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Europawahl
Ein Duell mit feinen Unterschieden

In der ARD-Wahlarena trafen die beiden Spitzenkandidaten der zwei größten EU-Fraktionen aufeinander: Manfred Weber von der Europäischen Volkspartei und Frans Timmermans von der Sozialdemokratische Partei Europas. Wirkliche Unterschiede gab es vor allem beim Thema CO2-Steuer.

Kolja Unger | 08.05.2019
Das Bild zeigt Manfred Weber und Frans Timmermans, Sie stehen während einer Fernsehdebatte hinter Pulten.
Manfred Weber (l, EVP) und Frans Timmermans (SPE), Spitzenkandidaten für die Europawahl (dpa / Rolf Vennenbernd)
"Die Wahlarena zur Europawahl mit ihren Spitzenkandidaten Frans Timmermans und Manfred Weber."
Es folgt ein sanfter Schlagabtausch. Doch trotz überwiegender Gemeinsamkeiten gibt sich besonders der niederländische Sozialdemokrat Timmermans Mühe, Unterschiede zu seinem Gegenüber herauszuarbeiten.
Timmermans: "Wir brauchen eine europäische CO2-Steuer auf der europäischen Ebene."
Weber: "Man muss sehen, dass diese CO2-Steuer sich gut anhört, aber sie heißt höhere Benzin- und Heizölpreise für die ärmeren in der Gesellschaft. Wir brauchen neue Produkte, ich will neue Technologien."
Timmermans: "Sie suchen immer neue Gründe, das nicht zu tun, das geht aber nicht."
Dossier: Europawahlen
Alle Beiträge zum Thema finden Sie auf unserem Europawahl-Portal (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
Fokus auf Klimapolitik
Generell nimmt die Klimapolitik viel Raum ein. In der grundsätzlichen Zielsetzung sind sich Kommissionsvize Timmermans und der EVP-Fraktionsführer Weber hier jedoch schnell einig:
Weber: "Ich sicher ihnen zu, diese Bevorzugungen des Fluggeschäftes, die muss in Europa beendet werden. Dass die CO2-Bepreisung beim Flug mit reingenommen wird, dann hat die Bahn auch wieder bessere Chancen im Wettbewerb.
Moderator: "Klare Ansage. Herr Timmermans, Sie haben genickt."
Timmermans: "Kerosinsteuer unbedingt und zwar schnell."
Auch im nächsten großen Fragenbloc - Migration und Flucht - teilen beide Spitzenkandidaten die Meinung, man brauche eine gemeinsame Afrika-Politik.
"Was wir jetzt brauchen, was keiner noch glaubt, ist eine Versöhnung zwischen Europa und Afrika", sagt Timmermans - Flucht- bzw. Migrationsursachen vor Ort bekämpfen.
Das klappt allerdings nicht von heut auf morgen. Was also, wenn dennoch Menschen aus Afrika nach Europa kommen? Während Timmermans bei dieser Frage mehr Wert auf ein solidarisches Europa legt, macht sich Weber für mehr Grenzsicherung stark: " Dass wir 10.000 Frontex-Beamte bekommen, die auch an der Außengrenze Kommando-Gewalt übernehmen."
Diskussion überzeugter Europäer
Und wenn Weber sich auch an dieser Stelle harsch von der Sozialdemokratie abgrenzt, gemessen an den 90 Minuten Sendezeiten, wirken die Differenzen zu Timmermans nuanciert.
Bei Fragen nach mehr Transparenz bei Lobbyismus, dem Durchsetzen der Rechtsstaatlichkeit in Rumänien, Ungarn oder Polen und nicht zuletzt der Geschlechtergerechtigkeit hören sich die Antworten überraschend ähnlich an.
Weber: "Ich verspreche, dass die nächste Europäische Kommission zu 50 Prozent mit Frauen besetzt werden muss."
Bei den meisten Fragen stehen keine Kontrahenten gegenüber: Timmermans wie Weber zeigen sich als überzeugte Europäer.
Weber: "Und daher geht es am 26. Mai darum, diese großen Errungenschaften, die wir gemeinsam auf dem Kontinent erreicht haben, gegen die Nationalisten zu verteidigen."
Appell an Wähler und Wählerinnen
Womit sie an diesem Abend nicht allein sind. Das Studio-Publikum, laut ARD-Angaben ein Querschnitt der in Deutschland Wahlberechtigten, wirkt, als würde es geschlossen aus dem mitte-linkspolitischen Spektrum kommen. Keine Frage, nach der Größe der Kommission, auch nicht ob es das Parlament in Straßburg noch braucht. Das Publikum möchten mehr Europa, nicht weniger:
Frau aus dem Publikum: "Meine Frage bezieht sich auf die Bürgerinitiative. Und zwar wäre es meiner Meinung nach wichtig, dass man mehr europäisch wählen kann."
Alles in allem also eine Diskussion der feinen Unterschiede derzeit koalierender Fraktionen. Mit noch zwei weiteren Funktion: Erstens konnten die in Deutschland noch relativ unbekannten Politiker ihren Wählerinnen und Wählern näherkommen um – zweitens - die Bedeutung der Wahl an sich hervorzuheben.
Timmermans: "Wenn wir gleichgültig bleiben und nicht zur Wahl gehen, kann es uns passieren - so wie es in Amerika passiert ist und so wie es auch beim Brexit in Großbritannien passiert ist - also bitte, Sie entscheiden, welches Europa wir in den nächsten fünf Jahren bekommen."