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Käfer und Raupe
Biowaffe gegen die Beifuß-Ambrosie

Von Volker Mrasek | 25.03.2015
    Der 27. Juni - das ist der erste Sonnabend nach Sommerbeginn in diesem Jahr. Und der Tag, an dem es der Beifuß-Ambrosie so richtig an den Kragen gehen soll. Ein Experten-Netzwerk befasst sich schon seit rund zehn Jahren mit der Allergie-auslösenden und sich stark ausbreitenden Pflanze. Jetzt plant die Arbeitsgruppe den ersten offiziellen Ausrupf-Tag in Deutschland. Dort, wo die Beifuß-Ambrosie größere Bestände bildet, soll sie dann rigoros ausgerissen werden. Von Freiwilligen unter fachlicher Anleitung von Experten. Der Biologe Uwe Starfinger vom Julius-Kühn-Institut in Braunschweig, wo sich die Expertenrunde soeben traf:
    "Wir hoffen sehr, dass Berlin mitmacht, dass ein oder zwei Gemeinden in Hessen mitmachen. Wir sind im Gespräch mit Karlsruhe und mit der Niederlausitz. Mit dem Ziel, dass erstens Ambrosia-Pflanzen eben unschädlich gemacht werden, vor allem aber auch damit noch mal über die Gefahren aufzuklären. Und damit vielleicht weiteren Druck aufzubauen auf die Politik, mit der Gesetzgebung weiterzukommen."
    Landesweite Ausrupf-Pflicht
    Was nach Ansicht der Arbeitsgruppe noch immer fehlt, ist eine landesweit gültige Verordnung, wie es sie in der Schweiz schon länger gibt: Sie verpflichtet praktisch jeden, das missliebige Traubenkraut auszurupfen, sobald man es irgendwo antrifft. Oder zumindest den Standort zu melden. Starfinger hält so etwas auch in Deutschland für sinnvoll - weil viele Allergiker auf die Pollen der spätblühenden Pflanze reagieren und die Politik zu wenig dagegen tue.
    "Ja, der Gedanke drängt sich auf. Wir wissen immer besser, welche schädlichen Auswirkungen die Ambrosia hat und zu welchen Kosten sich das volkswirtschaftlich zusammenrechnet. Jährliche Kosten im Bereich von dreistelligen Millionenbeträgen. Also, die Behandlung, aber eben auch Arbeitsausfall et cetera, die durch die Pollenallergie von Ambrosia ausgelöst werden."
    Vorbereitet werden aber nicht nur Ausreißaktionen. Im Rahmen eines EU-Projektes suchen Forscher derzeit nach einer geeigneten biologischen Waffe gegen die schädliche Pflanze.
    Als heißester Kandidat galt zunächst der Traubenkraut-Blattkäfer. Wie die Beifuß-Ambrosie selbst stammt er aus Nordamerika. China züchtet den Käfer schon länger in Gewächshäusern, um damit das Traubenkraut im eigenen Land zu bekämpfen. Denn das Insekt ernährt sich fast ausschließlich von Ambrosien.
    Käfer braucht Hitze
    Der Schweizer Biologe Urs Schaffner kennt die Käfer-Art mittlerweile ziemlich gut. Denn vor zwei Jahren tauchte sie plötzlich im Tessin und in Norditalien auf - vermutlich als blinder Passagier mit einem Transatlantik-Flug. Ein richtiger Vielfraß ist der Käfer aber offenbar nur in sehr warmen Sommern:
    "Er braucht für eine normale Entwicklung etwa 28 Grad."
    Dann bilden die Käfer mehrere Generationen pro Saison aus und vermehren sich massenhaft.
    2013 war das so. Die Tiere fraßen die Ambrosia-Bestände südlich der Alpen praktisch kahl. 2014 dagegen blieb der Sommer ziemlich kühl, die Käfer richteten kaum Schäden an den Pflanzen an. Zudem gibt noch ein zweites Problem: Gelegentlich laben sich die Insekten auch an Sonnenblumen.
    Als biologische Gegenspieler der Beifuß-Ambrosie kommen aber noch weitere Insekten in Betracht. Zum Beispiel die Raupe einer Motte, die China und auch Australien im Kampf gegen die Beifuß-Ambrosie einsetzen. Die internationale Agrar- und Umweltforschungsorganisation CABI, bei der auch Urs Schaffner arbeitet, will in Kürze eine erste Versuchszucht mit dem Falter starten.
    "Das Spannende ist eben: Dieser Schmetterling gilt als Grund, warum die Ambrosia in Australien unter Kontrolle ist"
    Entscheidung dauert Jahre
    Ob und wann diese biologischen Gegenspieler der Beifuß-Ambrosie auch in Europa zum Einsatz kommen - diese Frage kann auch Experte Schaffner derzeit noch nicht beantworten:
    "Nicht in den nächsten Jahren. Man weiß aus diesen Projekten, die in vielen Teilen der Erde gemacht wurden, dass es etwa fünf bis zehn Jahre dauert, bis die Behörden eine Entscheidung fällen können, ob sie so ein Insekt freisetzen oder nicht."
    So lange bleibt es auf jeden Fall dabei: Bekämpfen kann man den unerwünschten Einwanderer höchstens konventionell - zum Beispiel, indem man ihn rigoros ausrupft.