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Justiz mit Kapazitätsproblemen
Sprunghafter Anstieg von Terrorverfahren

Mit tausend neuen Terrorismusverfahren rechnet der Generalbundesanwalt schon in diesem Jahr. Sein Hilferuf - ohne mehr Richter und Staatsanwälte könne die Terrorismusbekämpfung nicht gewährleistet werden - wurde von der Politik erhört. Neun Stellen kamen seit Jahresbeginn hinzu. Doch das wird bei Weitem nicht reichen.

Von Gudula Geuther | 22.10.2017
    Ein Hinweisschild mit Bundesadler und dem Schriftzug "Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof", aufgenommen am 12.04.2017 an der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe (Baden-Württemberg).
    Logo der Bundesanwaltschaft Karlsruhe mit Bundesadler (dpa / Uli Deck)
    Mehr Geld für die Justiz fordert der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki angesichts neuer Zahlen von Terrorverfahren in der "Welt am Sonntag". Mit 1.000 neuen Fällen rechne der Generalbundesanwalt in diesem Jahr, so schreibt die Zeitung. Nach Mitteilung der Karlsruher Behörde sind es jetzt schon 900, 800 davon hätten Bezug zu radikalen Islamisten - die Zahl steigt sprunghaft an.
    Noch im vergangenen Jahr hatte die Terrorismusabteilung 250 Verfahren eingeleitet, also gerade mal ein Viertel. Schon damals klagte Generalbundesanwalt Peter Frank auf der Jahrespressekonferenz über Kapazitätsprobleme. Die Verfahren betreffen zum geringsten Teil Planungen oder Taten in Deutschland. Mit den Straftatbeständen der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat könne auch zum Beispiel Dschihadkämpfer aus Syrien und dem Irak verfolgt werden.
    Sehr stark belastete Justiz in den Ländern
    Immer öfter gelingt auch eine Verurteilung nach dem Völkerstrafgesetzbuch oder wegen Mordes. Die Verfahren sind aufwändig und gerade wenn sie Auslandstaten betreffen schwierig. Seit einiger Zeit gibt die Bundesanwaltschaft einzelne davon an die Generalstaatsanwaltschaften in den Ländern weiter. Nach Angaben der "Welt am Sonntag" waren es allein in diesem Jahr 300. Damit ist auch die Justiz in den Bundesländern sehr stark belastet.
    Das hatte Anfang des Jahres auch der Generalbundesanwalt zu spüren bekommen. In einem Brandbrief hatte Peter Frank beklagt, die Länder ordneten zu wenige spezialisierte Kollegen nach Karlsruhe ab. Diese Abordnungen sind der Behörde wichtig, weil sich aus ihnen die späteren Bundesanwälte rekrutieren und weil mit ihnen die bundesweite Zusammenarbeit besser funktioniere. Der Brief wirkte offenbar.
    Neun neue Stellen für die Staatsanwaltschaft
    Heute sagt die Sprecherin der Bundesanwaltschaft Frauke Köhler unserem Hauptstadtstudio, momentan laufe es sehr gut, die Länder hätten reagiert. Auch die Zahl der Stellen in der Karlsruher Behörde ist in den vergangenen Jahren gestiegen - allerdings weit weniger als die Zahl der Verfahren. Jeweils neun Stellen kamen im staatsanwaltschaftlichen Bereich dazu, das sind um die 20 Prozent mehr.
    Die Forderung nach mehr Stellen für die Justiz kommt passend zu den Beratungen der möglichen neuen Regierungspartner. Anfang November soll die neue Steuerschätzung vorliegen, dann soll über die Ausgaben beraten werden. Geht es nach den Wahlprogrammen, ist man sich an sich einig: Demnach wollen die Grünen die Justiz stärken und bauen auf gut ausgestattete Gerichte und Staatsanwaltschaften. Im Programm der CDU/CSU heißt es, man werde die Justiz durch mehr Personal und durch effizienteres Verfahrensrecht stärken.
    Radikalisierung im Gefängnis
    Belastet durch islamistische Straftäter sind dabei nicht nur Gerichte und Staatsanwaltschaften, sondern vor allem auch der Strafvollzug in den Ländern. Radikalisierung im Gefängnis ist ein wachsendes Problem. Auch hier geht es um Geld. Aber auch die Personalsuche ist nicht einfach. So beklagte vor wenigen Tagen im Deutschlandfunk der Islamwissenschaftler Mustafa Doymus:
    "Zur Zeit gibt es Schwierigkeiten, geeignete Bewerber zu finden, weil natürlich das Thema Seelsorge, Gefängnisseelsorge in den Herkunftsländern nicht so präsent war. Sie müssen sich vorstellen, Seelsorge war bisher eine Aufgabe der Familie oder der Gemeinschaft."
    Das Land Nordrhein-Westfalen etwa beschäftigt vier Islamwissenschaftler, die vor allem das Gefängnispersonal schulen, um Radikalisierung zu erkennen.