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Kahlschlag bei E.ON und RWE

Die großen Energieversorger E.ON und RWE sind vom unerwarteten Atomausstieg im Zuge der Katastrophe von Fukushima überrascht worden. Jetzt stehen beide Unternehmen vor einem radikalen Umbau, dem Tausende Stellen zum Opfer fallen sollen.

Von Günter Hetzke | 12.12.2011
    Andreas Kolbe: Günter Hetzke aus der Wirtschaftsredaktion des Deutschlandfunks. Heute sollen die Aufsichtsräte von E.ON und RWE über den geplanten Stellenabbau beraten. Über welche Größenordnung sprechen wir hier überhaupt?

    Günter Hetzke: Die Größenordnung beim Energieriesen E.ON hatte Konzernchef Johannes Teyssen ja schon bei der Vorlage der Halbjahresbilanz im August dieses Jahres genannt. Danach könnten weltweit insgesamt bis zu 11.000 Arbeitsplätze von 79.000 wegfallen. In Deutschland wäre etwa jeder fünfte Beschäftigte betroffen. In Zahlen heißt das: Gut 6000 Menschen könnten ihren Arbeitsplatz bei E.ON verlieren. Beim Energiekonzern RWE geht es um 8000 Arbeitnehmer von weltweit 72.000. Auch diese Größenordnung wurde vom Konzern bestätigt.

    Kolbe: Stellenabbau heißt ja nicht gleich Entlassungen – auf welchen Wegen wollen sich denn die Konzerne von ihren Mitarbeitern trennen?

    Hetzke: Das ist in der Tat ein wesentlicher Gesichtspunkt. Es gibt zwar bislang nur grobe Schätzungen, aber wirklich entlassen werden bei RWE etwa 1000 Menschen in Deutschland. Und das auch erst ab Ende 2012, denn bis dahin gilt ein Tarifvertrag mit den Gewerkschaften, der einen Kündigungsschutz vorsieht. Wenn danach zum Beispiel alte Braunkohlekraftwerke, wie vorgesehen, durch moderne ersetzt werden, dann braucht man für diese neuen Anlagen schlicht weniger Mitarbeiter als vorher. Und da könnte es zu Entlassungen kommen. Die Mehrheit aber verliert nicht ihre Stelle, sondern bekommt vielmehr einen neuen Arbeitgeber. Denn RWE plant einige Firmen oder Firmenteile zu verkaufen. Im Gespräch ist zum Beispiel immer wieder die Gas- und Öl-Tochter Dea. Die Mitarbeiter hier würden dann also erst einmal ihren Arbeitsplatz behalten und nur unter einen neuen Flagge beschäftigt werden. Bei E.ON ist im Gespräch, die Hälfte der Betroffenen, also rund 3000 Menschen in den Vorruhestand zu schicken. Viele andere werden in Tochtergesellschaften mit neuen Aufgaben betreut, so die Idee, die diskutiert wird – wie zum Beispiel beim Ausbau der dezentralen Energieversorgung, also dem Verkauf von BHKW, also Blockheiz-Kraftwerken für Unternehmen oder Mehrfamilienhäuser. Genaue Beschlüsse werden aber erst heute auf der Aufsichtsratsitzung fallen.

    Kolbe: Sie haben jetzt Braunkohlekraftwerke angesprochen, die Öl- und Gastochter. Das alles hat mit Atomkraftwerken nichts zu tun. Inwiefern kann man denn sagen, dass diese Stellenstreichungen und dieser Stellenabbau tatsächlich eine Folge dieses vorgezogenen Atomausstiegs sind?

    Hetzke: Beide Konzerne haben viel auf Pump investiert und sind stark verschuldet. Wenn dann eine wichtige Einnahmequelle versiegt, dann bringt das die Kalkulation natürlich durcheinander. Die AKW werden, beziehungsweise wurden ja nicht von ungefähr als Gelddruckmaschinen bezeichnet und diese Quelle versiegt. Und inwieweit man da mit Schadenersatzansprüchen wegen Enteignung gegenüber der Bundesregierung später Erfolg haben wird und das die Kassen wieder füllen kann - nun, das ist derzeit völlig ungewiss. Insofern muss gespart werden, um neu investieren zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben.

    Kolbe: Die Konzerne stehen vor einem Radikalumbau – auch das haben Sie erwähnt. Wohin geht da die Reise? Wie sehen sich E.ON und RWE in diesem Prozess?

    Hetzke: Neben Stellen- und Schuldenabbau und dem Verkauf von Unternehmen oder Firmenanteilen müssen beide Konzerne vor allem zwei Baustellen bearbeiten. Zum einen: Sie sind so gut wie gar nicht auf dem Markt für erneuerbare Energien tätig, der eine wesentliche Rolle bei der Energieversorgung in Deutschland spielen soll. Ihr Anteil liegt jeweils im einstelligen%bereich. Und beide Unternehmen müssen zudem zusehen, dass sie aus ihren teuren Lieferverträgen mit den Gasproduzenten herauskommen. Denn die Kunden sind nicht bereit, diese hohen Preise zu zahlen und die Konzerne sitzen nun auf diesen langfristig vereinbarten Vertragsbedingungen. Da laufen aber auch schon – zum Teil erfolgreich - Gespräche. E.ON selbst sieht seine Zukunft auch verstärkt in den industriellen Schwellenländern. Hier peilt der Konzern vor allem neue Kraftwerke in Brasilien, Indien oder der Türkei an, also in Ländern, in denen die Wirtschaft und damit die Nachfrage nach Energie wächst. Das sind für E.ON die Märkte der Zukunft.

    Kolbe: Bei den Energiekonzernen E.ON und RWE entscheiden die Aufsichtsräte heute über den geplanten Abbau Tausender Stellen – Informationen und Einschätzungen waren das von Deutschlandfunk-Redakteur Günter Hetzke, vielen Dank!