – und hört den örtlichen Landrat über den Urlaub in Österreich schwärmen.
    "Ich habe letzte Woche Ihr Land durchfahren – von Passau nach Wien." - "Wirklich? Und war es gut?"
    Kameras klicken, die Mikrofone werden gereckt. Während weltweit die Konflikte schwellen, während Deutschland sich erneut eine verbale Auseinandersetzung mit der Türkei liefert und der Russland-Ukraine-Konflikt schwelt, ist Österreichs Außenminister in der Provinz – und redet doch über die Weltlage.
    "Auf der anderen Seite, wie gehen wir damit um, wenn es negative Entwicklungen in der Türkei gibt?"
    Schräg hinter ihm steht, stolz grinsend und ebenfalls im engen dunkelblauen Anzug und schmalen schwarzen Schuhen, der Grund für Kurz-Stippvisite: Paul Ziemiak. Seines Zeichens Chef der Jungen Union, der Jugendorganisation der CDU. Er ist im Sauerland zuhause, hat hier seine Machtbasis – und will, bei der nächsten Bundestagswahl, den Wahlkreis Herne-Bochum II, gut 40 Kilometer entfernt, für die CDU gewinnen. Und obwohl an diesem Nachmittag der Außenminister Österreichs im Mittelpunkt steht, ist es doch sein Tag – und damit eine gute Gelegenheit zu sehen, wofür Ziemiak steht und was ihn ausmacht.
    "Ich freue mich sehr, da sein zu dürfen, bei unserer Schwesterorganisation."
    Kurz steht jetzt im Auditorium der Trilux GmbH und Co. KG, einem weltweit tätigen Leuchtmittel-Hersteller. Gut 150 Menschen sind zugekommen. Und obwohl viele Junge unter ihnen sind, dominieren doch Sakko und Hemd: "Wirtschaftssymposium der Jungen Union NRW in Südwestfalen", heißt die Veranstaltung. Gründer vor einigen Jahren: natürlich Paul Ziemiak. Und der Außenminister, ein Jahr jünger als Ziemiak, findet als Vorsitzender der Jungen ÖVP, der Schwester-Organisation JU, lobende Worte:
    Eine Botschaft, die ankommt
    "Wir haben einen regen Austausch, Gott sei Dank. Und wir haben insbesondere einen ganz intensiven Austausch, seitdem du Paul, die Führung übernommen hast. Wir sind ganz beeindruckt, wie du die Organisation führst, wie gut ihr aufgestellt seid und ich darf jetzt schon alles, alles Gute wünschen für die Kandidatur zum Bundestag. Dort gehörst du hin. Ich hoffe, wir können dich ein Stück weit dabei unterstützen."
    Die Botschaft kommt an, das Bündnis der Jungen funktioniert. Nach dem Applaus spricht Kurz – eloquent, fast spielerisch – über die Weltlage, die Situation in der EU. Doch sein Hauptziel ist es, Ziemiak zu unterstützen. Und dieser lässt sich eine solche Gelegenheit natürlich nicht entgehen, wie die anschließende Talkrunde zum Thema Europa zeigt. Er sei für offene Grenzen, aber auch für eine kontrollierte Zuwanderung, so Ziemiak. Sein Rezept:
    "Einfach mal die Dinge so benennen, wie es ist. Und, ich glaube, das Sauerland ist dafür auch der richtige Rückzugsort. Ich darf das mal sagen: Ich bin froh, dass du hier bist. Und ich bin auch ein Stück weit stolz, ich sehe hier auch Bürgermeister, Landräte aus Soest, Bürgermeister aus Schwerte und viele andere bekannte Gesichter."
    Zwischen Sauerland und Weltpolitik
    Paul Ziemiak (l.), Bundesvorsitzender der Jungen Union Deutschlands, sitzt zusammen mit dem österreichischen Außenminister Sebastian Kurz auf einer Bierbank bei einer Wahlveranstaltung in Arnsberg im Sauerland  
    Paul Ziemiak (l.), Bundesvorsitzender der Jungen Union Deutschlands, zusammen mit dem österreichischen Außenminister Sebastian Kurz (Deutschlandradio / Moritz Küpper)
    Das ist Paul Ziemiak: Den Außenminister duzen – und gleichzeitig den Bürgermeister aus Schwerte hervorheben. Heimatverbunden, und doch in der Welt zuhause. Die Botschaft: Ich kann auf allen Ebenen. Nähe herstellen, Netzwerke aufbauen und pflegen – und eine klare Sprache. Wie eben Kurz:
    "Politik anders machen, was heißt's? Natürlich ist es schon einmal viel von dem, was der Paul gesagt hat. Dass man die Dinge, die man für richtig erachtet, tut. Die Dinge, die man für richtig hält, auch ausspricht."
    Wer diesen halben Tag mit Ziemiak und Kurz verbringt, kommt an den Parallelen nicht vorbei: Vom Alter, optisch, aber auch vom Politik-Stil her – und dazu gehört natürlich auch die Fahrt in den Wahlkreis. Denn: Da in Ziemiaks Heimat nichts frei war, tritt er nun im Ruhrgebiet an.
    Eine neue Welt
    Eine neue Welt, das kennt er: Als Kleinkind zog er mit den Eltern aus Stettin nach Iserlohn, den JU-Vorsitz errang er in einer Kampfabstimmung gegen den Sohn des ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments. Es war die erste Kampfabstimmung seit mehr als 40 Jahren. Und nun, beim ersten offiziellen Auftritt in seinem neuen Wahlkreis, den Außenminister mitzubringen, ist sicherlich nicht die schlechteste Visitenkarte
    "Grüß Gott."
    Gut Mausbeck in Bochum. Die Sonne scheint, gut 200 Menschen sitzen auf Bierbänken auf der Wiese. Die ersten sind bereits von mehr als drei Stunden gekommen. Eigentlich ist es hier ein aussichtsloser Kampf. Seine SPD-Widersacherin, Michelle Müntefering, die Frau des ehemaligen SPD-Vorsitzenden, lag bei der letzten Wahl fast 20 Prozentpunkte vor der CDU – trotz eines schlechten SPD-Trends. Ziemiaks Konzept:
    "Es geht ja nur über den zwischenmenschlichen Kontakt. Mir ist es tatsächlich sehr, sehr wichtig, weil ich glaube, nur wenn man sich persönlich kennt, dann hat man auch ein gewisses Vertrauen zueinander, und das muss ich mir hier erarbeiten, aber das will ich auch."
    Erfolgreiches Netzwerken
    Doch Ziemiak wäre nicht Ziemiak, wäre er nicht auf der Landesliste abgesichert. Sein Einzug in den Bundestag gilt also als sicher – dem Netzwerk sei Dank. Doch wer mit Menschen in der nordrhein-westfälischen CDU redet, hört durchaus auch Sorge heraus: Der Paul sei ein unglaublich talentierter Politiker, heißt es da, aber: Er setze nur auf die Politik. Das mache abhängig. Nach dem Abbruch eines Jura-Studiums studiert Ziemiak nun Unternehmenskommunikation in Iserlohn, arbeitet für eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Sein Ziel ist der Bundestag. Und auch sein Freund Kurz springt ihm auch in dieser Frage geschickt bei:
    "Aus meiner Sicht ist es gut, wenn in der Politik alle Gruppen der Bevölkerung abgebildet sind. Ältere genauso wie Jüngere, Frauen genauso wie Männer. Und wenn man sich die Situation bei uns in Österreich anschaut, dann gibt es hier definitiv etwas zu wenig Frauen und etwas zu wenig Junge. Und wenn es mehr Junge und mehr Frauen in der Politik gibt, dann ist das sicher gut",
    sagt's und dreht s um. Einige Minuten verbleiben noch, die wollen genutzt werden:
    "Sollen wir ein Foto gemeinsam machen." - "Gerne."
    "So, mit welchen Apparat?"
    Ein Vorbild für ihn sei der Außenminister nicht, sagt Ziemiak doch: Wahlkampf, das zeigt sich immer wieder, kann der junge Österreicher. Beim abschließenden kurzen Video für die Social-Media-Kanäle, will er es knapper. Letztendlich gibt es drei Versuche. Und als Ziemiak seinen Gast zum Flughafen begleiten will, lehnt Kurz entschieden ab: Er solle im Wahlkreis bleiben, meint er – bei den Wählern.