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Juli-Vorsitzender: Führung soll dringend zusammenarbeiten

Der Bundesvorsitzende der Jungliberalen, Lasse Becker, sagt, dass die Führungsspitze der FDP sich auf Inhaltliches konzentrieren solle. Bei der Bundespräsidentenwahl und auch beim Umgang mit dem insolventen Drogeriemarkt Schlecker habe seine Partei mit inhaltlichem Profil gepunktet.

Lasse Becker im Gespräch mit Bettina Klein | 10.04.2012
    Bettina Klein: Wenn Sie während der Ostertage auch ein wenig zum Zeitunglesen gekommen sind, dann werden Sie es registriert haben: Spitzenpolitiker der FDP haben das Wochenende auch dazu benutzt, via Medien die Fragen nach der Verantwortung zu stellen für das derzeitige Abschneiden ihrer Partei unterhalb der Fünfprozenthürde, und sie haben die Gelegenheit auch gleich benutzt, die Frage auf gegensätzliche Art und Weise zu beantworten. Der derzeitige Vorsitzende, Philipp Rösler, macht den ehemaligen Vorsitzenden Westerwelle und dessen Ausrichtung der Partei verantwortlich, zwei andere Spitzenpolitiker, Dirk Niebel und Wolfgang Kubicki, attackieren dafür wiederum Rösler. - Den Vorsitzenden der Jungliberalen, Lasse Becker, habe ich eben gefragt, welcher Auffassung er zuneigt.

    Lasse Becker: Ehrlich gesagt neige ich dazu, dass alle drei die gleiche Mitverantwortung tragen und ich nicht das Osterwochenende brauchte, um zu wissen, dass die FDP-Führung sich teilweise gegenseitig doof findet, und ich glaube, dass das eigentliche Problem ist, dass alle drei und auch viele andere dort in der Führung dringend zusammenarbeiten sollten und sich darauf konzentrieren sollten, dass man einerseits wichtige inhaltliche Punkte, Stichwort: Betreuungsgeld, Stichwort Pendlerpauschale, Stichwort aber zum Beispiel auch Aufstiegschancen, Thema Steuervereinfachung, dort umsetzen sollte, anstatt sich mit sich selbst zu beschäftigen.

    Klein: Herr Becker, aber wenn es darum geht, die Frage nach der Richtung der Partei zu beantworten, dann ist es ja schon sinnvoll, nach den Ursachen zu schauen, und darüber gibt es offensichtlich ja unterschiedliche Meinungen. Also die Frage ist noch mal, ...

    Becker: Ja, aber die Ursache liegt nicht in den Personen, und das ist, glaube ich, das, was die handelnden Akteure etwas verkennen. Es liegt nicht daran, dass man sich dort mit sich selbst beschäftigen möchte, sondern es liegt daran, dass man Fehler gemacht hat. Und Philipp Rösler hat einen Punkt, wenn er sagt, dass es falsch war, sich nur auf ein Thema zu verengen. Nur es bringt niemandem etwas, wenn das Ganze hinterher in einer Aussage, die man zumindest missverstehen kann, als Kritik an Guido Westerwelle gemünzt ist, und wenn dann reflexartig Dirk Niebel und Wolfgang Kubicki um die Ecke schauen, führt das nicht dazu, dass man besonders gut in der öffentlichen Wahrnehmung dasteht, ganz im Gegenteil, wobei man ja gestern festhalten muss: Gestern Abend kam eine Forsa-Umfrage, bei der die FDP wieder bei fünf Prozent steht. Das bedeutet, man sollte sich vielleicht darauf besinnen, dass man beim Thema Schlecker und dass man auch zum Beispiel bei der Frage der Bundespräsidentenwahl mit einem kleinen inhaltlichen Profil gepunktet hat, und man sollte sich darauf konzentrieren anstatt auf den Streit.

    Klein: Gleichzeitig, Herr Becker, fällt schon auf, dass mit Kubicki und Niebel zwei Spitzenpolitiker sehr schnell dem Parteivorsitzenden widersprochen haben. Also Unterstützung, Rückenstärkung für ihn als Parteichef in schwierigen Zeiten sieht anders aus.

    Becker: Wie gesagt, ich habe schon gesagt, dass ich glaube, dass die Führungsspitze noch durchaus Potenzial dabei hat, sich als Team zu begreifen, und dass das aus meiner Sicht eines der Kernprobleme ist, weil ich glaube, aus der Krise kommt man nur heraus, wenn man sich inhaltlich streitet, wenn man inhaltlich auch bereit ist, an verschiedenen Punkten mal eine Meinung auszudiskutieren, aber wenn es dabei eben nicht ins Persönliche gerät, und an diesem Wochenende konnte man wieder den Eindruck haben, dass es das durchaus tut.

    Klein: Aber es geht ja nicht nur ums Persönliche, es geht schon auch um inhaltliche Fragen und die Frage, war es ein Fehler, die Partei, die FDP auf das Thema Steuerreduzierung zu beschränken. Und da frage ich Sie noch mal: Wozu tendieren Sie denn? Geben Sie da Rösler Recht an der Stelle?

    Becker: Wir Julis haben immer gesagt, es war falsch, wenn man in der öffentlichen Wahrnehmung nur mit einem Thema wahrgenommen wurde. Bloß das ist übrigens ein Punkt, an diesem Punkt hat Wolfgang Kubicki keine Kritik geäußert. Kubicki hat deutlich gemacht, dass man den Wachstumsbegriff breiter unterfüttern muss, was mit Sicherheit auch geschehen muss. An der inhaltlichen Stelle sind da die Akteure gar nicht so weit auseinander. Bloß man muss in der Tat schauen, dass man beides tut, dass man deutlich macht, ja, die FDP hat zum Beispiel beim Schutz der Bürgerrechte, bei der Vorratsdatenspeicherung ein klares Profil, sie hat beim marktwirtschaftlichen Kompass, bei der Rettung, dass man eben nicht unsinnig Geld in die Schlecker-Rettung dort investiert hat, auch nach ihrem Kompass gehandelt. Aber auf der anderen Seite muss sie an anderen Stellen, zum Beispiel beim Wachstumsbegriff, natürlich noch stärker inhaltlich arbeiten, um das zu unterfüttern, ...

    Klein: Was heißt jetzt inhaltlich arbeiten am Wachstumsbegriff?

    Becker: Das heißt zum Beispiel, dass wir die Frage qualitatives Wachstum stärker in den Mittelpunkt stellen müssen, dass für Liberale es auch mehr darum gehen muss, dass es um gesellschaftliche Freiheiten teilweise dabei gehen muss, dass es aber auch darum geht, zum Beispiel Effizienzinnovationen in den Mittelpunkt zu stellen, und das ist etwas, was in mancher Diskussion etwas verkürzt vielleicht herüberkam.

    Klein: Machen wir es mal etwas konkreter an zwei Punkten, die im Augenblick ja auch strittig innerhalb der Koalition in Berlin sind. Die FDP fordert von der Union, zum Beispiel ein einheitliches Bild in Sachen Betreuungsgeld abzuliefern. Das bietet Ihre Partei natürlich selbst auch nicht. Während die Parteiführung betont, das sei nicht ihr Projekt, obwohl es ja eine Koalitionsvereinbarung gegeben hat, sagt wiederum Wolfgang Kubicki, Vereinbarungen müssen eingehalten werden und natürlich soll die FDP das unterzeichnen. Was gilt denn nun?

    Becker: Na ja, Wolfgang Kubicki hat da mit Sicherheit ein Interesse, in seinem Wahlkampf Geschlossenheit zu signalisieren. Ich kenne niemanden in der FDP, Wolfgang Kubicki eingeschlossen, der inhaltlich vom Betreuungsgeld überzeugt ist. Und wenn bei der CDU 23 Bundestagsabgeordnete sagen, dass sie das dort nicht mittragen wollen, wäre bereits, wenn die sich alle daran halten und sich an ihr Wort halten, was sie dort in dem Brief formuliert haben, die Mehrheit im Deutschen Bundestag weg, ganz ohne Zutun der FDP. Deshalb ist es schon richtig, dass die FDP sagt, okay, jetzt sollte die Union da erst mal ihre Lage klären.
    Auf der anderen Seite muss man inhaltlich klar sagen: Das Betreuungsgeld bleibt aus liberaler Sicht falsch, und da kann ich auch Wolfgang Kubicki nur zurufen, etwas offensichtlich Falsches, was bis zu zwei Milliarden Euro kostet, hinterher durchzuziehen, nur weil es vereinbart ist und den Haushalt dann trotzdem vor die Wand fährt, da sollte man darüber nachdenken. Gerade wenn ich mir anschaue, an welchen Stellen Wolfgang Schäuble sonst Projekte ausgebremst hat mit dem Haushaltsvorbehalt, würde ich mir das an der Stelle durchaus auch vom Finanzminister erwarten.

    Klein: Und die Frage ist ja auch, wie überzeugend wirkt das, wenn jemand im Wahlkampf offensiv etwas vertritt, was er, wie Sie gerade noch mal unterstrichen haben, selbst für falsch hält?

    Becker: Ja.

    Klein: Zweiter Punkt, Herr Becker, die Pendlerpauschale. Das ist ein Vorschlag der FDP gewesen, auf die gestiegenen Benzinpreise zu reagieren. Die Union ist vehement dagegen. Die "Süddeutsche Zeitung" kommt heute mit neuen Informationen, dass das im Grunde genommen vielen Autofahrern keinen Vorteil bringen würde und im Grunde genommen würden davon eigentlich nur alleinstehende Besserverdienende profitieren. Soll die FDP dennoch dabei bleiben?

    Becker: Wir Julis sind sehr, sehr skeptisch, was die Pendlerpauschale generell angeht. Die Jungen Liberalen sprechen sich eher dafür aus, die Pendlerpauschale dort abzuschaffen und dann lieber an anderen Stellen, zum Beispiel sei es bei der Mineralölsteuer, sei es aber auch zum Beispiel hinterher durch Wettbewerbsrecht auf dem Benzinmarkt, das Problem, was wir haben, von zu hohen Spritpreisen in den Griff zu bekommen. Ich bin sehr, sehr skeptisch, ob die Pendlerpauschale da der richtige Weg ist, weil es funktioniert dann so, dass man das Geld erst vom Steuerzahler einnimmt über die Mineralölsteuer, dann einmal durch einen staatlichen Umverteilungsapparat lenkt und am Ende über die Pendlerpauschale wieder zurückgibt.

    Klein: Und Sie würden Ihrer Parteiführung vorschlagen, diesen Vorschlag zurückzuziehen?

    Becker: Ich würde an der Stelle vorschlagen, dass man sehr seriös prüft, ob man nicht an anderen Stellen, alternativ zum Beispiel bei der Mineralölsteuer, es einfach direkt im Geldbeutel belässt. Da wäre ich persönlich und wären auch die Jungen Liberalen eher, glaube ich, Anhänger dessen, dass das dort funktionieren kann.

    Klein: Lasse Becker, der Vorsitzende der Jungen Liberalen, heute Morgen im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Danke Ihnen, Herr Becker und einen schönen Tag.

    Becker: Sehr gerne!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.