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Kälte-Gene
Wie sich Kiefer und Fichte vor Frost schützen

Im Gegensatz zu Laubbäumen, die ab dem Herbst ihre Blätter verlieren, können Fichten, Tannen und Co. das ganze Jahr über ihre Nadeln tragen. Selbst Minusgrade und Frost können ihnen nichts anhaben. Das verdanken die Bäume ihren Genen.

Von Michael Lange | 23.09.2016
    Während die Laubbäume in diesem Mischwald im Grand Teton National Park in Wyoming längst ihr kahles Winterkleid zeigen, kann die Drehkiefer auch unter derart unwirtlichen Bedingungen Fotosynthese betreiben
    Während die Laubbäume in diesem Mischwald im Grand Teton National Park in Wyoming längst ihr kahles Winterkleid zeigen, trotzt die Drehkiefer dank genetischem Frostschutzmittel der Kälte. (imago stock&people)
    Auf den riesigen Flächen Kanadas wird es im Winter eisig kalt. Die meisten Pflanzen würden hier erfrieren. Einigen Nadelbäumen jedoch macht der Frost anscheinend nichts aus. Sie haben sich in vielen Millionen Jahren Evolution an die Kälte angepasst. Sally Aitken hat die Genetik der Anpassung untersucht. Sie lehrt als Professorin an der University of British Columbia in Vancouver:
    "Wir haben erforscht, wie eine bestimmte in Kanada heimische Kiefernart und eine Fichtenart mit unterschiedlichen Klimabedingungen fertig werden. Dazu haben wir 23.000 Gene im Erbgut verglichen. Die Bäume stammten aus verschiedenen Regionen Kanadas von 250 Standorten."
    Gene sorgen dafür, dass Nadelbäume nicht frieren
    Sally Aitken und ihr Team verglichen die Gene der Bäume auf kalten Standorten im Landesinnern Kanadas mit denen auf milderen Standorten an der Küste. So entdeckten sie im Genom von Kiefern und Fichten jeweils 43 Gene, die mit der Kälte zusammenhängen. Sie sorgen anscheinend dafür, dass die Nadelbäume im Winter nicht erfrieren:
    "Wir waren überrascht. Obwohl beide Arten seit 140 Millionen Jahren genetisch getrennt sind, also nicht nah verwandt sind, benutzen sie anscheinend die gleichen Gene, um sich bei niedrigen Temperaturen zu schützen."
    Die gleiche Entwicklung hat also bei Kiefern und Fichten unabhängig voneinander stattgefunden. Möglicherweise gibt es nicht so viele genetische Varianten, die einen guten Frostschutz bieten.
    Genverdopplung eröffnet neue Möglichkeiten für die Evolution
    Ähnliche Mechanismen der Anpassung sind auch bei anderen Arten zu finden. Darauf verweist Angela Hancock. Die Wissenschaftlerin vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln untersucht die Temperatur-Anpassung bei der Ackerschmalwand Arabidopsis. Sie hat die Arbeit ihrer kanadischen Kollegen für das Wissenschaftsmagazin Science kommentiert. Besonders interessiert sie sich für Verdopplung von Genen:
    "Viele der Erbanlagen, die für den Frostschutz verantwortlich sind, stammen von Genen ab, die sich zuvor verdoppelt haben. Das unterstützt die Theorie, dass eine Genverdopplung der Evolution neue Freiheiten schenkt und Möglichkeiten eröffnet. Wenn ein Gen doppelt existiert, kann eine der Kopien andere Aufgaben übernehmen und sich weiter entwickeln."
    Es ist bekannt, dass Nadelbäume eigene biologische Frostschutzmittel produzieren. Sie verhindern damit die Entstehung von Eiskristallen, und sie schützen empfindliche Proteine im Innern der Zellen, so dass diese auch bei Minusgraden arbeiten können.
    Die Forscher haben nun 43 Gene entdeckt, die anscheinend für diesen Frostschutz verantwortlich sind. Die Verbindung von Genetik und Biochemie fehlt allerdings noch, erklärt Angela Hancock:
    Gesucht: Geeignete Bäume für den Klimawandel
    "Wir wissen nicht, was genau die genetischen Veränderungen bei den Nadelbäumen bewirkt haben. Denn Bäume besitzen riesige Genome, und die Analyse der einzelnen Funktionen ist kompliziert. Mit neuen genetischen Daten können wir diese Fragen angehen."
    In Zeiten des Klimawandels wollen die kanadischen Forscher besser verstehen, wie sich Nadelbäume an veränderte Temperaturen anpassen. Damit Förster in Zukunft die besten Bäume auswählen können, um neuen Herausforderungen zu trotzen.