Mittwoch, 24. April 2024

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Kaiser Maximilian I.
"Er war ein großer Propagandist"

Das Reiss-Engelhorn-Museum widmet sich derzeit Kaiser Maximilian I., der als "letzter Ritter" in die Geschichte einging. Er sei sehr stark noch dem Mittelalter verhaftet gewesen, habe zugleich aber die moderne Artillerie gefördert und sich des Buchdrucks bedient, sagte Matthias Pfaffenbichler vom Kunsthistorischen Museum in Wien und Kurator der Schau im DLF.

Matthias Pfaffenbichler im Gespräch mit Beatrix Novy | 12.04.2014
    Im Turnierbuch "Freydal" ist am 10.04.2014 in Mannheim (Baden-Württemberg) im Museum Zeughaus der Reiss-Engelhorn-Museen in der Ausstellung "Kaiser Maximilian I. - Der letzte Ritter und das höfische Turnier" eine Zeichnung des Ritters Maximilian (l) im Kampf mit einem Gegner zu sehen.
    Eine Zeichnung Im Turnierbuch "Freydal" zeigt Ritter Maximilian (l) im Kampf mit einem Gegner. (Eine Zeichnung aus dem Turnierbuch "Freydal" zeigt den Ritter Maximilian (l) im Kampf mit einem Gegner zu sehen.)
    Beatrix Novy: Kaiser Maximilian von Habsburg, der war es, der aus einem kleinen Erzherzogtum in Österreich ein Weltreich machte. Er heiratete das reiche Burgund, also die Erbin, und diese Heiratspolitik setzte er mit seinen vielen Enkeln Richtung Portugal, Spanien, Dänemark und so weiter fort. Kaiser Maximilian hat einen Beinamen, der letzte Ritter, und überhaupt hat er einen legendären Ruf als Draufgänger, Kunstfreund, Selbstdarsteller. In Mannheim zeigt jetzt das Reiss-Engelhorn-Museum diesen frühneuzeitlichen Herrscher, der anders als seine Vorgänger schon ziemlich fest im Sattel saß, denn vorher war Kaiser oder König sein ja keineswegs eine so gesicherte Position. Die Ausstellung wird ausgerichtet von Matthias Pfaffenbichler vom Kunsthistorischen Museum in Wien, und ich habe ihn gefragt: Weil das Rittertum als adelige Kaste sich zu Max's Zeiten doch schon eigentlich überlebt hat, wieso wird er denn der letzte Ritter genannt?
    Matthias Pfaffenbichler: Erstens: Die Bezeichnung letzter Ritter ist eine Bezeichnung aus dem 19. Jahrhundert. Er nennt sich ja selbst nicht so. Und zweitens lebt das Rittertum, also diese adelige Kultur, noch weit fort, auch ins 16. Jahrhundert hinein. Das Turnier ist durchaus nicht mit ihm zu Ende, sondern das gibt es während des ganzen 16. Jahrhunderts bei uns im habsburgischen Bereich bis ins 17. Jahrhundert, in Schweden sogar bis zum 18. Jahrhundert. Also so kann man es nicht sagen, dass das Rittertum zu Ende war. Es verändert sich nur was, und das merkt man an Maximilian ganz stark. Er ist einerseits sehr an dieses Mittelalter gebunden, er lässt sich noch einen Ritter-Roman schreiben, er überlegt einmal, die Würde des Papstes und des Kaisers zu vereinen. Das sind so Vorstellungen, die sicher mittelalterlich sind. Andererseits ist er der große Förderer der modernen Artillerie. Er fördert die Landsknechte, er ist der Vater der Landsknechte. Das ist die moderne europäische Infanterie, eine der besten Infanterieeinheiten, die es gegeben hat. Und er bedient sich für seine Selbstpropaganda des Buchdruckes, damals das modernste Kommunikationsmedium. Da ist er ganz modern.
    Novy: Er war Kunstförderer, er war Autor und war auch Kriegsmann. Aber für seine Selbststilisierung hat er dann schon auch die Kunstform des Turniers gewählt, was ja dann auch wiederum zu interessanten Kunstprodukten geführt hat.
    Pfaffenbichler: Natürlich. Er bedient alle Mittel. Auch eine Selbstbiografie wird gemacht. Er nutzt da den römischen Triumphbogen, den er in einer Papierform in Form der Ehrenpforte machen lässt. Er lässt sich einen Triumphzug malen. Aber auch ein Turnierbuch, ein ganz bedeutendes Turnierbuch mit über 264 Einzelminiaturen. Davon zeigen wir hier in Mannheim 34. Und das zeigt ihn in all den verschiedenen Spielarten des Turniers. In allen Szenen ist immer Maximilian.
    Novy: Er ist immer der Teilnehmer.
    Pfaffenbichler: Er ist immer Teilnehmer. Er selbst ist nicht genannt, weil es ist klar, das ist er, und nur sein Gegner ist immer namentlich genannt.
    Novy: Es ist immer selbstverständlich: Der Kaiser sitzt auf einem der Pferde.
    Pfaffenbichler: Genau.
    Novy: Wie sah so ein Turnier eigentlich aus in der Realität?
    Pfaffenbichler: In der Realität – es gibt unterschiedliche Spielarten. Da muss man sich im Klaren sein. Es gibt Turniere zu Pferd, es gibt aber auch Turniere zu Fuß. Zu Pferd gibt es zu seiner Zeit drei große Spielarten: Es gibt noch immer das Kolbenturnier, das aus dem 15. Jahrhundert kommt, das er eher wenig betreibt. Es gibt dann das berühmte Stechen, das ist ein Turnier in einem sehr schweren Harnisch, ein Harnisch, der über 40 Kilo schwer ist, wo man mit einer stumpfen Lanze den Gegner versucht, aus dem Sattel zu werfen. Und es gibt die noch viel gefährlichere Turnierform: das Rennen zu Pferd. Hier wird mit einer Spitzenlanze versucht, den Gegner zu treffen, mit entsprechend höherem Risiko. Damit sie all diese Turnierformen gut überstehen konnten, brauchten sie spezialisierte Harnische.
    Novy: Es war ein gefährliches Spiel.
    Pfaffenbichler: Es war ein gefährliches Spiel. Ohne diesen spezialisierten Harnisch würden Sie wahrscheinlich überhaupt nicht überleben. Mithilfe des spezialisierten Harnisches ist die Zahl der Verletzungen sehr stark eingeschränkt, aber es sind immer wieder Leute doch auch umgekommen im Turnier. Wir wissen, der französische König Heinrich II. stirbt im Turnier, der österreichische Herzog Leopold V. bricht sich im Turnier den Oberschenkel und stirbt daran. Es gibt immer wieder Todesfälle. Auch Maximilian stürzt öfters so stark, dass er dann mehrere Wochen nicht reisen kann.
    Novy: Die Verewigung dieser Turniere waren ja gleichzeitig große Kunstaufträge. Hat das die künstlerische Produktion weiter gebracht?
    Pfaffenbichler: Natürlich. Er hat zahlreiche Künstler beschäftigt für seine verschiedensten Projekte. Altdorfer zum Beispiel war einer der Künstler, Dürer arbeitet für ihn. Aber das Problem, das Maximilian gehabt hat: Er war ein großer Propagandist und war sehr sprunghaft. Er zieht oft die Künstler von einem Projekt ab, um ein neues zu beginnen, und daher werden viele Projekte, die er begonnen hat, nicht fertig. Und am Schluss hat er sehr wenig Geld, sodass viele Projekte unfertig bleiben, oder selbst, wenn sie fertiggestellt werden, dann nicht mehr vollständig zu Ende gebracht werden. Das beste Beispiel dafür ist der Weißkunig, eine Selbstbiografie mit zahlreichen Holzschnitten. Der wurde fertig geschnitten, aber nicht mehr zu seinen Lebzeiten gedruckt. Der Druck ist erst im 18. Jahrhundert erfolgt.
    Novy: Auch das gehört zum langen Nachleben eines Künstler- und Kriegerherrschers. – "Kaiser Maximilian I., Der letzte Ritter und das höfische Turnier", so heißt die Ausstellung im Reiss-Engelhorn-Museum in Mannheim. Dank an Matthias Pfaffenbichler, der das Interview gegeben hat.