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Kaliforniens "Yes means Yes"-Gesetz
Nein ist nicht genug

Kalifornien will die Strafverfolgung bei Vergewaltigungen und Sexualdelikten an Universitäten vereinfachen: Ein neues Gesetz schreibt vor, dass beide Partner vor dem Sex ihr Einverständnis erklären müssen. Doch die Frage ist: Wie soll das im Streitfall vor Gericht nachgewiesen werden?

Von Nicole Markwald | 22.12.2014
    Studenten gehen über den Campus der Universität in Berkeley mit dem Campanile, einem Glockenturm und Wahrzeichen des Gebäudes.
    Studenten in Berkeley: An kalifornischen Unis gelten neue Regeln für den Sexualverkehr (picture alliance / dpa / Barbara Munker)
    Eine kurze Umfrage auf dem Campus der University of Southern California bringt Überraschendes zutage. Ich frage etliche Studenten, die kurz vor der Weihnachtspause auf dem Weg zu ihren Kursen sind, ob sie schon mal von dem "Yes means Yes"-Gesetz gehört haben. Nein, haben sie nicht. Dabei wurde es für genau sie gemacht: für junge Frauen und - weil es in Kalifornien eine sogenannte geschlechtsneutrale Gesetzgebung gibt - auch junge Männer. Das Gesetz soll vor sexuellen Übergriffen schützen, einem massiven Problem vieler Universitäten in den USA. Laut der US-Behörde für Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung wird fast jede fünfte Studentin auf dem Campus Opfer sexueller Übergriffe.
    In Kalifornien gibt es seit Ende September ein neues Gesetz, dass die Strafverfolgung einfacher machen soll. Es heißt "Yes means Yes", also "Ja bedeutet Ja". Carolann Peters unterrichtet Sozialarbeit der USC. Zur Entstehung des "Yes means Yes"-Gesetzes sagt sie: "Hintergrund sind die vielen Fälle sexueller Übergriffe auf dem Campus. Jungen Frauen bekamen heimlich KO-Tropfen eingeschenkt oder sie wurden auf einer Party belästigt, hatten vielleicht zu viel getrunken und konnten nicht mehr richtig Nein sagen."
    Auch nonverbale Zustimmung möglich
    Wenn die jungen Frauen sich überhaupt jemandem anvertrauten, kamen sie häufig nicht weiter: Bislang wurde mangelnde Gegenwehr als Zeichen für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gewertet. Damit ist nun Schluss, dank Kevin de León. Der Demokrat steckt hinter der "Yes means Yes"-Initiative. Das neue Gesetz schreibt nun klipp und klar vor: Nicht nein zu sagen, gar nichts zu sagen oder sich nicht zu widersetzen, heiße noch lange nicht, dass man mit den Handlungen einverstanden sei. Jeder, der betrunken, unter Drogen, bewusstlos sei oder schlafe, sei unfähig, sich einverstanden zu erklären. Auch da ist das "Yes means yes"-Gesetz sehr deutlich.
    Stattdessen müsse zwischen zwei jungen Menschen, die miteinander intim werden, ganz klar sein, dass beide mit dem jeweils nächsten Schritt einverstanden seien. Eben mit einem "yes" - dem deutlichen Ja, einem Kopfnicken oder anderer nonverbaler Kommunikation, wie es in der Juristensprache in dem Gesetzestext steht.
    Sarah Mitchell studiert Journalismus an der USC. Sie hält "Yes means yes" für eine gute Idee: "Man muss ja nicht immerzu ‚ja' sagen, sondern kann auch zum Beispiel durch Anfassen seine Zustimmung kommunizieren. Ich könnte mir vorstellen, dass es häufiger zu Situationen kommt, die sich komisch anfühlen - aber es darf nicht den geringsten Zweifel geben, dass beide an jeder Stelle mit allem einverstanden sind."
    Bislang kein Fall vor Gericht
    Die Frage ist nur, wie man das im Streitfall vor Gericht nachweisen will. Noch gibt es keinen bekannten Fall, wo gegen das "Yes means Yes"-Gesetz verstoßen wurde - es gilt ja erst seit kurzer Zeit an sämtlichen privaten und öffentlichen Bildungseinrichtungen in Kalifornien. Damit betritt der größte US-Bundesstaat juristisches Neuland. Doch überall in den USA stehen Colleges unter Druck, eine bessere Handhabe bei sexuellen Übergriffen zu finden. Erst im Frühjahr hatte das Bildungsministerium in Washington Ermittlungen gegen inzwischen fast 80 Universitäten aufgenommen. Sie werden beschuldigt, die Aufklärung sexueller Übergriffe zu verhindern.
    Doch um sich auf das "Yes means Yes"-Gesetz berufen zu können, müssen die Studenten es überhaupt kennen. Und da hat vermutlich nicht nur die University of Southern California noch viel aufzuholen.