Freitag, 19. April 2024

Archiv

Jürgen Vogel
Der Star, der keiner sein will

Jürgen Vogel ist als Schauspieler in fast allen Genres zu Hause. Zudem arbeitet er als Sänger, Produzent und Drehbuchautor. Auf der Beliebtheitsskala des Publikums steht Vogel ganz weit oben. Hintergründe, Interviews und Anekdoten zum Nachhören gibt es in der Langen Nacht.

Von Bernd Sobolla | 22.02.2014
    Jürgen Vogel, Schauspieler, aufgenommen am 11.02.2013 im Gespräch während der Aufzeichnung der RBB-Talksendung "Thadeusz" in Berlin.
    Der Schauspieler Jürgen Vogel. (picture alliance / ZB / Karlheinz Schindler)
    Erstaunlich ist auch, dass seine Karriere Ende der 1980er-Jahren begann, just zu der Zeit, als sich der deutsche Film allmählich zu einer Art "Neues Deutsches Erzählkino" entwickelte.
    CD-Tipps:
    • Tomte - Buchstaben über der Stadt: Buchstaben über der Stadt ist das vierte Studioalbum der Hamburger Indie-Rock-Band Tomte. Mehr
    • Tomte - Hinter all den Fenstern: Studioalbum der Hamburger Indie-Rock-Band Tomte. Es ist der Nachfolger des Albums Eine sonnige Nacht und erschien im April 2003 beim Label Grand Hotel van Cleef. Das Album bescherte der Band erstmals größere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Mehr
    • Kettcar - Fliegend Bauten: Als die Indierock-Stars Kettcar am 31.8. 2008 in der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel ein akustisches Konzert mit Streichquartett gaben, hatten die Jungs um Markus Wiebusch wohl selbst nicht damit gerechnet, was für ein Erfolg die Veranstaltung werden sollte. Mehr
    • Tocotronic - Schall und Wahn: Schall & Wahn stieg direkt nach der Veröffentlichung auf Platz 1 in die deutschen Album-Charts ein und war damit das erste Tocotronic-Album an der Spitze der Charts. Mehr
    • Hansen Band – Kamera – bei Youtube
    DVD-Tipps:
    • "Quellen des Lebens" von Oscar Roehler: Quellen des Lebens ist ein deutscher Spielfilm von Oskar Roehler aus dem Jahr 2013, der am 14. Februar 2013 in die deutschen Kinos kam. Mehr und die offizielle Website
    • "Gnade" von Matthias Glasner: Gnade ist ein deutscher Spielfilm von Matthias Glasner aus dem Jahr 2012 mit Jürgen Vogel und Birgit Minichmayr in den Hauptrollen. Die Premiere fand am 16. Februar 2012 bei den 62. Internationalen Filmfestspielen in Berlin statt. Mehr
    • "Der freie Wille" von Matthias Glasner: Der freie Wille ist ein deutscher Kinofilm von Matthias Glasner aus dem Jahr 2006. Er erzählt die Geschichte eines Vergewaltigers, welcher nach seiner Haftentlassung eine Beziehung mit einer jungen Frau beginnt, die ihrerseits jahrelang von ihrem Vater psychisch missbraucht wurde. Mehr und die offizielle Webpräsenz
    • "Die Welle" von Dennis Gansel: Die Welle ist ein deutsches Filmdrama aus dem Jahr 2008. Jürgen Vogel spielt einen Lehrer, der seiner Schulklasse in einem von ihm konzipierten Sozialexperiment vorführt, wie autoritäre gesellschaftliche Strukturen entstehen. Mehr und im Filmportal
    • "Kleine Haie" von Sönke Wortmann: Kleine Haie ist eine deutsche Filmkomödie aus dem Jahr 1992. Mehr und im Filmportal
    • Preisverleihung: Berlinale 2006, Silberner Bär an Jürgen Vogel
    Links und Auszüge aus dem Manuskript:
    Was hat jede Diktatur? / Ein Führer, man! / Ein Führer? / Führer ist jetzt ein bisschen vorbelastet. Aber jede Diktatur hat eine zentrale Leitfigur. Spielen wir das mal durch. Wer könnte das bei uns hier sein? / Als Lehrer du natürlich. / Wer denn sonst? / Ich dachte, irgendjemand von euch möchte mal den Ton angeben. / Lalaaaaa / Rainer, mach du das! / Also stimmen wir ab! Wer ist dafür, dass ich während der Projektwoche eure Leitfigur bin? / Und was soll das bringen. / Wart doch erst mal ab! / Oder anders gefragt: Wer ist dagegen? Gegenstimmen? / Enthaltungen? Gut! / Heil, Rainer! / So eine Leitfigur verdient natürlich auch Respekt. Deswegen möchte ich, dass ich mich während der ganzen Zeit mit Herr Wenger ansprecht. ... Und noch was: Jeder, der redet, muss dabei auch noch aufstehen. / Geht das nicht etwas weit? / Mona! ... / Geht das nicht etwas zu weit? .... Herr Wenger.
    Making of... Die Welle
    Was ist los? / Ich weiß nicht, was passiert ist. / ... Wo warst du? / Auf der Arbeit, wo sonst? / Und was ist passiert? / Ich habe so Angst, ich habe was angefahren. / Komm, wir gehen schlafen! / Nils, ich habe was angefahren. / Angefahren? / Ja. Ich habe im Dunkeln was angefahren. / Was meinst du? / Ich habe was angefahren, einen Hund oder irgendwas. Ich weiß nicht, was es war. Aber da war was. / Ein Hund? / Ja. ... Ich habe auch angehalten, aber dann ... dann habe ich so Angst gekriegt. / Angst? / Ja, Angst, Nils! Weißt du nicht, was Angst ist? ... Vielleicht liegt da jetzt ein Hund. / Ein Hund? Na ja, Maria, das ist jetzt kein Weltuntergang. / Ich bin einfach weiter gefahren. / Na, das ist in Ordnung. ... / Ich muss die Scherben wegmachen. / Ich mache das. / Ich brauche was zum Einschlafen. ... Oh, Gott! Vielleicht liegt da jetzt ein Hund. Oder ein Mensch. / Was? Was hast du gesagt? ... Du musst doch wissen, ob du ... / Immh. / Wo ist das passiert?
    Interview mit Jürgen Vogel zu "Gnade"
    Kurzbiografie und Filmografie, inkl. 12 Fotos
    Sein neuester Film "Stereo"
    Freunde, Kollegen, Experten der Langen Nacht:
    Dani Levy - Filmportal
    Während Tom Tykwer 1993 mit dem Drama "Die tödliche Maria" sein Spielfilmdebüt vorlegt, steht Dani Levy, der sowohl Schauspieler ist als auch Regisseur, mit Jürgen Vogel vor der Kamera. "Die Mediocren", so der Titel, ist ein Film über vier Großstadt-Twens und ihre Lebenskrisen.
    (Dani Levy): Wir haben ja 1993 ... 94, weiß nicht mehr genau, "Die Mediocren" gedreht zusammen. Und da hatte ich das erste Mal wirklich hautnah Kontakt mit ihm. Wir haben gemeinsam die ganzen Dreharbeiten, es war ein Film von Matthias Glasner, durchgestanden, bzw. hatten Riesenspaß. Es gab ja nur vier Figuren in dem ganzen Film. Und es waren neben Jürgen und mir die Andrea Schneider und die Jasmin Tabatabai. Das waren tolle Dreharbeiten in Hamburg. Wir haben unglaublich Spaß gemacht, und ich habe erst einmal den Kosmos Jürgen mitbekommen. Ich habe gemerkt A, wie er vor der Kamera ist, B, was er für ein unglaublich witziger, charmanter, spitzbübischer, schlagfertiger Junge er ist. Der einfach auch einen unbezwingbaren Charme hat. Für andere Männer echt schwierig neben ihm zu bestehen. Dann sah er auch noch gut aus. Und hat dieses schräge Grinsen. Es war schon so, dass wir uns da eigentlich ziemlich gut kennengelernt haben und auch eine tolle Bande waren.
    Matthias Glasner - Filmportal
    Dass Jürgen Vogel und Matthias Glasner zusammenfinden, ist Mitte der 1990er-Jahre alles andere als ein Zufall: Beide haben ähnliche Vorlieben, wenn es ums Kino geht, beide sind ambitioniert, den deutschen Film zu verändern, beide spielen als Musiker bzw. Sänger in Bands, beide sind Autodidakten, beide kommen aus Hamburg und sie sind fast gleich alt. Zudem findet Glasner in Jürgen Vogel genau den Schauspieler, den er immer suchte.
    (Matthias Glasner): Dann kam Jürgen Vogel. Vogel war für mich die nächste wichtige, sehr wichtige Erfahrung, weil, bis dahin war ich nie glücklich mit Schauspielern, die ich hatte, und dachte, das liegt an mir. Ich bin ein schlechter Schauspielregisseur. Dann habe ich irgendwann gemerkt, ein guter Schauspielregisseur ist jemand, der gute Schauspieler besetzt. / Lacht. / Selbst Elia Kazan, von dem man immer der Entdecker von Marlon Brando und James Dean, ein Schauspielregisseur sagt, er hatte vor allem ein Händchen gute Schauspieler zu besetzen. Man muss einem Marlon Brando nicht beibringen, wie er spielt oder sagen, wie er spielen soll. Du musst ihn einfach besetzen. Das war eben bei Jürgen Vogel so. Das hat bei mir ganz andere Horizonte eröffnet und sicherlich viel möglich gemacht, inhaltlich, thematisch, was ich mich sonst vielleicht gar nicht getraut hätte ohne Jürgens Vertrauen in mich sozusagen.
    Maria Schrader - Filmportal
    Maria Schrader, seine Partnerin in "Stille Nacht", ist erstaunt, wie genau sich Jürgen Vogel die Drehbuchveränderung anschaut und wie er dann jede einzelne Szene minutiös vorbereitet.
    (Maria Schrader): Also er ist so jemand, der letztlich eine Kontrolle haben möchte - im Vorfeld. Der weiß, mit wem er es zu tun hat. Der weiß, wo die Kamera ist. Was sie sieht. Der sich Gedanken macht auch über Schnitt oder. Also er möchte selber wissen, woran er teilnimmt. Was ich gut finde. Weil so funktioniere ich auch. Ich gehöre nicht zu den Schauspielern, denen so einen Tritt in die Szene gibt, und dann sieht man, was daraus entsteht. Und so ist Jürgen auch. Und in dem Moment wo dann "Bitte!" ist, dann macht er auch alles. Und das hat eine ziemliche Zeit gedauert. Oder Dani hat uns aufgemalt, wie er das auflöst, was man von uns sieht. Wir haben uns darüber verständigt, und in dem Moment, wo wir das gemacht haben, war das sehr viel unverkrampfter und sehr viel angstloser, als ich es mir vorgestellt habe.
    Katja Riemann - Filmportal
    Rainer Kaufmann verfilmt den Bestseller Roman "Die Apothekerin" von Ingrid Noll, und Jürgen Vogel spielt einen ihrer drei Liebhaber, sein alter Wohngemeinschaftskumpel Richy Müller einen der beiden anderen. Der Film, angesiedelt zwischen Melodram, Komödie und Krimi, handelt von der Apothekerin Hella, gespielt von Katja Riemann, die eine Schwäche für besondere Männer hat.
    (Die Apothekerin) Ich sehnte mich nach einem Haus, einem Kind, einem Mann. Die Reihenfolge war mir egal. Fatalerweise interessierte ich mich ausschließlich für Außenseiter, Hypochonder und Neurotiker.
    Eher zufällig lernt sie in einem Autosalon den jungen Levin, alias Jürgen Vogel, kennen.
    (Die Apothekerin) Kann ich Ihnen irgendwie helfen? / Nein, ich wollte mich nur etwas umsehen. / Da haben sie aber eine sehr gute Wahl getroffen. Volvo ist ja bekannt für seine Elch-Crash-Tests. Hier zum Beispiel haben sie so Stahlseile konstruiert, beim Crash ziehen die sich zusammen und der Motor fällt automatisch raus. Ich würde so gern mal ihre Haare im Wind wehen sehen. / Wissen Sie, eigentlich brauche ich gar keinen Wagen. / Levin Grabe, Student der Zahnmedizin. Es freut mich sehr. Mach ihn mal an! / Motorgeräusch.
    Auf den ersten Blick, so scheint es, passen Katja Riemann und Jürgen Vogel gar nicht richtig zusammen – zumindest optisch. Denn Jürgen Vogel ist gerade einmal 1.70 Meter groß. Für Katja Riemann ist das jedoch kein Problem.
    (Katja Riemann): Wenn ich Schuhe anhabe oder hohe Schuhe, bin ich zwischen 1,75 und 1,80. Und da ist man erst einmal so ein Riesenweib. Und auch als große Frau möchte man sich ja auch mal anschmelzen an eine Schulter. Aber ich denke, es gibt sicherlich große Männer, die nicht diese Kraft oder diese Potenz – ich meine jetzt nicht sexuelle Potenz, Jürgen und Richy, sondern Präsenz oder wie auch immer – einfach so eine Kraft haben wie die beiden. Also die kommen für mich auch nie als kleine Männer daher. Sie haben ja auch beide sehr starke Körper. Und über die Lust dieser beiden inklusive Rainer Kaufmann, dass die Frau größer ist als beide, habe ich festgestellt, ist ja gar nicht so schlimm. Ich dachte immer, das ist ja schrecklich, dass ich so groß bin. Dabei ist es letztlich gar nicht so viel. Und jetzt finde ich das richtig klasse. Für die Rolle und für die Beziehungskonstellation gefällt es mir sehr gut.
    Jan Schütte - Filmportal
    Seine Haltung, sein leicht gehetzter Blick, seine zuweilen unsichere Stimme und ein Gesichtsausdruck, in dem sich vergangene Wut, Angst und Verzweiflung widerspiegeln, zeigen das Verhalten seiner Figuren. Besonders deutlich wird das in dem Obdachlosendrama "Fette Welt" von Jan Schütte. Hier spielt Jürgen Vogel den Alkoholiker Hagen Trinker, der in München unter der Wittelsbacher Brücke schläft und sich ziellos durchs Leben schlägt.
    (Fette Welt) Du hast einen Justizbeamten niedergeschlagen. / Ich habe gedacht, es war ein Bulle. / Na, das ist natürlich was anderes. Was habe ich dir noch gesagt? / Ich weiß nicht, du sagst immer so viel. / Worum ging es? Um 5 Mark? / Um 20. / Du schlägst dich um 20 Mark und hast 30 in der Tasche. / Ach so, die, die habe ich ganz vergessen. / Wo waren die her? / Selbst wenn ich es dir sagen würde, du würdest mir nicht glauben. / Verstehe. / Du verstehst gar nichts. / Komm mir nicht mit der Tour. Ich kann nichts dafür, dass dein Vater ein Polizist war. Ich verstehe dich sehr gut. Als ich jung war, stand ich genau so dämlich auf der Straße da wie du. Ich hatte keine Ahnung, wo es lang geht. Es war vollkommen egal. / Ist es doch auch, oder? / Ja, aber warum wird der eine Penner und der andere Polizist? / Mein Alter war beides. Aber man muss sich entscheiden.
    "Fette Welt" wird kein großer Publikumserfolg. Wie auch? Obdachlose werden zwar mittlerweile als Verkäufer von Straßenzeitungen geduldet. Aber ins Kino gehen ihretwegen nur wenige. Zu wenig Glanz, zu wenig Hoffnung, zu viel Niedergang. Vielleicht kann sich deshalb auch Regisseur Jan Schütte für seinen Protagonisten nur einen Schauspieler vorstellen.
    (Jan Schütte): Bevor ich mich überhaupt auf das ganze Projekt eingelassen habe, habe ich gesagt: "Wir müssen die Hauptrolle festlegen, vorher!" Für mich war ganz klar: Das kann nur Jürgen spielen. Es gab da verschiedene Varianten, aber wir haben dann den Film ein Jahr verschoben, um zu warten, bis er Zeit hat. Und zwar, weil ich denke, dass er so eine Lebendigkeit hat und gleichzeitig so eine Kraft hat, auch eine intuitive Intelligenz als Schauspieler, so eine Rolle zu spielen. Die ist ja viel schwieriger als wenn es so denkt, wenn der Film so fertig ist. Weil er spielt was, nämlich jemanden, der kein Ziel hat, sich allen verweigert und nichts mehr will – vom Leben, von sich, vom Rest der Welt. Das geht im Film eigentlich gar nicht. Da braucht man immer einen Helden, der irgendwo hin will, der ein Ziel hat und was unternehmen will. Und das ist jetzt jemand, der das alles verweigert. Also eigentlich ein unfilmischer Held. Jetzt kann aber Jürgen das so spielen, dass man merkt, dass da drunter noch irgendwo eine Flamme lodert, die der Hagen nicht wahrnimmt. Die aber wir wahrnehmen, ich als Regisseur, sie als Zuschauer, und dieses Mädchen Judith merkt es auch. Und da knüpft der Film an. Und diesen Spagat auszuhalten und trotz dieser Verbohrtheit, die er am Anfang hat, diese Verstocktheit geradezu, trotz dieser Aggressivität dabei, das konnte ich mir nur mit ihm vorstellen.
    Lars Kraume - Filmportal
    Der Film "Keine Lieder über Liebe" von Lars Kraume. Ein Werk mit einer relativ einfachen Ausgangssituation, nämlich einer Dreiecksgeschichte: Der junge Filmemacher Tobias Hansen, gespielt von Florina Lukas, vermutet, dass seine Freundin Ellen, alias Heike Makatsch, ein Verhältnis mit seinem Bruder Markus hatte. Der wiederum wird von Jürgen Vogel gespielt. Um der Sache auf den Grund zu gehen, will er einen Dokumentarfilm über seinen Bruder drehen, der gerade mit seiner Band in Norddeutschland auf Tour ist.
    (Keine Lieder über Liebe) Das kannst du richtig vergessen. / Wieso? / Wirklich! Du bist mein Bruder, und ich helfe dir wirklich gerne. Erst einmal hättest du mich anrufen sollen. Weil wenn man schon einen Film macht, dann kannst du mich wenigstens fragen, ob ich mitmachen möchte. Okay? / Ich frage dich doch. / Unabhängig davon hängt das auch nicht nur von mir ab. Ich habe eine Band. Meinst du die wollen die ganze Zeit, dass da so eine Crew von irgendwelchen Fernsehspakos – entschuldige – dabei ist die ganze Zeit? Das kannst du vergessen. Das geht gar nicht. Das ist eine Scheißidee. Du kannst mich gerne jetzt hier filmen, und wenn dir das reicht, dann ist ja schön. / Kann ich dir ein paar Fragen stellen? / Ja, natürlich kannst du Fragen stellen. / Hältst du dich für einen Künstler? / Was? / Hältst du dich für einen Künstler? / Weiß ich nicht. Darüber denke ich nicht nach. / Und was erwartest du von der Tournee? / Dass wir eine gute Tour haben, irgendwie. Dass wir Spaß haben. Dass es ein bisschen anders ist als beim letzten Mal. Und dass es gut ist. / Glaubst du, dass viele Leute kommen. / Wir sind ja in kleinen Clubs. Ich hoffe, dass die nicht leer sind. Ein kleiner Club, der leer ist, ist scheiße. / Wie, kleine Clubs?
    Widerwillig lässt sich Markus darauf ein. Er ahnt nicht, dass Tobias Ellen zu den Dreharbeiten auf die Band-Tournee einlädt, um herauszubekommen, was sich zwischen den beiden wirklich abgespielt hat. Regisseur Lars Kraume ließ sich zu dem Filmprojekt sogar von Jürgen Vogel inspirieren.
    (Lars Kraume): Es gab zwei Ausgangspunkte für den Film. Der eine war, dass ich so eine Dreiecksgeschichte machen wollte: Zwei Brüder, eine Frau, so einen unlösbaren Dreieckskonflikt als Liebesgeschichte erzählen wollte. Der andere Ausgangspunkt war, dass Jürgen und ich uns darüber unterhalten haben, dass wir gerne einen Musikfilm zusammen machen würden. Dass er mal gerne einen Musiker spielen würde und ich auch gern so was machen würde. Nur dass ich eben Angst hatte, dass wenn ich einen Film über Musik, über deutsche Rockmusik oder so schreibe, so ein Drehbuch schreibe, dass das voller Klischees ist, weil ich selber nie in einer Band gespielt habe. Und Jürgen war dadurch von vornherein klar besetzt für dieses Projekt. Und als ich dann die Idee hatte, dass wir das halb dokumentarisch drehen, dass wir wirklich eine Band um ihn herum gründen, die wir auf Tour schicken und die wir so zu sagen chronologisch diese Geschichte erleben lassen und drum herum um dieses Tour-Leben dann unseren eigentlichen Film erzählen.
    Heike Makatsch - Filmportal
    "Keine Lieder über Liebe" ist einer der persönlichsten Filme von Jürgen Vogel. Er hat ihn nicht nur initiiert, sondern wollte als Hamburger auch unbedingt mit Musikern der Hamburger Schule zusammen spielen. Zumal der Schauspieler ohnehin Independent-Musik mag, also rockige Musik von kleinen Bands, hinter denen kein Plattenimperium steht. Die Lieder wiederum handeln von Landungsbrücken und Fernweh, von norddeutschen Landschaften, Schiffen und Liebe. Für die Film-Tour wählt Jürgen selbst die Songs aus, und baut so einen gewissen Musikstil auf. Wobei es ihm besonders die Alben der Bands "Kettcar" und "Tomte" angetan haben. So ist die Anfrage an einige Mitglieder der Bands fast folgerichtig. Die stimmen zu, und so entsteht die "Hansen"-Band mit ihrem Sänger und Frontmann Jürgen Vogel. Die Gruppe funktioniert so gut, dass sie auch ins Studio geht und elf Songs aufnimmt, die den Soundtrack des Films bilden. Anschließend gibt es, fernab der Filmdreharbeiten, sogar noch diverse Konzerte. Das letzte im Jahr 2012.
    Heike Makatsch erinnert sich an die Dreharbeit mit gemischten Gefühlen. Denn einerseits ist sie inzwischen mit Max Schröder liiert, dem Schlagzeuger der Hansen-Band, und die beiden haben zwei gemeinsame Kinder. Andererseits hatte der experimentelle Charakter des Filmprojekts durchaus auch Nachteile.
    (Heike Makatsch): Es war ein großes Psychodrama. Denn wir alle haben diese Verletzungen und diesen Betrug, der sozusagen im Raum schwebte zwischen uns dreien, wirklich empfunden. Und haben uns auch wirklich verletzt gefühlt. Und ich habe mich von der Schweigsamkeit eines Tobis verletzt gefühlt. Er hat sich verletzt gefühlt von dem Betrug ... Und insofern waren diese Gefühle, die ein Drehbuch vielleicht nur behaupten könnte, wirklich von uns empfunden. Und diese Gefühle haben dann die Geschichte auch wirklich voran getrieben. Und die Dramaturgie der Geschichte.
    Sebastian Schipper - Filmportal
    Auch "Ein Freund von mir" kann durchaus als filmisches Experiment gewertet werden: ein Kammerspiel zwischen Auto, Parkhaus und Flughafen. Private Räume gibt es so gut wie nicht. Und die Freundschaft zwischen den zwei Männern wirkt seltsam irreal. Nichts scheint sie miteinander zu verbinden. Zudem spielt Jürgen Vogel den Fahrer Hans als sei er Narr, Rennfahrer und Kindskopf in einem. Eine Rolle, die für Regisseur Sebastian Schipper nur Jürgen Vogel übernehmen konnte.
    (Sebastian Schipper) Die Figur ist unglaublich schwer. Mit dieser Begeisterung wie von so einem 11-Jährigen. Da durch diesen Film zu ballern. Das ist nicht nur kraftmäßig, sondern auch Konzentration, auf vielen Ebenen eine große Herausforderung. Ich glaube, dass Jürgen durch den Dreh durchgehend auf einer sehr hohen Temperatur gelaufen ist. Dass das sehr anstrengend ist. Ich sage mal, seine Figur und die Art und Weise, wie der Film erzählt wird, dieses sehr visuelle, statische, so ein Konzept funktioniert, indem man die Kamera da hinstellt, da hinstellt, da hinstellt und da hinstellt. Das ist dann für Hans, für Jürgen, der Hans spielt, unglaublich anstrengend. / Bitte, Ruhe, wir drehen! / Wo fangt ihr an? Oh Gott, ich bin so raus. / Immer wieder ganz heiß zu werden. 1/17 Hans, musst du immer. Lacht. / Jürgen ist auch jemand, der nicht gerne probt. Weil er dann ... Er sagt ganz oder gar nicht. Entweder die Mühle läuft und wir sind dabei. Das ist ja sowieso das Wichtigste für einen Schauspieler. Dass sie da sind. Das ist Kunst, die sie beherrschen müssen. Da zu sein in diesem Moment. / Meine Königin. / Danke!
    Beatsteaks
    (Jürgen Vogel): So die fettesten Maschinen, die es gibt. Planierraupe, Wüstenraupe, höchster Kran der Welt, Hoovercraft, Brückenpanzer. Du probierst es aus. Du musst immer ein bisschen in der Grundausbildung mitmachen. Ich war auch bei der Feuerwehr. Damals noch in Tempelhof. Weil die haben das größte und schwerste Löschfahrzeug und modernste der Welt gehabt. Und dieses Riesenrutsche runter, diese ganzen Übungen machen. Und dann darfst du da mal mit fahren. Und bewerte die halt mit: Kraft und Spaß und Fun-Faktor. Waren wir in der ganzen Welt: von Dubai bis England. Das hat wirklich richtig Spaß gemacht. Ich durfte auch Muldenkipper fahren. Das sind so Riesendinger, die einen Reifendurchmesser von drei Metern haben.
    Da ist der große Junge Jürgen ganz in seinem Element. Das gilt ebenso für seine Kooperation mit den Beatsteaks. Die Berliner Band um den Frontmann Armin Teutoburg-Weiß, deren Musik die Kritiker als Alternativ- oder Punkrock bezeichnen, dreht mit Jürgen Vogel 2004 das Video zu ihrem Song "Hello Joe": Darin begegnen sich Armin und Jürgen in Berlin auf der Straße, begrüßen und umarmen sich und Jürgen klaut dem verdutzten Sänger dessen Kindersonnenbrille. Nun ist sein Outfit komplett grotesk. Denn der Schauspieler trägt hohe, braune Lederstiefel, eine grüne Armeehose, ein weißes Musketierhemd mit Rüschen, einen langen roten Mantel, und darüber eine schwarze Lederweste mit Sheriffstern. Nicht zu vergessen: Er hat einen Spazierstock in der Hand. Die Handlung des Videos ist gleichermaßen skurril und unterhaltsam. Eine Großstadt-Liebesromanze inklusive Reiterduell und Degenkampf in den Straßen Berlins, an dessen Ende Jürgen Vogel stirbt und mit dem Rettungswagen gen Himmel fliegt.