Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Kambodscha kommt zur Ruhe

Das Abkommen vom 23. Oktober 1991 sollte den Bürgerkrieg beenden und den Übergang zur Demokratie regeln. Zwei Jahrzehnte lang hatten sich die Kambodschaner untereinander bekämpft, unterstützt von ausländischen Mächten, die in der Region eigene Interessen verfolgten.

Von Barbara Geschwinde | 23.10.2011
    "Prinz Sihanouk personifiziert die kambodschanische Nation und ihre Suche nach Einheit und nationaler Aussöhnung. Darum muss der Prozess der Versöhnung durch die Gründung einer Koalitionsregierung unter Prinz Sihanouks Führung geschehen."

    So US-Außenminister James Baker bei der Kambodscha-Konferenz, die vom 30. Juli bis zum 1. August 1991 in Paris stattfand. Die Vereinten Nationen hatten zu dieser Konferenz die Vertreter der kambodschanischen Parteien, unter ihnen Stellvertreter der Roten Khmer und der Kambodschanischen Volkspartei des heutigen Premierministers Hun Sen, den Generalsekretär der UN und Vertreter von 17 Nationen eingeladen. Der Indologe Karl-Heinz Golzio:

    "Gegenstand der Konferenz ist zunächst mal gewesen, überhaupt keine territorialen Streitigkeiten, sondern das ganze Land sollte unter einer demokratischen Regierung geeint werden, die aber nicht über Nacht kommen konnte, sondern dazu hatte man beschlossen, dass UNO-Truppen für zwei Jahre stationiert werden, die bisherige Regierung, also das war auch schon damals Hun Sen, weiter bestehen sollte. Und Sihanouk sollte den bisherigen Staatspräsidenten ablösen, zunächst mal nicht als König, sondern als Staatsoberhaupt, das ist dann auch geschehen."

    1970 war der kambodschanische Staatschef Prinz Sihanouk von rechtsgerichteten Militärs gestürzt worden; ein mit Hilfe der USA inszenierter Putsch. Fünf Jahre später ergriffen die Roten Khmer die Macht. Mit dem Einmarsch vietnamesischer Truppen 1979 endete die Schreckensherrschaft des Pol Pot Regimes.

    Nach rund 20 Jahren Bürgerkrieg einigten sich auf der Kambodscha-Konferenz in Paris 1991 die Vertreter der verschiedenen Bürgerkriegsparteien, unter der Führung von Prinz Norodom Sihanouk, eine Übergangsregierung zu akzeptieren. 22.000 Blauhelmsoldaten wurden in das südostasiatische Land entsandt; darunter erstmals auch deutsche. Am 23. Oktober 1991 unterzeichneten Vertreter der kambodschanischen Parteien die Pariser Friedensverträge. Möglich geworden war eine Einigung im Kambodscha-Konflikt durch den Zusammenbruch des Kommunismus 1989 und das Ende des Kalten Krieges.

    "USA, UdSSR und China, die waren alle nicht mehr daran interessiert, ihre jeweiligen Stellvertreter unbedingt zu unterstützen, sondern jetzt war Bewegung in die Sache gekommen, also das Block-Denken hatte aufgehört und das waren im Grunde genommen die Initiatoren. Paris hatte man natürlich gewählt, weil Kambodscha ehemaliges Protektorat gewesen ist."

    Am 23. Mai 1993 fanden freie Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung statt. Obwohl die Roten Khmer zum Boykott aufgerufen hatten, gaben etwa 95 Prozent der Kambodschaner ihre Stimme ab. Als Wahlsieger ging Prinz Ranariddh, der Sohn von Prinz Sihanouk, hervor. Seine Partei die royalistische Funcinpec siegte über die Kambodschanische Volkspartei CPP von Hun Sen. Da sich die Übergangsregierung, allen voran Hun Sen, jedoch weigerte zurückzutreten, kam es zu einem Kompromiss. Prinz Ranariddh und Hun Sen teilten sich das Amt des Ministerpräsidenten und auch andere Ämter wurden doppelt besetzt.

    "Einmal hat das Friedensabkommen, wenn auch erst nach ein paar Jahren, dem Land Frieden gebracht. Wirtschaftlich geht es natürlich gemessen an den Zeiten der Roten Khmer und vielleicht auch an der Zeit vorher, geht es der Bevölkerung besser, aber man kann natürlich nicht sagen, dass Kambodscha jetzt ein reiches Land ist."

    Dennoch: Die Investitionen westlicher Firmen nehmen allmählich zu; der Tourismus entwickelt sich. Seit dem Tod des Roten Khmer Führers Pol Pot im Jahr 1998 kommt das Land zur Ruhe, weil sich die Reste der Roten Khmer endgültig aufgelöst haben, da ihre Symbolfigur verschwunden ist.

    Etwa zwei Millionen Menschen haben während der Zeit des Bürgerkriegs ihr Leben verloren, das entspricht etwa einem Drittel der Bevölkerung des Landes. Die Wunden aus der Zeit sind nicht verheilt, wie der kambodschanische Augenzeuge Daran Kravanh in seiner Autobiografie "Durch die Stille der Nacht" beschreibt:
    "Und obwohl ich keine körperliche Verletzung davongetragen hatte, waren die Auswirkungen auf Geist und Seele tief greifend. Noch Wochen später verspürte ich eine abgrundtiefe Verzweiflung. Ich war wie gelähmt. Ich musste mich zwicken, um festzustellen, ob ich überhaupt noch am Leben war."