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Kammerphilharmonie Amadé
Abbau eines Klangkörpers

Die Kammerphilharmonie Amadé steht vor dem finanziellen Aus. Die Förderung vom Land NRW wurde eingestellt. Den Grund für das Ende ist dem Orchester nicht klar.

Von Ortrun Schütz | 18.12.2013
    Es ist die letzte Probe der Kammerphilharmonie Amadé vor den Weihnachtskonzerten in Soest und Münster. An den Instrumenten sitzen vor allem junge Musiker. Die Stimmung ist gedrückt. Amadé steht vor dem finanziellen Aus: Das Ensemble erhält keine Förderung mehr vom Land. Wieso das so ist, kann sich Dirigent und Gründer des Ensembles Frieder Obstfeld nicht erklären. Schließlich versuche Amadé, durch die Anbindung an das nördliche Ruhrgebiet kulturelle Lücken in NRW zu schließen. Seit Monaten erhalte er aber nur inoffiziellen Erklärungen der Verwaltung am Telefon:
    "Es wird behauptet, unser Konzept hat sich nicht bewährt. Wir haben letztes Jahr gespielt: Rheingaufestival, Mecklenburg-Vorpommern, Chorin, Riedenberg, Moselfestival. Das gibt es fast gar nicht, dass Kammerorchester so etwas machen, und zwar nicht mit irgendwelchen Vivaldi-Konzerten, sondern Haffner-Serenade von Mozart, das größte Orchesterwerk von Mozart haben wir gespielt, mit großem Erfolg, mit Solisten wie Ugorski, Stadtfeld, und es heißt, das Konzept funktioniert nicht."
    Die Querelen um das Ensemble haben eine lange Vorgeschichte. Besonders dramatisch ist die Geschichte um die Konzerte mit der Sängerin Vesselina Kasarova. Der Künstlerin gefiel, wie das Ensemble musizierte. Nach vielen Jahren Vorbereitungszeit gelang es, der Kammerphilharmonie mit dem Weltstar aufzutreten. Mündlich war die Förderung der Proben aus Landesmitteln von der Bezirksregierung Köln in Aussicht gestellt worden. Doch der Bescheid ließ auf sich warten. Vier Tage nach Probenbeginn dann die Katastrophe: eine Absage. Die Begründung: absurd. Die Förderung der Probenphase sei „nicht Ziel der Landesförderung“. Nach zwei Konzerten in NRW war Schluss. Die geplante CD-Aufnahme mit der Sängerin, Auftritte in der Frauenkirche Dresden und dem Prinzregententheater München: geplatzt. Durch die Verschuldung konnten die Honorare der Musiker bis heute nicht vollständig bezahlt werden.
    "Das sind glaube ich ziemlich einmalige Vorgänge in Deutschland und das kann man ja als Orchester nicht auf sich sitzen lassen, ich hatte meinen Ruf verspielt in der Musikszene. Ja, bis heute. Es ist danach immer wieder passiert, dass Projekte in Aussicht gestellt wurden, dadurch, dass man den vorzeitigen Maßnahme-Beginn genehmigt hat, und nach den Projekten heißt es auf einmal, die Förderung wird widerrufen oder es gibt keine Förderung."
    Der Förderbericht 2011, dem Jahr der Kasarova-Konzerte, beweist: Ein anderes Orchester bekam seine Proben sehr wohl finanziert. Außerdem fiel die institutionelle – also garantierte und damit für die Konzerte einplanbare – Förderung anderer freier Orchester in NRW viel höher aus: Sie konnten mit 150.000Euro im Jahr wirtschaften, die Kammerphilharmonie Amadé erhielt nur 60.000Euro. Und selbst das ist jetzt vorbei. Das Bittere daran: Auf diese Weise fällt noch viel mehr Geld weg. Denn Sponsoring ist oft an eine Grundförderung durch das Land gebunden.
    Im August versuchte Amadé einen Neuanfang. Ein neuer Förderverein gründete sich, dem Vorstand gehören Verwaltungsexperten an, wie die frühere Kulturausschussvorsitzende im Landtag NRW, Renate Düttmann-Braun. Mit dieser Besetzung sollte es keine formalen Probleme bei Förderanträgen mehr geben. Doch auch unter dem neuen Vorstand wurde 2013 von Landesseite kein einziges Projekt unterstützt. Nach Antrag passierte 3,5 Monate gar nichts. Gesprächsbitten an Staatssekretär Bernd Neuendorf wurden unbegründet abgewiesen. Rainer Holtschneider, Vorstandmitglied des neuen Vereins und vormals selbst Staatssekretär in Sachsen-Anhalt, sind diese Vorgänge schleierhaft.
    "So was hätte ich mir damals in meinem Ressort, in meinem Fachbereich nicht vorstellen können, dass man einfach nicht antwortet. Dass jetzt ein Neuanfang versucht wurde, dass neue Leute sich engagieren, dass das auch juristisch ja was Neues ist, wenn ein neuer Verein neue Anträge stellt, die neu begründet werden mit neuen Leuten, das scheint man nicht zur Kenntnis zu nehmen oder die alten Vorurteile oder Einschätzungen setzen sich eben doch immer wieder durch."
    Vor dem Mikrofon wollte sich das Ministerium gegenüber dem Deutschlandfunk nicht äußern. Die Fragen an den Kulturabteilungsleiter der Staatskanzlei Peter Landmann und den Staatssekretär Bernd Neuendorf sollten doch lieber schriftlich zugeschickt werden. In letzter Sekunde kam von der Presseabteilung dann doch eine Begründung per E-Mail:
    "Eine Förderung ist derzeit haushaltsrechtlich nicht möglich, da die Kammerphilharmonie Amadé keine Gewähr für eine ordnungsgemäße Geschäftsführung bietet."
    Die Interview-Anfrage trägt Früchte, allerdings denkbar kleine: Nach Monaten der Gesprächsverweigerung ist das Kulturministerium nun mit einem Vorstandsmitglied des Fördervereins zum Telefonat verabredet. Auch ist der Ablehnungsbescheid der Förderung endlich auf dem Postweg unterwegs. Doch mit der Ablehnungsbegründung bleiben trotzdem die meisten Fragen offen. Nur eins wird immer klarer: das drohende Ende der Kammerphilharmonie Amadé.