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Kampf gegen IS
Militärisches Vorgehen reicht nicht

Militärisch ist die Terrormiliz Islamischer Staat zuletzt in sowohl in Syrien als auch im Irak in die Defensive geraten: Die massiven Luftangriffe der Anti-IS-Koalition zeigen Wirkung. Eine politische Lösung ist aber nicht in Sicht, denn dazu sind die Interessen aller Beteiligten zu unterschiedlich. Daran wird wohl auch ein Treffen in Rom nichts ändern.

Von Jan-Christoph Kitzler | 02.02.2016
    Irakische Truppen kämpfen gegen Dschihadisten der Terrormiliz IS, um die Umgebung der irakischen Provinzhauptstadt Ramadi zu sichern.
    Der IS wurde zuletzt auch durch irakische Truppen zurückgedrängt. (afp / STR)
    Wenn Vertreter aus 23 Staaten und der EU heute in Rom zusammenkommen, trifft sich auf dem Papier eine Koalition der Willigen – mit dem Ziel das Regime des sogenannten Islamischen Staates zu beenden. Aus Deutschland kommt Außenminister Frank-Walter Steinmeier, aus den USA sein Kollege John Kerry. Militärisch gab es zuletzt Erfolge im Kampf gegen den IS – in Syrien und im Irak wurden dessen Milizen mit massiven Luftschlägen zurückgedrängt. Dabei wurden auch die logistischen und finanziellen Mittel der Organisation eingeschränkt.
    Doch Italiens Außenminister Paolo Gentiloni, der die Runde in seinem Amtssitz begrüßt, hat in den letzten Tagen und Wochen immer wieder deutlich gemacht, dass der militärische Kampf gegen den IS allein nicht ausreicht: "Der Sieg gegen den IS kommt zunächst und unvermeidlich vom militärischen Engagement her. Aber es gibt auch eine politische Ebene, die genauso wichtig ist. Wenn wir nur militärisch agieren, und das Politische vernachlässigen, um die Region zu stabilisieren, wird das ein beschränkter Einsatz sein. Und wieder einmal würde man nur auf das Ergebnis schauen, und nicht auf die Zukunft und die Perspektiven."
    Machtvakuum vermeiden
    Im Kampf gegen den "Islamischen Staat" gehört Italien nicht gerade zu den Falken. Auch wenn Italien militärisch und finanziell stärker engagiert ist als viele andere Länder in Europa hat die Regierung in Rom die Losung ausgegeben: nur nicht die Fehler aus dem Irak wiederholen. Deshalb will man den IS bekämpfen, Syriens Staatschef Assad soll abgelöst werden – aber ein Machtvakuum wie im Irak mit unkontrollierbaren Folgen soll vermieden werden. Viele Fachleute halten das für vernünftig – das Problem ist nur, dass in der Koalition der Willigen bisher nicht einmal die Europäer an einem Strang ziehen. Gemeinsame Strategie? Fehlanzeige, sagt Nicola Pedde, Direktor des Institute for Global Studies in Rom:
    "Ehrlich gesagt ist es schwierig, das Interesse Europas zu definieren. Jeder verfolgt seine eigenen Ziele. Die EU hat weiterhin keine gemeinsame politische Linie. Und jetzt müssen wir mit den Folgen leben, dieser Unfähigkeit, diesem fehlenden Willen mit einem langfristigen Plan, jenseits des eigenen Horizontes einzugreifen. Das ist das Ergebnis unserer Fehler der letzten 20 Jahre. Und ich sehe da keine konkrete Lösung."
    Und dann gibt es noch das Problem, dass längst nicht alle wichtigen Akteure der Region in Rom vertreten sind. Russland, das seine Präsenz in Syrien massiv verstärkt hat und seit Ende September vergangenen Jahres Luftangriffe fliegt, ist nicht dabei, ebenso wenig der Iran. Der militärische Kampf gegen den IS muss dringend besser kontrolliert werden – das zeigen nicht zuletzt die Spannungen zwischen Russland und der Türkei wegen der Lufteinsätze. Und innerhalb Syriens ist Frieden noch lange nicht in Sicht – denn dafür müssten sich zunächst einmal die Konfliktparteien gegenseitig anerkennen.
    Schließlich sind auch die Interessen von Staaten wie Iran und Saudi-Arabien, von Russland und den USA viel zu unterschiedlich. Am Ende müsste zwar nicht der IS am Verhandlungstisch sitzen, sagt der Experte für die Region Nicola Pedde, wohl aber müssten auch die Bevölkerungsteile vertreten sein, die den IS jetzt unterstützen.
    "Das Problem ist nicht ein radikaler Islam, nicht eine wahnsinnige Koranauslegung durch die Jugend. Das Problem ist die Armut, die Instabilität. Und das ist nur der Beginn der Krise. Ein Dominoeffekt könnte sehr bald viele andere Länder in der Region betreffen, zuerst Ägypten. Und das hätte verheerende Folgen für den Mittelmeerraum und für Europa."
    Zur Zeit sprechen vor allem die Waffen – eine politische Lösung ist nicht in Sicht. Und an diesem Zustand wird wohl auch dieses nächste Treffen der Anti-IS-Koalition in der Italienischen Hauptstadt nichts ändern.