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Junge Künstler in Israel
Kreativ in Tel Aviv

Tel Aviv gilt als die Stadt des Lebens und Feierns in Israel. Und die Stadt zieht auch Künstler aus aller Welt an. Viele junge Kreative versuchen hier mit eigenen Arbeiten ihr Glück.

Von Torsten Teichmann | 16.06.2016
    Künstlerateliers im Süden von Tel Aviv
    Künstlerateliers im Süden von Tel Aviv (deutschlandradio.de / Torsten Teichmann)
    Die Bilder sind groß und dekorativ. Sie zeigen dunkelblauen Nachthimmel über Baumkronen in Parkanlagen, erklärt Diana Kogan. Ihre Gemälde sind zu Beginn des Jahres in Tel Aviv zu sehen. In einer Ausstellung speziell für junge Künstler:
    "Nachts schlendre ich durch die Parks und mache Skizzen in mein Skizzenbuch. Danach gehe ich ins Atelier und hänge mir alle Skizzen an die Wand und male dann in Öl oder mit Pastellfarben ein großes Bild aus meiner Erinnerung und mithilfe der Skizzen."
    Die Schlaflosigkeit hat sich für die 26-Jährige gelohnt: Innerhalb kurzer Zeit hat sie alle gezeigten Bilder verkauft. Für eine Künstlerin in Tel Aviv – einer Stadt in der sich Absolventen wie überall auf der Welt fragen, wie sie das Monatsende schaffen sollen – ist das ein Riesenerfolg.
    "Im letzten Jahr habe ich meinen BA an der Bezalel Kunsthochschule abgeschlossen. Vor einem halben Jahr bin ich von Jerusalem nach Tel Aviv gezogen. Zusammen mit zwei anderen Künstlern habe ich ein Atelier gemietet."
    Das Atelier liegt im zweiten Stock einer heruntergekommenen Werkshalle im Süden der Stadt - zwischen den Vierteln Florentin und Noga. Tel Aviv zieht junge Künstler aus dem ganzen Land, aber auch Europa und Amerika an. Die Stadt gilt als säkular – also als nicht religiös –, modern, weltoffen und irgendwie anders. Eine Metropole. Oder "Die Blase", wie sie Tel Aviv auch nennen.
    Eine Stadt die manchmal flieht vor dem Rest des Landes und den krassen Konflikten. Fördern Künstler die Flucht oder nehmen sie die Konfrontationen in ihren Arbeiten auf? Die Frage geht an Matan, der sich das Studio mit Diana im Süden von Tel Aviv teilt:
    "Ich persönlich mag keine Kunst, die politisch angehaucht ist. Diese Art der Kunst interessiert mich als Kunstschaffenden nicht. Ich finde, es ist sehr schwierig, dieser Kunst Relevanz zu verleihen. Oft besteht die Gefahr, dass sie in Klischees abdriftet und lediglich einen Spiegel der Realität darstellt. Dafür kann ich auch die Zeitung aufschlagen und muss nicht in die Kunstgalerie gehen."
    Geld verdienen ist auch in Tel Aviv schwer
    Matan zeigt Aufnahmen seiner Arbeiten. Es sind Installationen. Neon-Röhren, die flackern wie beim Anschalten und doch nie Licht geben. Das Unfertige interessiere ihn, das Fast, das Beinahe, erklärt der 30-Jährige. Ähnlich wie die Stadt, die sich rapide verändert, aber nie abgeschlossen wirkt. Am Ende des Tages, sei das sein Zuhause, sagt er:
    "Während eines Aufenthalts in Amerika, ging künstlerisch viel voran, was wohl auch daran liegen mag, dass ich mich von dem Ort hier trennen konnte, dass ich abschalten konnte. Aber ich finde die Identität spielt immer eine Rolle. Gerade im Ausland. Als ich in Amerika war, wurden all die Fragen rund um das Thema Israel lauter, denn ich war fremd an einem anderen Ort."
    "Ich heiße Inbar, bin Musikerin, Sängerin, und Gesangslehrerin. Ein bisschen bin ich auch Videoarchivarin, ich bin 27 Jahre alt, ursprünglich aus Haifa. Jetzt wohne ich mit meiner Mitbewohnerin Diana in Tel Aviv."
    Inbar unterrichtet in ihrem Zimmer der Wohnung zum Beispiel einmal die Woche Jenina, deren Eltern aus Nigeria stammen. Zuerst Stimmbildung, dann ausgewählte Lieder. Wobei sie den Songtext auf einen riesigen Monitor wirft. Dazu begleitet sie mit der Gitarre. Von ihren ersten eigenen Songs und Aufnahmen kann Inbar noch nicht leben.
    "Ich denke, ein Künstler hat es nicht nur in Tel Aviv sondern auf der ganzen Welt schwer, vor allem wenn man sich selbst und seiner Kunst treu sein will, ohne sich dabei für Geld und Ruhm verkaufen zu müssen."
    Während Inbar noch unterrichtet, kocht Diana direkt nebenan in der Küche das Abendessen. Klingt nach Bohemé? Aber in Tel Aviv gehen sie längst mit der Zeit: Das dritte Zimmer ihrer kleinen Wohnung in Florentine vermieten Inbar und Diana übers Internet an Touristen. Das Geld, dass sie einnehmen gibt ihnen und damit auch ihrer Kunst etwas Unabhängigkeit.