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Kampf der Reichweitenangst

Technik. - Die Bundesregierung hat ein Ziel: Bis Ende des Jahrzehnts sollen eine Million Elektroautos über Deutschlands Straßen gleiten. Momentan sind es gerade Mal 8000. Andere Länder wie Japan oder die USA sind da schon weiter. Damit das politische Ziel von einer Million erreicht werden kann, müssen die Hersteller technische Lösungen finden, die die Autofahrer überzeugen.

Von Piotr Heller | 12.09.2013
    Unter den potentiellen Fahrern von Elektroautos geht eine Angst um, die Reichweitenangst. Das weiß Jens Gayko vom VDE, dem Verband der Elektrotechnik:

    "Wenn man mit einem vollgeladenen Elektroauto losfährt, hat man eine Reichweite wie bei einem konventionellen Auto, wenn die Reserveanzeige angeht und man wieder zur Tankstelle fährt. Hier ist die Angst groß, liegen zu bleiben. Um diese Reichweitenangst in den Griff zu bekommen, sind öffentlich zugängliche Schnellladesäulen natürlich sehr wichtig, um dem Kunden das Vertrauen zu geben."

    Momentan gibt es in Deutschland etwa 3800 öffentliche Ladestationen. Zum Vergleich: Normale Tankstellen gibt es knapp 15.000. Um dem Kunden also die Reichweitenangst zu nehmen, haben die Hersteller verschiedene Strategien. BMW setzt auf Leichtbau: Das Elektroauto i3 soll noch dieses Jahr auf den Markt kommen. Die Idee: Die Fahrgastzelle besteht zum Großteil aus dem aus der Formel Eins bekannten kohlefaserverstärkten Kunststoff CFK. Der Projektleiter des i3, Andreas Feist, erklärt:

    "Wir wollten Gewicht kompensieren und da war der Werkstoff CFK für uns eine Möglichkeit deutliche Gewichtsreduktion zu betreiben, denn wenn man es nur in Aluminium gemacht hätte, hätten sie einen Gewichtsvorteil gegenüber Stahl von 30 Prozent, so haben wir einen von 50 Prozent. Das bringt uns im der Gesamtbilanz – das Fahrzeug wiegt 1195 Kilo – einen deutlichen Schritt."

    So kann BMW einen relativ kleinen Energiespeicher einbauen: 18,8 Kilowattstunden fasst der Lithium-Ionen-Akku. Seine Abmessungen sind kompakt, er ist sicher bei Crashs und schnell aufgeladen. Doch besonders weit kommt man damit nicht: Etwa 160 Kilometern schafft der i3. Also preist BMW den i3 als "urbanes" Fortbewegungsmittel an, mit dem die meisten sowieso nicht weit fahren wollten. Und wer doch mal größere Distanzen zurücklegen muss, kann sich günstig einen "richtigen" BMW mit Verbrennungsmotor mieten. Passende Sonderangebote sind beim Kauf eines i3 inbegriffen. Etwas Ähnliches bietet Renault an: Zum neuen Elektroauto ZOE gibt es die Option, günstige Benzinmodelle zu leihen. Es scheint, als würden die Hersteller ihren Elektroautos nicht trauen. Dabei sei der ZOE technisch durchaus zukunftsweisend, sagt Renaults Projektleiterin für Elektrofahrzeuge, Béatrice Degand.

    "Das Auto hat sehr viel Innovation und Patente, also Neuigkeiten. Zum Beispiel eine spezielle Wärmepumpe, ein bimodales Bremssystem. Wir haben in diesem Auto die Schnellladung über AC. Und sie können mit diesem Auto bis 43 KW laden."

    Die 43 Kilowatt laden das Auto an speziellen Stationen innerhalb einer halben Stunde. Und bimodales Bremssystem bedeutet, dass ein Teil der Energie beim Bremsen nicht verloren geht, sondern in der Batterie gespeichert wird. Die Reichweite ist ähnlich wie beim BMW. Und ebenfalls wie BMW steht Renault vor einem Problem: Sie haben ein modernes Auto, aber die Ladeinfrastruktur fehlt. Auf der vorletzten IAA stellten die Franzosen noch ein Konzept vor, mit dem sich das Problem technisch lösen ließe. Mit dem Unternehmen Better Place wollte man eine Infrastruktur für den Austausch von Batterien schaffen. Die Idee war einfach: Ein Elektroauto fährt zu einer speziellen Station und dort wird der leere Akkumulator durch einen aufgeladenen ausgetauscht. Die Umsetzung war jedoch schwer: Im Mai meldete Better Place Insolvenz an.
    Jetzt nimmt sich ein amerikanisches Unternehmen dieser Technologie an, die die meisten Autobauer ablehnen: Tesla Motors.

    "Automatisch werden einige Schrauben gelöst, die den Akku mit dem Chassis verbinden. Dann wird der Akku ersetzt. In Demonstrationen schaffen wir das in 90 Sekunden, ob das auch in der echten Welt zutrifft, müssen wir testen."

    So beschreibt Mateo Jaramillo von Tesla die Technologie. Gerade testet man dort die Systeme – und baut gleichzeitig an einer anderen Infrastruktur: Den so genannten Superchargern. Das sind Schnellladestationen, die das Tesla-Auto "Model S" in einer halben Stunde halb vollladen. Wohlgemerkt einen Akku von 85 Kilowattstunden. Das ist so viel Energie, wie ein vierköpfiger Haushalt an sechs Tagen verbraucht. Damit kommt der Tesla 500 Kilometer weit, sagt Mateo Jaramillo. Wie man es schafft, einen Akkumulator bei solch schnellem Aufladen nicht zu zerstören, will er nicht genau verraten. Nur so viel:

    "Wir haben ein sehr aktives Steuerungssystem. Damit stellen wir sicher, dass die Energierate korrekt ist. Jede Batterie hat eine bestimmte Ladekurve und wir sorgen dafür, dass sie korrekt durchfahren wird. Also wird die Batterie ständig thermisch überwacht und gesteuert."

    In Norwegen gibt es bereits vier solcher Ladestationen, in den USA 26. Bis Ende des Jahres sollen in Europa so viele stehen, dass man es mit dem Tesla entlang der Supercharger von Amsterdam über Frankfurt nach Zürich schafft. Tesla baut diese Infrastruktur, denn das Unternehmen will als einziger namhafter Hersteller nicht ein Elektroauto auf dem Markt bringen, das die bisherigen Automobile bloß ergänzt. Es will sie ersetzen. Besser gesagt: Es muss sie ersetzen. Denn anders als die großen Hersteller bietet es nur Elektroautos an.