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Kalkbildende Bakterien
Aus Staub wird Stein

Bakterien, die durch Absonderungen Staub in Stein verwandeln, werden von Wissenschaftlern auf der ganzen Welt intensiv erforscht. Sie könnten etwa Risse in Beton schließen oder Sandstrände vor der Erosion bewahren. Im Bergbau werden sie bereits eingesetzt.

Von Claudia Doyle | 13.02.2017
    Achthundert Meter unter Tage wird am 27.11.2003 im thüringischen Unterbreizbach bei Bad Salzungen mit dem sogenannten Ankern der Abbbau einer neuen Kalilagerstätte im hessisch-thüringischen Kalirevier vorbereitet.
    Arbeiter im Bergbau leiden oft unter dem Staub, der während der Arbeit entsteht. (dpa / picture-alliance / Martin Schutt)
    Tagebauten sind eine dreckige Angelegenheit. Bagger schürfen Kies und Kohle aus dem Berg, Explosionen sprengen Granitfelsen auseinander und immer stiebt und staubt es dabei. Martin Spitznagel ist während seines Studiums in Madrid auf dieses Problem aufmerksam geworden. Und er hat gewusst, dass es in den Laboren verschiedener Universitäten eine potenzielle Lösung dafür gibt: Bakterien, die Staub in Stein verwandeln können.
    "Der primäre Zweck ist einfach, dass man Staub effektiv unterdrückt, Nummer eins. Nummer zwei ist, dass man dadurch natürlich auch die Gesundheit von den Arbeitern positiv beeinflusst."
    Gut für die Gesundheit der Arbeiter
    Denn weniger Staub schont nicht nur die Maschinen, er bedeutet natürlich auch weniger Staublungen. Martin Spitznagels Firma DustBioSolutions hat deshalb staubverklebende Bakterien zur Marktreife gebracht. Er verkauft Bergbauunternehmen ein flüssiges Nährmedium in dem kalkausscheidende Bakterien leben. Wird diese Flüssigkeit mit der Gießkanne oder mit einer Sprenkleranlage auf staubige Böden aufgebracht, verfestigt sich der Staub.
    "Wenn Sie einen Sandstrand haben und wir geben dieses Material drüber, dann wird das so fest, dass man, wenn man möchte, auch mit einem LKW drüberfahren kann."
    Abhängig von den Umweltbedingungen dauert es zwischen sechs und achtundvierzig Stunden bis die Bakterien den Boden verfestigt haben. Und das funktioniert so: Die Bakterien erhöhen durch ihre Stoffwechselprodukte den pH-Wert der Umgebung. Gelöste Calcium- und Carbonationen verbinden sich dann zu festem Kalk, der wiederum einzelne Staubkörner miteinander verklebt. Sandstein entsteht.
    Beitrag zum Umweltschutz
    Spitznagel sieht seine Anwendung der Methode auch als einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Umwelt. Genauer gesagt: zum Wassersparen. Denn in vielen Tagebauten wird zur Staubunterdrückung enorm viel Wasser verspritzt.
    "Und dabei ist wichtig, dass Wasser jetzt auch nicht gut für die Umwelt ist, weil unglaubliche große Mengen an Frischwasser benutzt werden, um Staub zu unterbinden. Gleichzeitig ist es meistens dort, wo viel Staub ist, das ist meist eine aride Gegend, da hat man nicht so viel Wasser. Und da möchte man nicht das ganze Wasser benutzen, um sechs Mal am Tag über die gleiche Fläche zu spritzen."
    Eine biologische Verfestigung könnte den Unternehmen in solchen Fällen dabei helfen, Wasser zu sparen. Besonders in sehr trockenen Gegenden mit einer hohen Bergbauaktivität, wie beispielsweise in Australien, ist das interessant.
    Obwohl Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten an kalkausscheidenden Bakterien forschen, ist die Staubbindung im Bergbau eine der wenigen Anwendungen, die bisher die Marktreife erlangt hat. Martin Spitznagel fasst die Probleme beim Übergang vom Labor ins echte Leben so zusammen:
    "Es gibt drei große Bereiche im Know-How: Wie man es produziert, welche Bakterien man verwendet und die Zusammensetzung des Mediums. Und das ist äußerst komplex und es kommt natürlich immer drauf an, was man machen möchte. Es gibt nicht ein Medium für alles, sondern es gibt tausende von Medien für unterschiedliche Anwendungen, Umweltbedingungen, Materialien und so weiter."
    Viele weitere Einsatzmöglichkeiten
    Potentielle Einsatzmöglichkeiten gibt es für die Technik viele, auch über den Bergbau hinaus. Die Bakterien könnten dabei helfen, Sandstrände vor der Erosion zu bewahren, die Umwelt von Schwermetallen zu reinigen oder das klimaschädliche Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu binden. Doch für jede Anwendung muss ein eigener Bakterien-Nährstoff-Cocktail gemixt werden. Die Bakterien, die im Tagebau Staub binden, sind eben nur Spezialisten für genau diese eine Aufgabe.