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Fluchtpunkt Lissabon
Exil im Portugal der 1940er-Jahre

Portugal war eines der wenigen europäischen Länder, das im Zweiten Weltkrieg neutral blieb. Das autoritäre Salazar-Regime sympathisierte aus politischen Gründen mit den Achsenmächten, doch das Land stützte seine Außenpolitik auch auf eine jahrhundertealte Allianz mit Großbritannien.

Von Tilo Wagner | 20.10.2018
    Der portugiesische Politiker António de Oliveira Salazar an seinem Schreibtisch. Von 1932 bis 1968 bekleidete er das Amt des Ministerpräsidenten und baute ein diktatorisches Regierungssystem auf.
    António de Oliveira Salazar bekleidete von 1932 bis 1968 das Amt des Ministerpräsidenten und baute ein diktatorisches Regierungssystem auf. (picture alliance/ dpa)
    So wurde das kleine Land am Rande Europas in den 1940er-Jahren zum Rückzugsort für Spione und Agenten beider Kriegsseiten und zum Exil des europäischen Hochadels.
    Salazars Außenpolitik führte allerdings zu einer Reihe von widersprüchlichen Entscheidungen. Berühmte Persönlichkeiten aus Nord- und Mitteleuropa durften ein- und durchreisen, jüdische Flüchtlinge aber nicht. Nach Kriegsende lieferte das Salazar-Regime Deutsche, die sich zum Nationalsozialismus bekannt hatten und in Lissabon lebten, an die Alliierten aus. Trotzdem erlaubte Salazar einer aus Argentinien kommenden Gruppe von NS-Diplomaten und ihren Familien den Aufenthalt in Portugal.
    Mehr als 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges sind die Spuren dieser widersprüchlichen Zeit in Portugal immer noch sichtbar.
    Schwarzweißfoto: Passanten am Rossio-Platz in Lissabon
    Lissabon, Stadt der Schlapphüte
    Portugal war im Zweiten Weltkrieg neutral. Die Hauptstadt Lissabon wurde zum Anlaufpunkt für verfolgte Intellektuelle, Schriftsteller, jüdische Flüchtlinge - und für Spione der Kriegsparteien . Die Spuren sind in der Stadt heute noch zu finden.
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    Als Deutsche in Lissabon
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    Eine Dlf-Produktion von 2016