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Kalb: Debatte um Schuldenkrise nicht mit Koalitionsfrage belasten

Im Streit zwischen CDU und FDP um den Umgang mit der Euro-Schuldenkrise rät der finanzpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Bartholomäus Kalb, schwierige Euro-Themen nicht mit Koalitionsfragen zu belasten. Denkverbote gäbe es nicht, die Frage sei, wo und wie man sich öffentlich äußert.

Bartholomäus Kalb im Gespräch mit Martin Zagatta | 14.09.2011
    Martin Zagatta: Kanzlerin Merkel hat versucht, ihren Wirtschaftsminister Rösler zurechtzuweisen. Ihre Aufforderung, nicht mehr öffentlich an der Zahlungsfähigkeit Griechenlands zu zweifeln, wird von der FDP-Führung aber ignoriert. Mitgehört hat Bartholomäus Kalb, finanzpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Guten Tag, Herr Kalb.

    Bartholomäus Kalb: Guten Tag, Herr Zagatta.

    Zagatta: Herr Kalb, wenn ich Sie jetzt frage, ob Sie Zweifel an der Zahlungsfähigkeit Griechenlands haben, dürfen Sie dann überhaupt etwas sagen, denn das soll man ja nicht, sagt Frau Merkel?

    Kalb: Na ja, gut, die Zweifel sind ja allgemein bekannt und darüber wird allgemein gesprochen. Also es hätte überhaupt keinen Sinn, solches nicht anzuerkennen.

    Zagatta: Also das ist ein Witz, was Frau Merkel da fordert?

    Kalb: Nein. Was Frau Merkel zurecht fordert, ist, dass man sehr sorgfältig umgeht, dass man sich wohl überlegt, welche Äußerungen man öffentlich tut, weil ja jede Äußerung, insbesondere von Spitzenpolitikern, geeignet ist, die Finanzmärkte noch mehr in Unordnung zu bringen, in Aufruhr zu bringen, und das schadet der Stabilität des Euros und das schadet natürlich auch der Entwicklung an den Märkten.

    Zagatta: Aber wenn Frau Merkel jetzt fordert, die Zahlungsfähigkeit Griechenlands nicht anzuzweifeln, nicht öffentlich anzuzweifeln, was soll das? Ist das Vogel-Strauß-Politik? Da zweifelt doch keiner!

    Kalb: Ich habe Frau Merkel so verstanden, dass sie wünscht, dass nicht weiter öffentlich spekuliert wird über die Situation Griechenlands, damit also hier auf europäischer Ebene, in der Eurozone gemeinsam Konzepte entwickelt werden können und dass auch Griechenland in die Lage versetzt wird, sich selber die weitere Zukunft genau zu überlegen und zu überlegen, welche Schritte dieses Land einschlagen möchte.

    Zagatta: Aber man schickt doch im Moment, die EU und andere Finanzorganisationen schicken im Moment Experten nach Griechenland, die genau das bewerten sollen, ob Griechenland zahlungsunfähig ist oder nicht. Sie müssen demnächst im Bundestag darüber entscheiden. Wieso soll das dann aus der öffentlichen Diskussion ausgeklammert werden?

    Kalb: Die Frau Bundeskanzlerin und Bundesfinanzminister Schäuble haben letzte Woche keinen Zweifel daran gelassen, wenn der Bericht der sogenannten Troika nicht zu einem positiven Ergebnis kommt, wird es zulasten Deutschlands keine Zahlungen an Griechenland geben.

    Zagatta: Was sagen Sie zu Meinungen von Ökonomen, die wir ja ständig jetzt in Interviews hören, die sich auch mit Briefen (200 Ökonomen) an die Bundesregierung gewandt haben und eben davon ausgehen, dass Griechenland schon so gut wie zahlungsunfähig ist?

    Kalb: Also ich gehe mal davon aus, das wir die Delegation, die Troika alles bearbeiten, ergründen und dann ein Votum abgeben, und danach entscheidet sich dann, wie der Weg weitergeht.

    Zagatta: Was sagen Sie zu der Reaktion jetzt aus der FDP, die sagt, man werde sich keine Denkverbote auferlegen lassen?

    Kalb: Denkverbote gibt es nicht. Die Frage ist dann immer, wo und wie man sich öffentlich äußert. Das ist das eine, und ich bin hier ganz auf der Seite von Herrn Brüderle, der selber sagt, man muss mit diesen Themen umsichtig umgehen.

    Zagatta: Also da steht die CSU der FDP näher als ihrer Schwesterpartei CDU?

    Kalb: Ich weiß jetzt nicht genau, wie die Abstände meinetwegen sind. Das ist nicht der Punkt. Aber uns eint alle die Sorge um die Zukunft des Euros, uns eint alle die Sorge um die Stabilität des Euro-Raumes, und insofern muss man alles dieses, was gesagt wird, einerseits einordnen. Ich gebe zu, dass Spitzenpolitiker das Problem haben, dass die Bürger erwarten, dass wir eine klare Aussage treffen. Auf der anderen Seite ist jede Aussage auch geeignet, die Finanzmärkte weiter in Aufruhr zu bringen, und auch das können wir nicht brauchen. Deswegen kann man nur hoffen, dass möglichst bald eine Klarheit erzielt wird, wie es mit Griechenland weitergehen soll, mit möglichen Hilfen oder Nicht-Hilfen. Auch das würde meines Erachtens schon geeignet sein, wieder Ruhe auch auf den Finanzmärkten einkehren zu lassen.

    Zagatta: Aber die CSU lässt sich das feststellen, geht ja fast schon weiter, viel weiter als die FDP. Ihre Partei droht ja Schuldenstaaten wie Griechenland notfalls schon mit dem Ausschluss aus der Währungsunion. Also der Abstand zu Herrn Brüderle, was die CSU angeht, oder was Sie selbst angeht, ist wahrscheinlich geringer als der zu Frau Merkel im Moment?

    Kalb: Wenn ich es richtig verstanden habe, auch was der Parteivorsitzende Seehofer gesagt hat, bedeutet das, man sollte Griechenland die Entscheidungsfreiheit darüber lassen, welchen Weg dieses Land einschlagen möchte.

    Zagatta: Was heißt, was bedeuten dann Drohungen, dass man notfalls auch Staaten, die insolvent gehen oder bankrottgehen, dass man die ausschließen können muss? Darüber denkt die CSU ja nach, oder will das auf ihrem Parteitag so beschließen.

    Kalb: Darüber muss man ganz sorgfältig nachdenken, ob diese Option denn überhaupt eine geeignete Option ist. Ich würde fürs Erste hier noch nicht dieses alles querschreiben wollen.

    Zagatta: Was sagen Sie zu Äußerungen, dass jetzt der Koalitionsfrieden gefährdet ist, oder, wie wir das jetzt gerade aus Sachsen-Anhalt gehört haben, aus den Reihen der Union, dass da möglicherweise man schon an eine Große Koalition denken müsse?

    Kalb: Nein. Große Herausforderungen bedürfen natürlich einer besonders sorgfältigen und intensiven Befassung mit den Problemen. Aber ich denke, wir sollten jetzt auch nicht die Situation noch dadurch erschweren, dass wir ohnehin unrealistische Koalitionsgedankenspiele treiben.

    Zagatta: Haben Sie denn ein Problem mit der FDP?

    Kalb: Nein. Ich arbeite sehr vertrauensvoll mit den zuständigen Kollegen der FDP zusammen.

    Zagatta: Und das sollte die Union auch so sehen? Da wird im Moment etwas übertrieben?

    Kalb: Ich rate uns dringend, jetzt nicht auch noch die schwierigen Themen Euro dadurch zu belasten, dass auch noch Koalitionsfragen gestellt werden.

    Zagatta: Was bedeutet das jetzt, dass die Koalitionsfrage da jetzt doch plötzlich im Raum steht und dass man jetzt über eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands gar nicht mehr reden soll? Was bedeutet das jetzt für die anstehende Abstimmung im Bundestag für ein Hilfspaket für Griechenland, für den nächsten Rettungsschirm? Meinen Sie, der geht jetzt noch durch?

    Kalb: Also es ist eine Fehlinterpretation, wenn man sagt, man sollte über die Zahlungsfähigkeit oder Zahlungsunfähigkeit Griechenlands nicht reden, denn das wird sich ja nach dem Bericht der Troika herausstellen, und dann ist die nächste Frage ja, will die Eurozone weitere Kredite an Griechenland geben oder nicht. Also diese Frage kann man überhaupt nicht aus der politischen Diskussion, aus der parlamentarischen Diskussion draußen halten. Sie wird im Parlament stattfinden beziehungsweise in den zuständigen Ausschüssen stattfinden müssen, die ist nicht zu umgehen. Und die weiteren Fragen ergeben sich dann im Anschluss daran.

    Zagatta: Haben Sie da Zweifel, dass das durchkommt?

    Kalb: Wie meinen Sie das jetzt?

    Zagatta: In den Reihen der Union gibt es ja auch schon einige Kritiker, die auf alle Fälle mit Nein stimmen wollen.

    Kalb: Ja gut. Das gesamte Rettungspaket – wir dürfen hier natürlich nicht zwei, drei Dinge miteinander vermischen. Wir haben jetzt aktuell mit der Frage Griechenland zu tun, mit der Auszahlung der nächsten Tranche. Wir haben als Zweites die Modernisierung des EFSF, also dieser Finanzstabilitäts-Faszilität. Und wir haben dann drittens folgend noch die Entwicklung des europäischen Stabilitätsmechanismus, kurz ESM genannt. Man darf hier die Dinge nicht auch vermischen. Also werden wir zu allererst mal über die Frage Griechenland zu entscheiden haben, wie bereits gesagt worden ist, wie von der Bundeskanzlerin, wie vom Finanzminister gesagt wurde, dass hier nur weitere Tranchen gezahlt werden können, wenn der Bericht der Troika positiv ist. – Punkt eins.
    Punkt zwei: Wir verhandeln im Deutschen Bundestag gerade – letzte Woche war die erste Lesung – über die Modernisierung des EFSF, der bis 2013 gelten soll und dann vom ESM ja abgelöst werden soll. Hier geht es um die Frage, wie breit wird dann die Zustimmung dazu sein, dass wir ein derartiges Instrument brauchen und dass es modernisiert werden muss, dass auch die Parlamentsbeteiligung noch stärker geregelt werden muss. Da sind wir gerade dabei, dies alles vorzubereiten, nächste Woche in den Ausschüssen zu beraten und dann am Ende des Monats im Bundestag zu verabschieden. – Das ist der Punkt zwei und es kann kein Zweifel daran bestehen, unabhängig von Griechenland, dass die Eurozone einen Stabilitätsmechanismus braucht, wenn sich irgendwelche Verzerrungen innerhalb der Eurozone ergeben.
    Und das Dritte ist dann ...

    Zagatta: Ganz kurz bitte noch!

    Kalb: Das Dritte ist dann, dass ab 2013 dieses in ein neues System, in einen neuen Stabilitätsmechanismus überführt werden soll, und ich gehe davon aus, dass auch für den EFSF, wo die Abstimmung Ende September stattfinden wird, eine ausreichende Mehrheit auch in der Koalition gewährleistet sein wird, und große Oppositionsparteien haben ja schon angekündigt, dass sie das für notwendig erachten.

    Zagatta: Bartholomäus Kalb, der finanzpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Herr Kalb, herzlichen Dank, dass Sie bereit waren, sich da öffentlich zu äußern.

    Kalb: Ich danke Ihnen ganz herzlich und alles Gute. Auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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