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Juncker zwischen Geheimdienst- und Staatsaffäre

Möglicherweise gezielt gestreute Pädophilie-Gerüchte gegen den Generalstaatsanwalt, ein Lauschangriff auf den Premierminister. Nicht nur die USA haben eine Geheimdienstaffäre - ein schwacher Trost für Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker.

Von Tonia Koch | 19.06.2013
    "Wie viel Schuld hast du an dieser Situation, was hast du falsch gemacht. Trägst du allein die Schuld daran, dass Vieles nicht so gelaufen ist, wie es hätte laufen sollen."

    Dass beim luxemburgischen Geheimdienst einiges schief gelaufen ist, steht außer Frage. Weder der Premierminister selbst noch der Generalstaatsanwalt waren dem SREL, dem service de renseignement, heilig. Auf Jean-Claude Juncker wurde ein Lauschangriff verübt. Der Geheimdienstchef zeichnete ohne Wissen seines obersten Dienstherrn, das ist der luxemburgische Regierungschef, ein Gespräch zwischen ihm und Juncker auf. Und der Generalstaatsanwalt muss sich gegen gezielt gestreute Gerüchte wehren, er ginge pädophilen Neigungen nach.

    "Kurz gesagt, ich bin kein Pädophiler. Ich bin auch kein Homosexueller, sondern ein gewöhnlicher Heterosexueller, und ich werde wohl der erste sein, der sich dazu outet, wie das heute heißt."

    Die Anzeichen verdichten sich, dass der Geheimdienst die Phädophilievorwürfe in die Welt gesetzt hat, um Biever zu diskreditieren. Denn zu dem Zeitpunkt, als sie erhoben wurden, war Biever der leitende Oberstaatsanwalt in der sogenannten Bombenlegeraffäre. 20 Jahre dauerten die Ermittlungen, bis die Justiz 2007 zwei Polizisten einer Sondereinheit als mutmaßliche Täter präsentierte. Im Februar dieses Jahres hat der Prozess gegen die beiden Angeklagten begonnen. Sie sollen in den 1980er Jahren mehrere Sprengstoffanschläge in Luxemburg verübt haben. Gestern Nachmittag wurde der heutige Generalstaatsanwalt als Zeuge vor Gericht gehört. Und Robert Biever wiederholte, was er bereits mehrfach geäußert hat: Er habe den Eindruck, dass der damalige Justizminister, Luc Frieden, ihn gedrängt habe, die Ermittlungen in der Sache Bombenleger einzustellen. Frieden, heute Budgetminister, hält dagegen.

    "Ich habe nie gesagt, schließt die Akte, bringt es zu Ende und ich habe nie gesagt, macht dies oder das, sondern ich habe die Frage gestellt, wie weit seid ihr und was gedenkt ihr zu tun."

    Der Finanzminister hat ein Misstrauensvotum im Parlament überstanden. Auch der Versuch, der Opposition, die Koalitionsregierung aus Christdemokraten und Sozialisten aus den Angeln zu heben, ist Ende der vergangenen Woche gescheitert. Die Sozialisten standen treu zur Koalition. Die Frage aber ist, wie lange noch? Spätestens in drei Wochen will der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Rolle des Geheimdienstes seinen Bericht vorlegen und dann könnte sich die Haltung der Sozialisten ändern, glaubt der Ausschussvorsitzende Alex Bodry.

    "Ich denke, der wird kritisch sein, was verschiedene Missstände anlangt, die aufgedeckt worden sind und auch was die politische Verantwortlichkeit anlangt."

    Wo der Sozialist Bodry diese politische Verantwortung verortet, ist ganz klar: Beim christsozialen Regierungschef Jean-Claude Juncker.

    "Ich denke, dass er zu seinen Worten steht, er ist ja auch ein Staatsmann und er weiß, dass es neben der Frage einer eigenen Schuld, politische Verantwortung geben muss."

    Quasi im Vorgriff auf den Bericht hat Juncker angekündigt.

    "Ich will heute schon sagen, dass ich mich meiner politischen Verantwortung nicht entziehen werde, ich finde keinen anderen, der dafür zur Rechenschaft gezogen werden könnte."

    Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass Juncker über eine Geheimdienstaffäre stolpert, die ihn zum Opfer hat werden lassen und gleichzeitig zum politisch Verantwortlichen.