Donnerstag, 25. April 2024

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Brinkhaus (CDU)
"Wir können beim Klimaschutz nicht auf europäische Lösung warten"

Die Diskussion um den Klimaschutz drehe sich in Deutschland derzeit sehr stark um das Thema CO2-Bepreisung, kritisierte Ralph Brinkhaus nach dem Koalitionsausschuss im Dlf. Dabei gelte es, auch in anderen Bereichen zu handeln – und eine nationale Lösung zum Klimaschutz voranzubringen.

Ralph Brinkhaus im Gespräch mit Silvia Engels | 03.09.2019
26.09.2018, Berlin: Ralph Brinkhaus (CDU), Fraktionsvorsitzender, trifft zu einer Veranstaltung "Heimat mit Zukunft"- für starke ländliche Regionen" im Sitzungssaal der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag ein.
Ralph Brinkhaus (CDU), Fraktionsvorsitzender der Union (dpa / picture alliance / Fabian Sommer)
Silvia Engels: Gestern Abend Koalitionsausschuss-Sitzung in Berlin. Kurz nach den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen vom Sonntag, da setzten sich die Partei- und Fraktionsspitzen von CDU, CSU und SPD mit Bundeskanzlerin Merkel zusammen. Mit dabei war Ralph Brinkhaus, Chef der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Brinkhaus!
Ralph Brinkhaus: Ja, guten Morgen!
Engels: CDU und SPD haben ja bei den Wahlen, die wir am Sonntag erlebt haben, in jeweils einem Bundesland ordentlich verloren und im jeweils anderen Land die Stellung als stärkste Kraft zumindest behauptet. War das Treffen gestern eine Art wechselseitiges Wundenlecken?
Brinkhaus: Nein, es war kein Wundenlecken, sondern es war ein Arbeitstreffen, weil wir ja viel zu tun haben im Bereich Klimaschutz. Wir haben uns vereinbart, dass wir unterwegs immer wieder sprechen, diskutieren und nach den besten Lösungen suchen werden, und dazu war das gestrige Treffen da. Das heißt, die Wahlen, die haben da überhaupt keine Rolle gespielt.
Engels: Am 20. September wollen Sie zumindest zum Thema Klimaschutz die Eckdaten ziemlich ordentlich sortiert haben. Finanzminister Olaf Scholz verlangt beim Klimaschutz "einen großen Wurf". Ahnen Sie schon, wie der aussieht?
Brinkhaus: Wir haben unsere Vorstellungen, aber wie gesagt, wir sprechen da noch drüber. Das ist auch ganz, ganz wichtig, weil es durchaus ja ein tiefgreifendes Vorhaben ist, was sehr, sehr komplex ist, und deswegen will da alles auch sehr, sehr gut bedacht sein. Deswegen auch dieser sehr aufwendige Prozess im Vorfeld.
Engels: Im Zentrum steht ja die Frage, wie man den Ausstoß von klimaschädlichem CO2 mit einem Preis belegt, damit weniger CO2 im die Umwelt gelangt. Und das beschäftigt ja auch die Union intern schon länger. Die einen wollen das über einen besseren Zertifikatehandel regeln, die Verschmutzungsrechte sollen auf diesem Weg reguliert werden. Die anderen folgen durchaus der SPD bei einer CO2-Steuer. Was sagen Sie?
Preise müssen Umweltkosten beinhalten
Brinkhaus: Na ja, Bepreisung ist ein Element. Das ist auch ein wichtiges Element und es geht darum, was am besten wirkt und was auch am besten langfristig wirkt. Auf der anderen Seite geht es natürlich auch um Maßnahmen. Das heißt, die Diskussion wird momentan sehr stark an den Preisen festgemacht. Aber wir müssen natürlich auch Maßnahmen auf den Weg bringen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir wollen, dass die Leute mehr mit öffentlichem Nahverkehr fahren. Dann muss auch der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden. Insofern ist das ein ganz großes Paket und wir reden bei weitem nicht nur über die Bepreisung.
Engels: Die DPA zitiert aus einem internen CDU-Papier. Danach sei vorgesehen ein Mix aus höherer Bepreisung von CO2 und Zertifikatehandel. Gibt es am Ende beides?
Brinkhaus: Wie gesagt, wir sind da in guten Gesprächen auch mit unserem Koalitionspartner. Wir wollen eine marktgerechte Lösung haben, weil wir ja das Problem haben, dass Preise momentan nicht die Wahrheit sagen. Was heißt das? – Das heißt, ich zahle für etwas, was CO2 ausstößt, einen Preis, aber dieser Preis beinhaltet nicht die Umweltkosten, die dadurch entstehen. Deswegen müssen wir das System ändern. Preise müssen die Wahrheit sagen und das sollte möglichst marktgerecht sein.
Engels: Marktgerecht ist das eine. Der unternehmerfreundliche Wirtschaftsrat der CDU verlangt aber auch beim Zertifikatehandel vor allen Dingen, dass man das europäisch abstimmt. Dauert das alles nicht viel zu lange, wenn die Wähler Ihnen mit diesem Thema immer wiederkommen?
Nationale Lösung als erster Schritt
Brinkhaus: Ja, natürlich ist es besser, wenn wir das europäisch machen. Das machen wir ja in vielen Bereichen auch schon bei der Bepreisung, zum Beispiel in der Industrie, aber nicht bei der Mobilität und auch nicht bei dem Bereich Wohnen und Wärme. Wir werden nicht warten können, bis wir da eine europäische Lösung haben, und deswegen arbeiten viele europäische Länder, zum Beispiel auch die Niederlande, aber auch andere, in einem ersten Schritt an nationalen Lösungen, die wir dann in ein europäisches System überführen möchten.
Engels: Das heißt, nationale Lösungen wird es auch in Deutschland dazu geben?
Brinkhaus: Ja, natürlich! Wir werden in Deutschland schon was auch eigenständig machen. Wir werden jetzt nicht fünf oder sechs Jahre darauf warten, dass was in Europa passiert. Das können wir uns nicht leisten, weil wir nämlich die Ziele 2020, die wir uns übrigens selbst gesetzt haben, übrigens auch als Union selbst gesetzt haben - es wird ja immer gesagt, dass das irgendwas ist, was von den Grünen kommt. Nein, Angela Merkel hat diese Ziele auf internationaler Ebene vereinbart, und diese Ziele werden wir 2020 nicht erreichen. Wir wollen da ganz schnell wieder auf den richtigen Pfad zurück und da werden wir nicht warten können, bis wir eine gesamteuropäische Lösung haben.
Engels: Dann muss auch der Mobilitäts- und Verkehrssektor mitspielen. Sie haben es schon angedeutet. In früheren Runden zum Thema Klima wollte ja besonders CSU-Verkehrsminister Scheuer immer vor allen Dingen auf Innovation und Anreize setzen, den Autoverkehr nicht zu sehr regulieren. Bleibt das die Linie der Union, oder werden auch Autofahrer künftig stärker zur Kasse gebeten für den Umweltschutz?
Brinkhaus: Na ja. Sie sprechen da ein sehr, sehr richtiges und wichtiges Thema an, nämlich Innovation. Ich denke mal, wir haben da als Hochtechnologiestandort in Deutschland mit einer starken Industrie noch einiges Potenzial nach oben, und deswegen ist es richtig, wenn auch Andi Scheuer sagt, wir reden immer nur über Preise, wir reden immer nur über Belastungen, wir müssen auch darüber reden, wie wir das technologisch hinkriegen. Wir haben ja auch einige Leute, die haben überhaupt nicht die Möglichkeit, entsprechend auszuweichen. Was machen Sie, wenn Sie im ländlichen Raum wohnen, wenn Sie pendeln. Da werden Sie wahrscheinlich nicht die Möglichkeit haben, irgendwo in die nächste S-Bahn einzusteigen. Also muss auch Individualverkehr weiter möglich bleiben.
Kosten der Energiewende nicht auf Pendler abwälzen
Engels: Möglich sein. Aber wird der Autofahrer stärker auch mit höheren Preisen zu rechnen haben laut Union?
Brinkhaus: Der Autofahrer, der soll ermuntert werden, dass er möglichst umweltfreundlich entsprechend zur Arbeit fährt. Aber was auch richtig ist: Wir wollen die ganze Sache so gestalten, dass sie auch sozial ausgewogen ist. Es kann nicht sein, dass wir jetzt die Kosten der Energiewende einzig alleine auf den Pendler zum Beispiel im ländlichen Raum abwälzen. Deswegen muss man da über Kompensationsmöglichkeiten auch entsprechend nachdenken. Weil wir möchten diese Energiewende zusammen mit den Menschen organisieren und wir möchten nicht, dass hinterher Verlierer dabei herauskommen.
Engels: Beim Thema CO2 steht auch der Flugmarkt ja unter genauer Beobachtung. Vor kurzem hatte ja CSU-Landesgruppenchef Dobrindt den Vorstoß gemacht, Billigflug-Tickets mit einer Abgabe zu belegen, zu besteuern. Ist das vom Tisch oder bleibt es dabei?
Brinkhaus: Wir hatten uns gestern vereinbart, dass wir alles prüfen. Da sind teilweise auch noch Hausaufgaben gegeben worden, wo die einzelnen Ministerien dann entsprechend noch mal nachuntersuchen müssen. Wenn wir dann ein Ergebnis haben - und das wird spätestens am 20. der Fall sein -, dann werden wir auch entsprechend das Gesamtpaket zur Abstimmung stellen, und das ist im Übrigen auch ganz wichtig. Die Bundesregierung, die kann ja jetzt ein Paket auch durchaus verkünden, aber das Ganze muss ja in Gesetze umgesetzt werden, das muss durch das Parlament.
"Niemand ist gezwungen, für 15 Euro nach Mallorca zu fliegen"
Engels: Laut Klimapapier der CDU-Spitze, aus dem DPA zitiert, heißt es da aber auch, unter anderem wird eine Erhöhung der Ticket-Abgabe gefordert, um den CO2-Ausstoß im Flugverkehr abzubilden. Das heißt, ist es doch Commonsense, Fliegen teurer zu machen?
Brinkhaus: Es ist ja nicht nur eine Frage, dass wir jetzt irgendwo Ticket-Preise erhöhen, sondern es ist natürlich auch eine Frage der Eigenverantwortung. Darauf möchte ich auch mal hinweisen. Es ist ja niemand gezwungen, für 15 Euro nach Mallorca zu fliegen, wenn er ein entsprechendes Ticket hat, sondern es gilt auch das Prinzip Eigenverantwortung.
Engels: Eigenverantwortung schön und gut, aber wenn man nicht reguliert, dann ist das vielleicht einfach zu viel verlangt, dass jetzt automatisch ein Verbraucher das Bewusstsein entwickelt, mehr zu zahlen.
Brinkhaus: Ich glaube schon daran, dass die Menschen in diesem Land sehr genau wissen, dass wir uns auch bezüglich unseres ökologischen Fußabdrucks umstellen müssen und dass schon darüber diskutiert wird. Das erlebe ich auch in vielen Gesprächen, was kann ich denn persönlich jetzt machen. Aber wie gesagt, wir haben ein ganzes Bündel von Vorschlägen. Wir werden jetzt noch eine Klausurtagung unseres Fraktionsvorstandes haben. Die SPD wird noch zusammensitzen. Wir haben heute ein Werkstattgespräch bei uns in der CDU-Parteizentrale, wo viele Leute zusammensitzen werden. Insofern wird da in den nächsten Wochen noch sehr viel Bewegung sein.
Engels: Aber gibt es nun eine Steuer auf billige Flugtickets, ja oder nein?
Brinkhaus: Na ja. Ich meine, Sie hatten ja gleich am Anfang Ihrer Einleitung gesagt, dass wir uns gestern zusammengesetzt haben und dass wir über viele Dinge gesprochen haben und dass wir vereinbart haben, diese Gespräche entsprechend weiterzuführen und keine Zwischenergebnisse zu geben. Und wir sind da im Diskussionsprozess.
Grundrente nur mit einer Bedürftigkeitsprüfung
Engels: Okay! Dann machen wir da einen Punkt. - Es gibt ja noch ein Dauerthema zwischen den Koalitionären, wo sich auch viele Wahlkämpfer in Ostdeutschland gewünscht hätten, dass Union und SPD da etwas zügiger zusammenkommen. Gemeint ist die Grundrente. Gibt es da nun eine Bedürftigkeitsprüfung im Einzelfall oder nicht? Die SPD sagt nein, Sie sagen ja. Da wurde ja auch schon angekündigt, man will da vorankommen. Gibt es hier Bewegung?
Brinkhaus: Na ja, da ist ja jetzt die Situation, dass wir uns im letzten Koalitionsausschuss, das heißt nicht gestern, sondern vor einigen Wochen geeinigt haben, dass da noch mal das entsprechende Zahlenmaterial erarbeitet wird, dass sich dann eine Arbeitsgruppe entsprechend zusammensetzen wird. Die Positionen sind tatsächlich noch so, dass wir sagen, wir möchten das machen, was im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist. Das heißt, wir stehen zur Grundrente, aber mit einer Bedürftigkeitsprüfung. Unser Koalitionspartner ist da anderer Meinung und insofern haben wir an der Stelle tatsächlich auch einen Konflikt. Aber wie gesagt, wie das so in Beziehungen ist: Wenn man Konflikte hat, dann muss man darüber reden, und das werden wir auch entsprechend in den nächsten Wochen machen. Aber man redet besser darüber, wenn man weiß, wieviel welches Modell am Ende des Tages auch kostet: Wer ist der Begünstigte, wer ist nicht begünstigt, wo landet das Geld? Für uns als Union gilt jedenfalls eins: Wir wollen da keine Förderung mit der Gießkanne, sondern wir wollen denjenigen helfen, die es tatsächlich nötig haben.
Engels: Herr Brinkhaus, wir müssen gegen Ende noch kurz auf einen Streit zwischen Bundesregierung und Betreiberfirmen der gescheiterten PKW-Maut eingehen. Die "Süddeutsche Zeitung" meldet ebenso wie NDR und WDR, dass das Verkehrsministerium den Firmen vorsätzliche Versuche einer Schädigung vorhält, weil sie auch nach dem Stopp des Projektes Aufträge im Umfang von über 500 Millionen Euro vergeben hätten. Rückt bei der Aufklärung dieser Vorgänge auch Ihrer Meinung nach hier nicht langsam das Instrument eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses in den Vordergrund?
Brinkhaus: Es ist ja so, dass der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages auch durchaus den Verkehrsminister nicht nur befragt, sondern auch entsprechend Unterlagen anfordern kann. Deswegen ist es unserer Meinung so, dass das auch im regulären Parlamentsbetrieb durchaus aufgeklärt werden kann, und ich erlebe das eigentlich auch, dass da auch der Wille da ist bei allen Beteiligten, da entsprechend Transparenz reinzubringen.
Engels: Das heißt, diese Aufklärung genügt? Ein Untersuchungsausschuss nicht?
Brinkhaus: Es ist so: Ein Untersuchungsausschuss ist natürlich ein Privileg der Opposition, dass sie das fordern kann. Es ist aber durchaus auch so, dass wie gesagt im Rahmen des laufenden Verkehrs oder des laufenden Betriebes viele, viele Fragen von der Regierung auch beantwortet werden müssen, nicht nur können, sondern müssen. Das ist ein Recht des Parlaments und da sind wir auch durchaus sehr selbstbewusst. Insofern glaube ich, dass man genau in dieses Verfahren auch entsprechend mit Bordmitteln Klarheit reinbringen kann. Aber wie gesagt: Untersuchungsausschüsse werden von der Opposition gefordert. Das ist ein Recht, was die Opposition hat. Und jetzt schauen wir mal, wie es da weitergeht, und jetzt schauen wir mal, wie sich die Nachrichtenlage da auch entsprechend entwickelt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.