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Kärnten
Schmuggelroute über die Karawanken

Die Berge der Karawanken waren lange eine natürliche Grenze zwischen Österreich und Slowenien. Seit dem Wegfall der Grenzen sind auf den alten Schmuggelwegen nur noch Wanderer unterwegs – dabei wird die touristische Erschließung heftig diskutiert.

Von Philipp Blanke | 06.07.2014
    Blick vom Goldeck auf die Nockberge und die Karawanken. (Undatierte Aufnahme).
    Blick auf die Karawanken: Hier kann man heute auf alten Schmugglerwegen wandern. (picture alliance / dpa / Winter)
    Es ist kurz vor drei Uhr morgens. Unsere kleine Gruppe kämpft sich ihren Weg durch ein Mischwaldgebiet am Eingang der Karawanken in Südkärnten. Unser Ziel ist das Gipfelplateau der Ferlacher Spitze, das wir vor Sonnenaufgang erreichen wollen. 1742 Meter hoch müssen wir dafür steigen. Mit einem Jeep sind wir bis an den Fuß der Wanderstrecke gefahren. Sofort als die Lichter des Wagens aus sind, umgibt uns Dunkelheit. Keiner von uns hat eine Taschenlampe dabei. Bewusst. Aber man braucht sie auch kaum, denn der Mond scheint hell in dieser Nacht und sobald sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, können wir fast alle Details um uns herum ausmachen.
    Einige hundert Meter führt uns der Weg mitten durch den Wald. Dies ist der gefährlichste Abschnitt, denn hier sieht man wirklich nichts. Wir bewegen uns vorsichtig und tastend. Man hört kein Vogelgezwitscher. Denn es ist noch zu früh. Immer steiler wird der Weg. Wir kommen ohne Bergsteigergeräte aus, aber feste Schuhe, mit denen man auf dem zunehmend felsigen Boden trittsicher ist, sind unerlässlich. Unser Bergführer Walter Mamedof macht die Tour seit fast 25 Jahren. Er kennt das Gelände wie seine Westentasche und läuft die Tour barfuß. Ihm ist der kleine familiäre Rahmen wichtig. Massentourismus möchte er hier auf keinen Fall machen:
    "Es gibt umgebaute Militärwägen damit kriegt man mehr als 30 Leute hier rauf. Das interessiert mich nicht. Ich habe einen Jeep, da haben acht Leute Platz. Und damit fertig aus. Das wird nie eine Massenveranstaltung werden, denn dann gehe ich nicht mehr. Aus."
    Beliebte Schmugglerroute
    Nur noch kleine rot-weiß-rote Wegmarken auf einigen Felsen verraten, dass wir uns noch in Österreich befinden. Die slowenische Grenze ist nur noch einen knappen Kilometer entfernt. Der Weg, auf dem wir jetzt unterwegs sind, war früher eine beliebte Schmugglerroute auf der Verbindung zwischen Jugoslawien und Kärnten. Als wir den Wald hinter uns gelassen haben stehen wir vor einer großen Blockhütte: das ehemalige Zollhaus. An der Wand hängt ein rostiges Schild "Zollwach Unterkunftshütte - Zutritt fremden Personen untersagt". Zwei Zöllner und ein Schäferhund mussten früher von hier aus ein mehrere hundert Hektar großes Gebiet überwachen.
    Der Baumwuchs wird zunehmend spärlicher. Der Weg ist an einigen Stellen so steil, dass wir uns teilweise an Farnen und Binsen festhalten, um nicht abzurutschen. Dann ist es geschafft und wir stehen auf dem Plateau der Ferlacher Spitze. Obwohl wir an diesem Tag Temperaturen über 25 Grad bekommen werden ist es hier schneidend kalt und windig. Atemwolken dampfen aus unseren Mündern. Vor dem Gipfelkreuz befindet sich eine Marmortafel. Darauf steht: Errichtet im Juni 1973 von den Villacher Bergwächtern. Daneben befindet sich in einem kleinen Kasten das Gipfelbuch. Viele Wanderer haben sich hier drin verewigt. Einige Clubs und viele Liebespaare, die nur das Datum und Initialen wie C+F oder P+E hinterlassen haben.
    Von hier oben reicht der Blick weit ins Land. Die legendäre Kärntener Seenplatte mit dem Wörthersee, dem Faaker und dem Ossiacher See liegt türkis-blau und friedlich unter uns. Die Strecke, auf der wir gewandert sind, ist beliebt. Mehrere Unternehmen schicken ihre Führungskräfte auf diesem Trip und findige Geschäftsleute würden das Areal am liebsten komplett erschließen sagt Walter Mamedof:
    "Jetzt ist der Auftrag, der Hauptauftrag, die ganzen Berge etwas zu schützen, damit sie nicht vergewaltigt werden in alle Richtungen. Muss es sein, dass die auf 2800 Metern ein Gourmetrestaurant bauen? Die Leute haben doch einen Vogel. Denn irgendwann ist Stopp."
    Restaurant oder Naturschutzgebiet
    Die Gelände im Umkreis sind längst alle von Investoren und Großunternehmern aufgekauft worden. Walter Mamedof sieht das mit Besorgnis und hofft, dass der Eigner der Ferlacher Spitze mit seiner Idee zum Zuge kommt, aus dem Areal ein Naturschutzgebiet zu machen:
    "Er hat Verhandlungen in Brüssel und das ist gar nicht einfach, weil unsere Politik da viel zu träge ist. Und natürlich müssen dort Beschlüsse gemacht werden, dann gibt es gewisse Richtlinien, die hier stattfinden müssen. Aber das ist auf Schiene und das wird durchgehen. Hundertprozentig."
    Auf die Sonne warten wir heute vergeblich. Es bleibt bedeckt. Trotzdem bietet sich uns ein Ausblick, den wir so schnell nicht vergessen werden. Wir machen uns auf den Rückweg. Am Fuße des Berges befindet sich ein Hüttengasthof, wo wir unser Frühstück zu uns nehmen wollen. Der Wirt öffnet, nachdem wir mehrere Minuten lang geklopft haben, verschlafen und im Nachthemd. Ihr seid aber früh dran, sagt er zur Begrüßung und lacht.