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Kammermusik
Gipfeltreffen mit Mozart

An der Seite des Bratschisten Nils Mönkemeyer spielen der Pianist William Youn, die Geigerin Julia Fischer und die Klarinettistin Sabine Meyer. Und es gibt noch einen fünften Star im Bunde: Wolfgang Amadeus Mozart. "Mozart with friends" heißt die neue Platte von Nils Mönkemeyer - und alle zusammen sorgen dafür, dass das Gipfeltreffen am Ende nur gute Erinnerungen hinterlässt.

Von Raoul Mörchen | 22.05.2016
    Ein bisher unbekanntes angebliches Mozart-Porträt ist in der Berliner Gemäldegalerie entdeckt worden. Das 80 mal 62 Zentimeter große Ölgemälde von Johann Georg Edlinger ist wahrscheinlich während Mozarts letztem Aufenthalt in München 1790 entstanden.
    Ein Bratschist lädt ein, Mozart zu interpretieren. (picture alliance / dpa / Staatliche Museen zu Berlin)
    Mozart, Kegelstadttrio, II. Menuetto
    Musik in geselliger Runde. Was Nils Mönkemeyer, William Youn und Sabine Meyer hier spielen, hat Mozart einst komponiert beim Kegeln. So zumindest sagt es die Legende, die wir gar nicht erst hinterfragen wollen. Zu schön und stimmig ist das Bild vom Komponisten, der umringt von Freunden für Freunde schreibt. Seine Premiere erlebte das Trio im Sommer 1786 im Hause einer Klavierschülerin, mit Mozarts Freund Anton Stadler an der Klarinette, Mozart selbst spielte die Bratsche. Verkaufen ließ sich das Werk aufgrund der Besetzung kaum, das wusste Mozart: Die Klarinette war als Blasinstrument noch eine Rarität. Doch Mozart war das egal. Auch im Innern trägt das Werk dem freundschaftlich-familiären Umkreis Rechnung: Es ist apart und schlicht; das gemeinsame Vergnügen steht hier im Mittelpunkt, nicht der Ehrgeiz des Komponisten.
    Mozart, Kegelstadttrio, III. Rondeau. Allegretto
    Wir müssen an dieser Stelle gewiss keinen der leidigen alten Bratscher-Witze erzählen, um darauf hinzuweisen, was sich im Laufe von nur einer einzigen Generation geändert hat. Noch bis in den 1980er-Jahre waren die besten Bratscher in Wahrheit Geiger. Bratsche spielten sie, wie einst ja schon Mozart, weil es manchmal einfach sein musste und sich niemand anders fand. Hin und wieder wurde, wie bei Pinchas Zukerman, die Bratsche zum gleichberechtigten Partner, aber Musiker wie Nils Mönkemeyer gab es kaum – Solisten, die sagten: Ich spiele Bratsche und basta. Nun hat der heute 38-jährige Mönkemeyer die Zeitenwende nicht selbst eingeleitet, aber er gehört doch zu jenen Pionieren, die geschafft haben, was früher unmöglich schien: zu Beispiel nicht einfach irgendwo eingeladen zu werden und mitzuspielen, sondern selber einzuladen.
    Das Cover der neue Platte, auf dem nur er zu sehen ist, und das Booklet, das außer einem Interview mit ihm keine Informationen zu denen anderen Musikern bereit hält, zeigt klar und deutlich, wer hier im Mittelpunkt des Freundeskreises steht. Und natürlich ist auch die Auswahl der Werke ganz auf den Bratschen-Star des Labels Sony Classical zugeschnitten. Von einem kleinen Klavierpräludium abgesehen, ist die Bratsche immer dabei – auch, wenn das bei Mozart heißt, ein paar Stücke für die Bratsche erst einmal zurechtzubiegen. Denn auch bei Mozart ist die Literaturlage dünn für Bratscher, Originalwerke wie das Duo KV 423 sind die Ausnahme.
    Duo für Violine und Viola G-Dur, KV 423, II. Adagio
    Einmal nicht bloß Begleitung sein, sondern gleichberechtigter Partner: Mozart macht's für die Bratsche möglich. Und wo er es nicht möglich macht, macht es Nils Mönkemeyer möglich, wählt zwei frühe Violinsonaten von Mozart und spielt sie zwar ein wenig tiefer, als das ursprünglich vorgesehen war, doch kaum weniger behänd und leicht und ohne die körperhafte Schwere, die der Bratsche sonst oft anhaftet.
    Sonate für Klavier und Violine/Viola C-Dur KV 14, I. Allegro
    Keine Frage, Nils Mönkemeyer ist nicht bloß ein guter Bratscher, er ist ein guter Musiker – und ein guter Partner, der zuhört, der reagiert und tatsächlich mitspielt. Doch auch, wenn sein neues Album "Mozart with Friends" anderes suggeriert: Ein Primus inter pares ist er nicht. Wollte man wirklich einen herausheben aus dem Freundesquartett, müsste man sich entscheiden, welchen der vier Musiker man am liebsten gleich noch einmal hören würde: Die Wahl fiele auf William Youn.
    Es gibt nicht viele Pianisten, die Mozart mit so viel Poesie und Spielwitz begegnen wie der heute 34-jährige Koreaner Youn, die so viel frische Luft selbst unter Begleitfiguren bringen, und die Musik mit leichter Hand davor bewahren, jemals den Boden zu berühren. Dass Youn in den frühen Sonaten so deutlich den Ton angibt, ist keine Angeberei, sondern liegt in der Sache selbst: Sie stehen noch mit einem Fuß im Barock und sind Klaviersonaten mit Streicherbegleitung.
    Schwierig hier die Balance zu wahren, zumal die Sonaten ursprünglich natürlich nicht auf einem mächtigen Steinway, sondern vermutlich auf einem Cembalo oder dem noch leiseren Clavichord gespielt wurden. Doch bei Youn steht der Flügel nirgendwo im Wege, historische Aufführungspraxis hin oder her.
    Wie bereitwillig William Youn in die zweite Reihe zurücktritt, wenn es geboten ist, das hat man eingangs nicht nur im Kegelstatt-Trio mit Mönkemeyer und der Klarinettistin Sabine Meyer gehört, das beweist er abschließend auch in den Variationen KV 360 über das französische Lied "Hélas, j'ai perdu mon amant."
    Variationen KV 360
    Vorgestellte CD:
    Titel: Mozart with friends, Interpreten: Nils Mönkemeyer & Julia Fischer, Sabine Meyer und William Youn, Label: Sony Classical, EAN: 889853054121