Samstag, 20. April 2024

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Jürgen Basedow, Klaus J. Hopt, Hein Kötz und Peter Dopffel (Hrsg.):Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften. Und: Ilona Bubeck (Hrsg.): Unser Stück vom Kuchen Zehn Positionen geg

Obwohl: Es kommt nicht so sehr auf das Ja-Wort an. Es kommt uns auf die rechtliche Absicherung an, wenn einem von uns beiden etwas passiert.

Detlef Grumbach | 14.08.2000
    Für uns beide sind wir schon verheiratet, aber wir verlangen das Recht auch, dass wir es wirklich dürfen. Mit aller Ernsthaftigkeit. Und zwar mit allen Rechten und Pflichten, die eine Ehe beinhaltet.

    Das war im Jahr 1992. Mit der vom Schwulenverband in Deutschland organisierten "Aktion Standesamt" demonstrierten schwule und lesbische Paare ihren Heiratswillen. Das fand, es war schließlich Sommer, großes Interesse in den Medien, und seither ist das Thema aus der öffentlichen Debatte nicht mehr verschwunden. Heftiger wurde die Debatte, als die Berliner Regierungskoalition einen Gesetzentwurf zum Thema vorlegte. Doch Kritik kommt nicht nur von Konservativen, auch von Homosexuellen selbst, die die Einrichtung der Ehe schon immer für fragwürdig gehalten haben. Detlef Grumbach rezensiert zwei Bücher zum Thema. "Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften" befasst sich mit der Gesetzeslage in Europa, "Unser Stück vom Kuchen"dagegen begründet 10 Positionen gegen die Homo-Ehe.

    Mit dem Regierungswechsel vor zwei Jahren schien das Ziel der Homosexuellenverbände in greifbare Nähe gerückt. Neben der neuen Regelung des Staatsbürgerschaftsrechts und einem Kurswechsel in der Drogenpolitik gehört die sogenannte "Homo-Ehe" zu den gesellschaftspolitischen Reformprojekten der rot-grünen Regierungskoalition. Doch der Gesetzgebungsprozess erwies sich als äußerst schwierig. Um die teilweise sehr hitzig und irrational geführte Diskussion wieder auf eine sachliche Ebene zu führen, lohnt sich der Blick ins europäische Ausland. Denn einerseits liegen hier schon seit Jahren Erfahrungen vor - die Debatte zum Thema begann in Schweden bereits 1973! - und andererseits war es das Europäische Parlament, das 1994 in einer Entschließung die Mitgliedsstaaten unter Zugzwang setzte. Noch die alte Bundesregierung gab beim Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht ein Gutachten in Auftrag, das jetzt als Buch vorliegt und in Form von Länderberichten ausleuchtet, wie komplex die Thematik tatsächlich ist.

    Anhand der unterschiedlichen Regelungen und Erfahrungen lassen sich demnach folgende Fragen formulieren: Ist es überhaupt möglich, eine Gleichberechtigung aller Bürger zu schaffen, ohne die Ehe für Lesben und Schwule zu öffnen? Was würde dies für das Ehe- und Familienrecht bedeuten? Muss dies nicht insbesondere an den Vorbehalten der mächtigen Kirchen scheitern? Wenn die Ehe für Schwule und Lesben nicht durchsetzbar ist, ist es dann sinnvoll, ein an die Ehe angelehntes, aber nicht gleichwertiges "Rechtsinstitut einer eingetragenen Partnerschaft" nur für Schwule und Lesben zu schaffen? Oder würde diese erneute rechtliche Sonderbehandlung eine Festschreibung der Diskriminierung bedeuten? Dann sollte der Gesetzgeber eine anerkannte Partnerschaft mit Rechten und Pflichten unterhalb der Ehe auch für heterosexuelle Bürger öffnen, die die Ehe zwar ablehnen, sich aber dennoch mehr Rechtssicherheit wünschen .

    Sogenannte "eingetragene Partnerschaften" für Lesben und Schwule gibt es vor allem in den nordischen und in den Beneluxstaaten. Über die Öffnung der Ehe wird derzeit lediglich in den Niederlanden nachgedacht, und das französische Parlament hat Ende letzten Jahres ein Gesetz Du pacte civil de solidarité verabschiedet, nach dem

    Ein Vertrag zwischen zwei natürlichen volljährigen Personen unterschiedlichen oder gleichen Geschlechts geschlossen werden (kann), um ihr Zusammenleben zu regeln.

    Zusätzlich zu den detaillierten Länderberichten haben die Herausgeber des Buchs Gutachten aus der Perspektive der beiden christlichen Kirchen und der Sexualwissenschaft aufgenommen. Gegenüber den Kirchen wird der Verdacht geäußert, dass ihre ablehnende Haltung vor allem darin wurzelt, dass sie im eigenen Machtbereich keine Gleichberechtigung wünschen, vor allem keine Schwulen im Priesteramt. Der Sexualwissenschaftler Martin Dannecker arbeitet in seinem Beitrag heraus, dass die Verweigerung rechtlich abgesicherter Partnerschaftsformen für Schwule und Lesben vielleicht gar nicht in erster Linie eine Bürgerrechtsfrage ist:

    Verweigert man Homosexuellen ein solches Institut, dann spricht man ihnen die Heterosexuellen ungeprüft unterstellte und durch die öffentliche Trauung bekräftigte Fähigkeit ab, gute Beziehungen einzugehen, zu leben und aufrechtzuerhalten. Darin und nicht in der Vorenthaltung der mit der Ehe einhergehenden formalen Rechte liegt der eigentliche Affront des "Eheverbots" für homosexuelle Männer und Frauen.

    Die Autoren des Max-Plack-Instituts kommen schließlich zu der Empfehlung an die Bundesregierung, nicht die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, auch nicht den französischen Weg einzuschlagen, sondern statt dessen eine eigenes Rechtsinstitut für schwule und lesbische Paare zu schaffen. Dieses Rechtsinstitut soll sich in Rechten und Pflichten weitgehend an den Regelungen der Ehe orientieren, jedoch nicht mit ihm gleichgesetzt werden.

    Selbstverständlich ist die Forderung nach Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule legitim",

    stellen demgegenüber die Autorinnen und Autoren eines provokativen "Gegenbüchleins" fest. Teils aus altmodisch klingenden, bis heute aber nicht widerlegten feministischen Argumentationen gegen die Ehe als Einrichtung des Patriarchats, teils aus der Erfahrung heraus, dass die Ehe auch dort, wo Kinder großgezogen werden, längst nicht mehr das alleingültige Beziehungsmuster ist, stellen sie die Politik der rechtlichen Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe als Reformpolitik jedoch in Frage. Allein Paarbeziehungen würden durch diesen Ansatz berücksichtigt und sollen der Ehe als nicht zu hinterfragendem Maßstab mehr oder weniger gleichgestellt werden. In der Gesellschaft bereits gelebte vielfältige andere Beziehungsformen - von Wohngemeinschaften mit und ohne Kindern über Paare mit Kindern, aber getrennten Wohnungen, bis hin zu Singles, die sich in einem stabilen Netz von sehr engen Freundschaften bewegen - rückten gar nicht erst ins Blickfeld. "Unser Stück vom Kuchen?", fragt der Titel dieser im besten Sinne des Wortes "Streitschrift", die auf erfrischende Weise den Horizont der Debatte erweitert. "Einen neuen Kuchen backen!", antwortet Christina Schenk in ihrem abschließenden Beitrag. Sie dreht den Spieß einfach um und fordert die Gleichstellung der Ehe mit der tatsächlichen Vielfalt der Beziehungsformen.

    Die Gleichstellung aller Lebensweisen ist nicht das Problem sogenannter Randgruppen oder Minderheiten, sondern sie schafft die Freiheit für jede und jeden, die eigenen Lebenszusammenhänge so authentisch wie möglich zu gestalten. Sie ist der Kern einer emanzipatorischen Vorstellung von einer Gesellschaft, die im Bereich des Privaten auf jegliche von außen gesetzte Diskriminierung verzichtet und Raum lässt für Selbstbestimmung, Verantwortlichkeit und individuelle Entscheidungsfreiheit.

    Detlef Grumbach besprach: "Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften", herausgegeben von Jürgen Basedow und anderen, erschienen bei Mohr Siebeck. Das Buch kostet 424 Mark und hat 128 Seiten. "Unser Stück vom Kuchen. 10 Positionen gegen die Homo-Ehe", herausgegeben von Ilona Bubeck, ist im Querverlag erschienen, hat 146 Seiten und kostet 24.80 Mark. Mit diesen Hinweisen geht die Sendung Politische Literatur für heute zuende. Am Mikrophon war Karin Beindorff. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.