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Kampf der Komponisten

Die beiden Komponisten Richard Wagner und Giuseppe Verdi feiern dieses Jahr ihren 200. Geburtstag. Eigentlich nur folgerichtig, sie aufeinander treffen zu lassen. Zum Auftakt der Münchner Opernfestspiele haben die katalanische Theatergruppe La Fura dels Baus und der Komponist Moritz Eggert das jetzt gemacht.

Von Jörn Florian Fuchs | 29.06.2013
    Jetzt ist auch das geschafft! Lange war einem doch leicht bange vor dem angekündigten Spektakel "Wagner gegen Verdi", das die Bayerische Staatsoper anlässlich ihrer Opernfestspiele den Jubilaren widmen wollte. Würde das Wetter halten? Es hielt. Würde alles ohne Unfall funktionieren? Es funktionierte.

    Wieder einmal hat die katalanische Theatergruppe La Fura dels Baus zugeschlagen. Zunächst prozessieren zwei Riesenpuppen mit erheblicher Entourage aus Fura-Personal und immerhin teilweise enthusiasmiertem Publikum von zwei belebten Münchner Plätzen zum Nationaltheater. Verdi trägt einen Zylinder, Wagner wird durch eine barettförmige Kopfbedeckung einigermaßen erkennbar. Diverse lokale Blaskapellen und sogar ein Polizeiorchester begleiten ihren Weg mit einer Mischung aus einschlägigen Zitaten der Meister sowie mittelmäßig modernen, schrägen Klängen. Für beides - Collage wie Neutönerei - war Moritz Eggert zuständig.

    Irgendwann erreichen die Komponistenpuppen samt ihren Musikern den Max-Joseph-Platz und dort spielt sich nun ein ganz besonderer Wettstreit ab. Wer ist der Bessere? Für Wagner hat man sich ein Hirnsymbol ausgedacht, Verdis Zeichen ist das Herz. So simpel ist die Sache, das Publikum heftet sich entsprechende Anstecker ans Revers.

    Währenddessen sorgt La Fura für ein buntes Spektakel mit Bollywoodtänzern, Klettermaxen, einer Menge Pyrotechnik und viel Krawall. Parallel spielen die durch Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters verstärkten Musiker erneut eine Melange aus Wagner, Verdi, Eggert. Mal überlappen und verschränken sich die Ebenen recht schön, dann wieder treffen Herz und Hirn ziemlich abrupt aufeinander.

    Manches ist wirklich witzig, anderes arg banal und redundant. Vor allem Eggerts eigene Komposition wirkt über weite Strecken leider ein wenig unterkomplex. Der Wagnerfan mag sich an Zitatklängen erfreuen, zu denen ein feuriges Ross durch den Münchner Opernhimmel reitet. Kenner der Mythologie erregen sich möglicherweise über die Muse Euterpe, welche sich tatsächlich vom Portal des Nationaltheaters kunstvoll abseilt. Recht amüsant sind auch Stefan Hunstein und Wolfgang Pregler. Die beiden Schauspieler liefern sich als Verdi und Wagner schöne Wortduelle.

    Doch was ist mit dem Ganzen gewonnen? Oder besser: Wer hat gewonnen?

    Sicher vor allem Intendant Nikolaus Bachler, das Spielzeitmotto lautet ja "Vox Populi". An dieser Stelle sei an den unvergessenen Franz Josef Strauß und sein Diktum Vox Populi, Vox Rindvieh erinnert - dass Strauß den Satz auch nur geklaut hat, geschenkt. Das Publikum jedenfalls labte sich eifrig am Bilderreigen und Musikfeuerwerk. Zum Finale erleben die Puppenprotagonisten dann eine Art Organtransplantation, Herz und Hirn werden zusammengeführt, Eggert kredenzt dafür eine triefende Kitschsoße.

    Der Kritiker hatte übrigens durchaus seine Freude an alledem. Er stand etwas abseits auf einer Terrasse, in der Hand ein Glas exzellenten Weißweins. Milde ließ er seinen Blick über die Trümmer europäischer Theaterkunst und ehemaliger Avantgarde schweifen.

    Gerne würde er noch ausführlich über ein gänzlich anderes Projekt Bericht geben, doch der Wein wirkte lange nach. Und so sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt, dass vor ein paar Tagen im hübschen Theatiner-Kino der Berliner Filmemacher Axel Ranisch den Versuch unternahm, William Waltons Einakter "The Bear" mit Francis Poulencs Monodram "Die menschliche Stimme" zu verschalten.

    Walton erzählt in einprägsamen Tableaus von einer Witwe, die sich mit einem nicht sehr einfühlsamen Grobian herumschlagen muss. Die Vorlage stammt von Anton Tschechow. Poulenc tauchte einen Text von Jean Cocteau in nervenaufreibende Musik, es geht um eine völlig verzweifelte Frau, die mit ihrem ehemaligen Liebhaber telefoniert und sich nach dem Scheitern der erhofften Versöhnung erdrosselt. Walton kommt via Leinwand ins Kino, Poulenc findet im Saal statt. Doch die Verzahnung der Stücke funktioniert kaum und es fehlt schlicht an Charme. In positiver Erinnerung bleibt jedoch Wiard Withold, der den rüpelhaften "Bär" singt - leider aber eben nur vom Band.