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Kampf gegen IS
NATO und Europa müssen handeln

In Brüssel demonstrierten Kurden vor dem EU-Parlament. Sie forderten von der NATO und der EU, endlich gegen die Terrormiliz Islamischer Staat vorzugehen - und in der umkämpften Stadt Kobane einzugreifen. Die beiden internationalen Organisationen scheuen jedoch einen militärischen Einsatz.

Von Kai Küstner | 10.10.2014
    Mehrere hundert kurdische Demonstranten und deren Anhänger demonstrieren am 07.10.2014 in Münster (Nordrhein-Westfalen) gegen den Terror der IS Miliz in Nordsyrien an der türkischen Grenze. Mit Protestaktionen und Besetzungen haben kurdische Demonstranten in vielen deutschen und europäischen Städten auf die verzweifelte Lage in der umkämpften syrischen Grenzstadt Kobane aufmerksam gemacht.
    In europäischen Städten demonstrieren Kurden und fordern von NATO und EU mehr Einsatz im Kampf gegen den IS. (picture alliance / dpa / Oliver Krato)
    Sprechchöre gegen den Terror: Nur wenige Meter vom EU-Parlament in Brüssel entfernt demonstrieren Dutzende Kurden. Einige von ihnen hungern seit Tagen. Aus Protest: gegen das Vorrücken der IS-Terroristen, wie sie sie nennen, und gegen die Untätigkeit des Westens: "Die NATO und die EU müssen die Gewalt, die vom IS ausgeht, stoppen. Sofort, ohne länger zu warten. Die kurdischen Kämpfer müssen bewaffnet werden", sagte eine hungerstreikende Demonstrantin. Sie wirft gleichzeitig dem NATO-Mitglied Türkei vor, heimlich die IS-Milizen mit Geld und Waffen zu beliefern.
    Komplizierte Lage
    Die Lage ist kompliziert für den Westen: nicht einfacher wird sie dadurch, dass die EU etwa die kurdische Arbeiter-Partei PKK auf ihrer Terrorliste führt. Die wiederum hat enge Beziehungen zu jenen Kurden, die gerade die mordenden IS-Milizen bekämpfen: "Die Kurden dort sind keine Terroristen, das sind einfach die Menschen, die dort heimisch sind. Sie verteidigen mit wenigen und schlechten Waffen ihr Gebiet. Aber was können die schon ausrichten gegen schwerbewaffnete Terrorristen?", sagte die Demonstrantin.
    Soweit also die Forderungen der Kurden. Die NATO hingegen scheint eher von ihrem Mitgliedsland Türkei zu erwarten, dass es mehr tut. Jedenfalls hörten das nicht wenige aus den Worten des neuen NATO-Generalsekretärs Jens Stoltenberg bei seinem Besuch in Ankara so heraus: "Ich begrüße das entschlossene Vorgehen der USA mit vielen Partnern und Alliieren und ich begrüße auch die jüngste Entscheidung im türkischen Parlament, die eine noch aktivere Rolle der Türkei in dieser Krise erlaubt."
    Türkei zögert
    Die Türkei wiederum zögert, weil sie fürchtet, mit einer Schwächung der IS-Milizen ihre eigentlichen Feinde zu stärken. Nämlich die kurdische PKK sowie Syriens Präsident Assad. Und: die Regierung in Ankara machte mehr als deutlich, dass sie nicht im Alleingang eine Boden-Offensive gegen den IS starten werde. Die NATO ist zurückhaltend. Stoltenberg: "Die NATO erfüllt ihre Aufgabe. Unsere Patriot-Raketen verstärken die Luftabwehr der Türkei und helfen, ihr Territorium und ihre Einwohner zu beschützen."
    Die USA haben noch den Irak-Krieg im Kopf - und auch in den Knochen. Und die NATO ist erschöpft und teilweise auch ernüchtert von über zehn Jahren in Afghanistan. Der Wille, erneut Bodentruppen in einen schwierigen Einsatz mit ungewissem Ausgang zu schicken, ist nicht sehr ausgeprägt. Die Lage ändern allerdings würde ein Übergriff der Terror-Milizen auf türkisches Gebiet. "Wenn der Fall eines Tages einträte, dann könnte die Türkei als Opfer eines Angriffs das Inkrafttreten von Artikel 5 fordern", sagte der Brüsseler Militär-Experte Olivier Jehin. Artikel 5 besagt: ein Angriff auf ein NATO-Land ist ein Angriff auf alle. Dann, so die einhellige Meinung, könnte das Bündnis gar nicht anders, als der Türkei zu Hilfe zu eilen. Die Frage ist, ob die mordenden Milizen nicht diese Landesgrenze dann doch scheuen. Wohl wissend, dass sie andernfalls NATO-Gebiet betreten würden.