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Jugendherberge
Veggie day und Nachhaltigkeit

Mit dem Vorschlag für einen "Veggie day" sind die Grünen im Bundestags-Wahlkampf eher in ein Fettnäpfchen getreten. Der fleischlose Tag steht auch im Mittelpunkt eines neuen Nachhaltigkeitskonzepts der Jugendherbergen im Nordwesten Deutschlands.

Von Franziska Rattei | 18.03.2014
    Inge Baumgart kocht gern vegetarisch. Der sog. "Veggie-Day" war für die Küchenleiterin der Bremer Jugendherberge also keine große Umstellung. Allerdings: Seitdem er Teil des Nachhaltigkeitskonzeptes ist, stehen kleine Aufsteller auf den Tischen. Sie informieren die Gäste darüber, dass ein fleischloser Tag pro Woche den CO2-Ausstoß um fast ein Viertel reduziert. Gefühlte 95 Prozent der Gäste finden das gut, sagt die Köchin.
    "Manche sagen: Huch, wo ist denn heute Morgen die Wurst, ich find sie gar nicht. Dann sagen wir: Heute ist doch Donnerstag, da haben wir unsere vegetarischen Tag. Aber dadurch, dass wir Eier haben, Rührei haben, kleine Pfannkuchen oder so was haben, fällt das auch gar nicht auf. Da ist die Auswahl groß."
    Ausnahmen bestätigen die Regel. Ursula Bozyk arbeitet an der Rezeption der Bremer Jugendherberge. Es ist schon vorgekommen, dass Gäste ihren Aufenthalt wegen des Veggie-Days verschoben haben, sagt sie.
    "Der Fleischersatz war denen leider nicht genug."
    Schmackhafte vegetarische Bolognese und Geschnetzeltes auf Tofu-Basis
    Verstehen kann die Mitarbeiterin die Absagen nicht. Sie hat die vegetarische Bolognese und das Geschnetzelte auf Tofu-Basis selbst schon probiert und fand es lecker. Außerdem: das Ergebnis des Modellversuches spreche doch für sich. Während eine Übernachtung im Hotel durchschnittlich rund 28 Kilogramm Kohlenstoffdioxid produziere, konnten die Jugendherbergen im Nordwesten ihren CO2-Ausstoß auf weniger als 20 Kilogramm senken. Dafür ist natürlich nicht nur der Veggie-Day verantwortlich.
    Jürgen Koopmann macht einen Kontrollgang in den Keller der Jugendherberge. Er leitet drei Jugendherbergen im Nordwesten, unter anderem das Bremer Haus.
    "So. Hier kommen Sie in einen Heizungsraum. Sie sehen schon, wie groß der ist."
    Nicht ohne Grund. Bis vor drei Jahren standen hier riesige Brennöfen, so groß wie Turbinen, sagt Jürgen Koopmann. Heute wird das Wasser in der Jugendherberge mit vier modernen Geräten erhitzt – nicht größer als kleine Kühlschränke und in Reihe geschaltet, je nach Bedarf.
    "Jetzt im Moment ist das Haus gerade halbvoll, jetzt laufen nur zwei. Wenn wir jetzt voll wären, dann würden alle vier laufen, die dann für Heißwasser sorgen. Wir haben hier Ausgleichsgefäße, sodass wir immer die richtige Menge zur richtigen Zeit am richtigen Ort liefern können."
    Die Jugendherberge spart ein Drittel Energie
    Moderne Pumpen, die das erhitzte Wasser bis in den sechsten Stock schaffen, wurden ebenfalls angeschafft. Im Vergleich zu früher spart die Jugendherberge damit ein Drittel Energie ein. Jürgen Koopmann ist stolz auf das Nachhaltigkeitskonzept. Inzwischen geht es den meisten Kollegen so, sagt Thorsten Richter, Geschäftsführer des Landesverbandes Unterweser-Ems. Aber zu Beginn gab es auch durchaus kritische Stimmen.
    "Es gibt einen Mitarbeiter, der zuerst mal gesagt hat: Was soll das eigentlich? Das war damals, als im Golf von Mexiko die große Ölpest war. Der hat gesagt: Das sind die wirklichen Themen und nicht, ob wir eine bessere CO2-Bilanz in unseren Jugendherbergen haben. Aber meine Meinung als Geschäftsführer ist, dass mittlerweile immer mehr Anregungen kommen, auch aus der Mitarbeiterschaft. Also das lebt schon sehr."
    Mit den Gebäuden und der Energieeffizienz ist Richter schon recht zufrieden. Auch die Bildungsprogramme zum Thema Nachhaltigkeit wurden ausgebaut, sagt er. Aber im Bereich der Verpflegung und Beschaffung gebe es noch Verbesserungsbedarf. Der Geschäftsführer will beispielsweise noch mehr regionale und mehr fair gehandelte Produkte verwenden und auch die Reinigungsmaterialien auf Nachhaltigkeit prüfen. Ein weiteres Ziel: Das Konzept auf andere Jungendherbergsverbände oder andere Hotel-Betriebe übertragen. Die ersten Anfragen gebe es schon, sagt er.