Warum, fragt man sich verzweifelt – die Stimmung des Buches steckt an –, warum muss sich eine begabte Autorin so abgenutzter Stoffe bemächtigen? Tauschte man die Rekkus, Sinikkas, Kerttus, Anttis der Geschichten gegen hiesige Namen aus, würde hinter dem exotischen Lack rasch der europaweite Einheitsbrei einer sich selbst als "lost generation" stilisierenden Jugend sichtbar. Einer Jugend, für die Orientierungslosigkeit das ist, was Rebellion für ihre Vorfahren gewesen ist. Man rebelliert nicht mehr gegen als ungerecht empfundene Strukturen, sondern suhlt sich genüsslich darin, dass alle Strukturen abgeschafft sind. Natürlich stimmt das nicht, liefert aber den Grund, warum sich diese jungen Autoren so gern mit psychisch Depravierten beschäftigen. Nur in den Katakomben von Drogensucht, Depression, Psychose lässt sich jene Strukturlosigkeit behaupten, die man so gerne für sich selbst in Anspruch nähme, um nicht ins wahre Leben mit seinen Pflichten und Zwängen eintreten zu müssen.
Nein, von dieser Autorin, die in ihren oftmals kurzen, nur zwei, drei Buchseiten umfassenden, mal fotorealistischen, mal verschwommen phantastischen Momentaufnahmen großes sprachlichen, ja poetisches Talent verrät, möchte man genau das Gegenteil bekommen: die Beschreibung von Normalität. Devianz ist öde und literarisch unergiebig, Elendsarien gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Ein Säufer aus Tuuve Aros Erzählungsband hätte auch schon vor hundert Jahren in Gorkis "Nachtasyl" auftreten können, die differenzierte Analyse einer modernen Mittelschichtsfamilie wäre dagegen eine echte Herausforderung. Aber als Botschafterin finnischer Tristesse lebt es sich vermutlich besser. Jeder Kulturbetrieb eines Landes bekommt, was er fördert. Respektive: Was er verdient.
Tuuve Aro
Ärger mit der Heizung
Suhrkamp, 166 S., EUR 8,–